LEITARTIKEL: Alles halbso schlimm

LEITARTIKEL: Alles halbso schlimm

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Chaos in den hauptstädtischen Straßen lösten die demonstrierenden Beschäftigten vom Gas- und Stromwerk der Stadt Luxemburg am vergangenen Mittwoch nicht aus. / Lucien Montebrusco

Ihr Warnstreik verlief fast unbemerkt. Nur in einzelnen Lyzeen gingen die Lichter kurzzeitig aus. An Stromausfälle sei man gewöhnt, hieß es dort. Nur im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses war es gleich zweimal verdächtig dunkel geworden. Zufall oder nicht? Denn zum gleichen Zeitpunkt diskutierten die Deputierten über den Gesetzentwurf, den die Kommunalbeamten der Stadt partout ablehnen und weswegen sie streikten.
An der Entschlossenheit der Politiker änderte das alles nichts. In Zukunft werden die Beamten vom Gas- und Stromwerk Luxemburgs für Creos arbeiten, die Gesellschaft, die das Gros des Strom- und Gasnetzes betreibt.
Die Argumente der Gegner sind nachvollziehbar. Die Energienetze sollen in öffentlicher Hand bleiben. Schließlich wurden sie mit öffentlichen Gelder geschaffen und in Stand gehalten.
Privatisierung öffentlicher Infrastrukturen – das reimt in der Regel mit versäumten Investitionen, Pannen und Unfällen. Paradebeispiel ist immer wieder das marode Eisenbahnnetz Großbritanniens. In den Nachbarländern, wo in den vergangenen Jahren massiv aus dem öffentlichen in den Privatsektor ausgelagert wurde, bahnt sich eine Wende an: die „Rekommunalisierung“ von Wasser- und Energieversorgung. Springt Luxemburg nun auf einen Zug, der längst wieder zurückfährt?

Privatisiert. Oder doch nicht?

Doch werden die Beamten tatsächlich zusammen mit den Energienetzen der Hauptstadt „privatisiert“, wenn sich Luxemburg-Stadt für Creos entscheidet? Auch die Argumente der Befürworter des Gesetzes klangen am vergangenen Mittwoch plausibel. Creos bleibe fest in öffentlicher Hand. In Zukunft hätten Staat und Gemeinden mehr als bisher das Sagen in diesem für Luxemburg wichtigen Bereich.
Werden nun Luxemburgs Strom- und Gasnetze verrotten, weil ein privatrechtliches Unternehmen mit Investitionen knausern wird? Kaum. Erstens konnte Enovos/Creos-Vorgänger Cegedel seine Kunden bisher stets zuverlässig mit Energie versorgen. Zweitens ist ein modernes, performantes und sicheres Energienetz für eine kleine Volkswirtschaft wie die Luxemburgs von vitalem Interesse. Wer heute bei den Infrastrukturen spart, wird übermorgen den Preis dafür zahlen müssen in Form abwandernder Unternehmen und ausbleibender Steuereinnahmen.
Das Argument für den Beitritt zu Creos ist für die Stadt Luxemburg vor allem ein wirtschaftliches. Infrastrukturkosten lassen sich besser verkraften, wenn sie auf breitere Schultern verteilt werden. Netzkosten seien nun mal ein Teil der Stromrechnung, gab Luxemburgs Bürgermeister Helminger am Mittwoch im Parlament zu verstehen.
Dass auf dem Energiesektor mit harten Bandagen gekämpft wird, zeigt nicht zuletzt die Ende vergangenerWoche vorgestellte Enovos-Kampagne. Sie soll der Konkurrenz auch in der Hauptstadt und in Esch/Alzette Kunden abspenstig machen. Der Erfolg dürfte nicht ausbleiben.
Am meisten lag den demonstrierenden und streikenden Kommunalbeamten am letzten Mittwoch wohl doch am Erhalt ihrer angestammten Rechte als öffentlich Bedienstete. Daran werde sich nichts ändern, auch als Creos-Mitarbeiter, wurde ihnen versprochen. Alles gut demnach? Davon wird man wohl ausgehen können. Problematisch wird nur sein, dass in Zukunft in einem Betrieb Beschäftigte dieselbe Arbeit verrichten, aber unterschiedliche Arbeitsverträge in der Tasche haben werden. Hier betreten die Gewerkschaften das Feld. Sie werden sich in den kommenden Jahren darum bemühen müssen, die Ungleichheiten auszubügeln, die Standards nach oben anzupassen. Viel bleibt nicht mehr zu tun. Denn geschlafen haben sie auch in der Vergangenheit nicht.

lmontebrusco@tageblatt.lu