Keine Abkehr vom Öl

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Eine der problematischsten Eigenschaften unserer westlichen Wohlstandgesellschaften ist ihr unstillbarer Energiehunger.

Der selbst in Ländern, die sich von der Industrie weg- und den Dienstleistungen zuwenden, nicht geringer wird: Computer und Datenzentren fressen in der Summe nicht weniger Strom als Elektrostahlwerke.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Nicht nur die Sorge um den Klimawandel, sondern auch die Angst vor langsam versiegenden Ölquellen bewegte etliche politische Entscheider dazu, die Abhängigkeit ihrer Volkswirtschaften von fossilen Brennstoffen zu verringern.

Doch der Boom von Schiefergas und -öl scheint das Gespenst des „Peak Oil“ fürs Erste gebannt zu haben: Öl und Gas werden, so die Befürworter der Ausbeutung dieser neuen Ressourcen, auf absehbare Zeit wieder quasi à gogo sprudeln. Gerade in den USA, einer Nation von eingefleischten Energieverschwendern, sorgt der neue Boom dafür, dass das Energiesparen immer weniger als Notwendigkeit angesehen wird. Umso mehr als die Vereinigten Staaten nun nicht mehr von ausländischen Lieferanten abhängig sein werden, sondern schon bald eine weitreichende Autarkie sicherstellen könnten.

Ein Boom mit hohen Risiken

Allein, dieser neue Segen ist gleichzeitig Fluch, denn die Gewinnung von „Shale Oil & Gas“ erfordert technische Methoden – das sogenannte „Fracking“ –, dessen Risiken und Nebenwirkungen noch keineswegs in ausreichendem Maße erfasst sind. Das amerikanische Politmagazin The Nation hat in seiner jüngsten Ausgabe (vom 6. Januar) ein Dossier über den wachsenden Widerstand in der US-Bevölkerung gegen die Umtriebe der Öl- und Gasindustrie veröffentlicht. Nicht nur dass beim Fracking Chemikalien in den Boden gepumpt und das Grundwasser verunreinigt wird, die Fossiltreibstoff-Firmen überziehen das Land mit einem dichten Netz von Pipelines, welche ihrerseits Gefahren für Mensch und Umwelt bergen: Gerade Lecks in Ölpipelines bleiben oft für längere Zeit unentdeckt, was dazu führt, dass austretendes Petroleum Wasser und Böden im großen Stil verseucht. Für die 2,5 Millionen Meilen Pipelines, welche die Staaten derzeit durchziehen, sind gerade mal 110 föderale Inspektoren zuständig.

Der Transport der fossilen Brennstoffe per Bahn ist seinerseits nicht ungefährlich, wie zwei größere Unglücke unlängst in Nordamerika gezeigt haben.

„Die USA haben sich kopfüber in eine Renaissance von Öl und Gas gestürzt“ schreibt The Nation, doch der Preis, den die Menschen dafür bezahlen, ist hoch. Zwar reduziert die Verbrennung von Gas anstelle von Steinkohle deutlich die CO2-Emissionen, doch besteht der Verdacht, dass beim Fracking größere Mengen Methan, das ein viel potenteres Treibhausgas ist als Kohlendioxid, in die Atmosphäre entweichen.

Die Flut von billigem Öl und Gas könnte sich aber für die Amerikaner als Sackgasse erweisen. Denn in ein paar Jahrzehnten ist auch diese Ressource verheizt und die Konsequenzen des Fossiltreibstoff-Booms unumkehrbar.