Immunität und Schamgefühl

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Für Christian Wulff wird es endlich brenzlig. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Aufhebung der Immunität des deutschen Bundespräsidenten beantragt. Der Antrag ist ein Novum in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Zum ersten Mal soll der Bundestag darüber entscheiden, ob einem Bundespräsidenten die Immunität abgesprochen wird. Und somit indirekt darüber, ob er sich strafrechtlich verantworten muss. Der Antrag hat zwei Konsequenzen.

Erstens beschmutzt Wulff trotz der legitimen Unschuldsvermutung die Würde seines Amtes weiter. Ein Bundespräsident, gegen den ermittelt wird, ist eine politische Schande – zumal man von Wulff nicht erwarten kann, dass dieser Teflon-Machtmensch freiwillig abdankt.

Zweitens würde seine strafrechtliche Verfolgung dem mehr als zu Recht ramponierten Ruf der Merkelschen Koalition weiteren Schaden zufügen. Sollte Wulff trotz des Ermittlungsverfahrens versuchen, sich an die Macht zu klammern, dürfte sich das restliche bisschen Unterstützung in Luft auflösen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird einen Bundespräsidenten, dessen politischer état d’esprit an eine korrumpierte Krämerseele erinnert, nicht mehr tragen können. Und wollen. Wulff wird in die Geschichtsbücher als jener Bundespräsident eingehen, der gegen jegliches Schamgefühl immun war. Où il y a de la gêne, il n’y a pas de plaisir…