„Geld ist nicht alles“

„Geld ist nicht alles“
(EDITPRESS/Jean-Claude Ernst)

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Nörgeln die Luxemburger zu viel? Oder nicht genug?

Warum rechnen die Franzosen derart hart mit ihrer classe politique ab? Wieso trauen sie dem Quasi-Neuling Macron den Willen und die Fähigkeit zu, das Allgemeinwohl endlich (wieder) über die Partikularinteressen zu stellen?

Sind sie sich der Tatsache nicht bewusst, dass das freimarktwirtschaftliche System, dem auch Frankreich sich verschreibt, auf knallhartem grenzenlosen Wettbewerbsdenken fußt, welches die Produktionskosten so niedrig wie möglich will und somit alle direkt oder indirekt kostensteigernden Maßnahmen der Politik bekämpft – wie, generell, den sozialen Besitzstand mit allem Drum und Dran?

Macron wird, wenn er denn Frankreich mit dem Ziel Wettbewerbsfähigkeit „reformiert“, den unteren und mittleren Einkommensschichten allerlei Opfer auferlegen. Die für ausländische Beobachter interessante Frage ist nun, ob die dann betroffenen Franzosen mitziehen, weil ihnen eine bessere Zukunft versprochen wird, oder ob sie Macron in gewaltigem Aufstand die Stirn bieten.

Im Wort philosophierte der Leitartikler letzthin über das Geld und das Glück. Er gestand zu, dass die Luxemburger Regierung dank der guten Konjunktur (aber fällt die vom Himmel?) viel zugunsten der Wähler tun konnte – was Letztere aber nicht honorieren, sofern die TNS-Ilres-Umfragen stimmen. Und daraus ergäbe sich folgende Schlussfolgerung: „Geld alleine macht nicht glücklich.“ Das behauptet ja niemand.

Nur ist es so, dass zur Freude am Leben auch das nötige Einkommen und vielfältige öffentliche Leistungen gehören. Das nötige Einkommen fehlt Zehntausenden Einwohnern im statistisch so reichen Luxemburg und denselben Benachteiligten können die gebotenen öffentlichen Leistungen oft nicht genügen. Was die Wohlhabenderen zu ihrem wahren Glück noch brauchen, ist gewiss ein spannendes Thema …

„Frot dir no alle Säiten hin … Wéi mir esou zefridden sin.“

Vielleicht sollte man, zum anstehenden Nationalfeiertag, ein altes, aus vollem Herzen gesungenes Lied anstimmen: „De Feierwon“. Insbesondere die vorletzte Strophe ist bemerkenswert aktuell (alte Schreibweise): „Mir hu keng schwéier Lascht ze dron/Fir eise Staatswon dun ze gon/Keng Steire kommen äis erdrecken/Keen Zwang de fräie Geescht erstecken/Mir maachen spuersam eise Stot/Kee Biirger a kee Bauer klot.“

Und dann eben das Refrain: „Kommt hier aus Frankräich, Belgie, Preisen/Mir wëllen iech ons Hémecht weisen/(…) Frot dir no alle Säiten hin/Wéi mir esou zefridden sin.“ Das war 1859, als der erste Eisenbahnzug vom ersten Bahnhof im südlichen Brachland vor der Festung auslief. Mit dem Feierwon kam die Industrialisierung, man freute sich, man fühlte sich wohl.

Und heute? Verinnerlichen wir die Tatsache, dass Luxemburg haarscharf an der totalen Krise vorbeischrammte, als das tragende Stahlgeschäft einbrach? Dass die Informatik, le numérique, the information technology dabei ist, Luxemburg schneller, tiefer zu verändern als seinerzeit die Lokomotive? Dass das Luxemburger Wirtschaftsgefüge sich zukunftsorientiert auf den Export ausrichtet und daher zunehmend höchste Anforderungen an die Mitarbeitenden aller Kategorien richtet, Anforderungen, denen (leider?) nur Gute, sehr Gute und die Besten genügen?

Vielleicht lebten die Luxemburger von 1859 deshalb zufriedener als die von 2017/18, weil sie sich ihrer Abhängigkeit von „Frankräich, Belgie, Preisen“ (lies: von der EU und deren Partnern) zutiefst bewusst waren.

Nörgelten sie über die Regierung? Wahrscheinlich weniger.