Juncker schmeißt hin

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EU-Kommissionspräsident zweifelt an der Union in der EU

Nach nicht einmal der Hälfte seiner Amtszeit ließ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Interview mit dem Deutschlandfunk verlauten, dass er keine zweite Amtszeit mehr anstreben werde. Er kann sich das leisten, hat doch ein Kommissionspräsident keine Opposition zu befürchten, die ihm für den Rest seiner Mandatszeit das Leben schwer machen könnte. Dennoch dürfte diese frühzeitige Ankündigung Jean-Claude Juncker schwächen, abgesehen davon, dass sie tief blicken lässt. Denn ab jetzt wird der Luxemburger als jener betrachtet, der bereits abgedankt hat, mit dem nicht mehr zu rechnen sein wird. Für andere wäre die Aussicht, sich keiner Wahl mehr stellen, auf keine Zustimmung hinarbeiten zu müssen, ein eher befreiender Moment. Doch darauf achtet Jean-Claude Juncker nicht unbedingt. Er fühlte sich offenbar immer etwas freier, das sagen zu können, was er wollte.

Abgesehen von dieser vorgezogenen Rückzugsankündigung zeichnete der EU-Kommissionspräsident in dem Gespräch ein alles andere als optimistisches Bild über den Zustand und die Zukunft des Miteinanders in der EU. Manches klang so, als würde da einer reden, der geneigt ist, aufzugeben, der, des Kampfes müde, sich danach sehnt, sich zurückzuziehen. Den EU-Staaten nimmt er offensichtlich die seit dem britischen Brexit-Referendum immer wieder zur Schau gestellten Demonstrationen der Einigkeit bezüglich der anstehenden Austrittsverhandlungen mit London nicht ab. Vielmehr traut er den 27 zu, dass sie sich einzeln von den Briten werden ködern lassen, wenn diese nur die richtigen Angebote machen. Juncker glaubt wohl, dass die Schwäche so mancher von ihnen, nationale Interessen zu bevorzugen, stärker sein wird als der Wille, partikularen Vorteilen zugunsten einer gemeinsamen Lösung zu widerstehen. Das aber sind keine guten Voraussetzungen, um eine Gemeinschaft zusammenzuhalten, eine Union zu bilden.

Jean-Claude Juncker zweifelt daran, dass die Europäer in „geschlossenen Rängen aufmarschieren“, jetzt, da ihre Einigkeit nicht nur durch den Brexit, sondern auch vom neuen US-Präsidenten Donald Trump herausgefordert wird. Selbst bei der Frage, ob sich für die Europäer angesichts des angekündigten handelspolitischen Rückzugs der USA in der Welt neue wirtschaftliche Chancen ergeben, übt sich Juncker in Zurückhaltung. Vor allem das Ringen um das Freihandelsabkommen mit Kanada dürfte ihm vor Augen geführt haben, dass nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch deren Bürger der EU die Befähigung absprechen, für die Gemeinschaft zu agieren. Die Krisen, mit denen es die EU seit mittlerweile rund zehn Jahren zu tun hat, haben dem Zusammenhalt zwischen den Europäern zugesetzt. Das hat wohl auch bei einem der leidenschaftlichsten unter den Europa-Politikern Spuren hinterlassen. Die vielen Zweifel, die Juncker in dem Interview geäußert hat, werden daher kaum aus einem „autobiografisch schwachen Moment“ heraus, wie er es bezeichnen würde, entstanden sein. Es zeigt aber, dass sich die Europäer nicht allein auf Politiker wie Juncker verlassen dürfen, wenn sie wollen, dass es mit ihrer EU weitergeht. Da müssen mehr mit Hand anlegen.