Trash – die Schande am Bahnhofskiosk

Trash – die Schande am Bahnhofskiosk
Die Gangster V. und J. reden am liebsten über Fastfood, Drogen und Fußmassagen. Der Name des Werkes sei hier nicht erwähnt.

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J.: „Los, erzähl mir noch mal von den Haschischbars!“
V.: „Alles klar, was willst du wissen?“
J.: „Der Stoff is’ da legal, ja?“
V.: „Ja, schon legal, ja, aber nicht 100%ig legal, du kannst unmöglich in ’n Restaurant gehen und dir ’nen Joint rollen und dann drauflospaffen. Ich meine, die wollen, dass du zu Hause oder nur an bestimmten Plätzen rauchst.“
J.: „Und das sind diese Haschbars?“
V.: „Ja, das funktioniert ungefähr so: Es ist legal, den Stoff zu kaufen, es ist legal, ihn zu besitzen. Und wenn du der Besitzer so einer Haschbar bist, ist der Verkauf legal. Es ist legal, das Zeug bei sich zu haben, aber das ist eigentlich unwichtig, zieh dir das rein, okay? Wenn du von einem Bullen in Amsterdam festgehalten wirst, dann hat er nicht das Recht, dich zu durchsuchen. Die Bullen in Amsterdam haben nicht das Recht dazu!“
J.: „Oh Mann, da muss ich hin, das ist doch ganz klar, was mach’ ich noch hier?“
V.: „Ich weiß, Baby, du würdest tierisch drauf stehen! Aber weißt du, was das Abgefahrenste an Europa ist?“
J.: „Was?“ (… usw.)

Für einmal völlig andere Töne statt eines einführenden Zitates. Und dieser Text ist sehr bewusst gewählt. Als abschreckendes Beispiel nämlich und bestimmt nicht im Kontext der heuer brandaktuellen und durchaus todernsten Drogenliberalisierungsdebatte zu lesen …

Von Frank Bartemes

Deshalb auch aus verständlichen Gründen ohne Erwähnung des Autors und schon gar nicht seines (vermeintlichen) „Werkes“. Geht es doch im Rahmen dieser Zeilen um Trash – sprich um Schrott, Schund und Triviales, „bad taste“, sprich schlechten Geschmack, gar Geschmacklosigkeit innerhalb des Literaturbetriebes. Genauer um die Schund- und Schmutzliteratur, um ästhetisch minderwertige und moralisch anstößige Geschichten in Heft- oder Buchform. Ein Thema, das im Kontext der Literatur im Rahmen dieses Beitrages für einmal zur Diskussion gestellt werden soll …

Griff ins Schundregal

So manche Leser greifen hin und wieder ins Schundregal. Vielleicht sogar mit der Absicht, sich am Schrecklichen zu erfreuen oder sich ganz einfach mal aus dem ernsten, dem seriösen Literaturbetrieb auszuklinken – durchaus verständlich. Oder weil sie gehört haben, dass dieses oder jenes Buch der totale Aufreger sein soll und man es unbedingt gelesen haben muss. Doch genau damit spielen sie dem Trash-Marketing in die Hände, dem Markt der Schundromane. Schundliteratur ist ein ökonomisches Kalkül und zielt immer auf den Massengeschmack ab. Jedoch gibt es auch durchaus intellektuelle Stimmen aus dem Fachbereich „Literatur“, die sagen, dass wer Trash eben nicht zu schätzen wüsste, der anspruchsvollen Literatur nicht wert wäre.

Die Bemerkung kann in dem Sinne durchaus berechtigt sein, wenn man bedenkt, was alles schon so in diese Kategorie „Trash“ eingestuft wurde, wie beispielsweise Werke von D.H. Lawrence („Lady Chatterley’s Liebhaber“), Vladimir Nabokovs „Lolita“ oder auch Henry Millers „Wendekreis des Krebses“. Alles Werke, die für gewisse Kreise scheinbar bis offensichtlich eine Zumutung waren, gar als Skandal galten und demzufolge auf dem Schund-Index landeten – heute zählen sie pikanterweise zur Weltliteratur. Selbst Mark Twain wurde von Kritikern tatsächlich Primitivität vorgeworfen und von dessen Meisterwerk „Huckleberry Finn“ stammt immerhin, glaubt man seinem Kollegen Hemingway (und man kann!), die gesamte moderne amerikanische Literatur ab. Man muss also schon vorsichtig bei der Einschätzung der literarischen Qualität eines Werkes sein – und sich doch eher selbst als Leser sein Urteil bilden.

Und trotz der Tatsache, dass es Schriftsteller gibt, die mit so ziemlich allem aufwarten können, was eben einen Schriftsteller von Rang und Namen kennzeichnet, sprich ein umfangreiches, in zig Sprachen übersetztes und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnetes Werk, so kommt es doch vor, dass einige von ihnen durchaus schon mal ausreißen und ihre normalen Pfade verlassen. Dennoch schätzen Kritiker diesen Hang zum Schrägen, Wahnhaften und Abgründigen, auch wenn eben so manche Autorin oder so mancher Autor in eben diesen „Trash“-Abgrund gezogen worden ist. Weil Schriftsteller (wie einer von ihnen in einem Interview selbst aussagte) „stets am Rande des Abgrunds leben und schreibend ihre Obsessionen, ihre Einsamkeit, ihren Wahnsinn, gar ihr Verschwinden verarbeiten“. Und da eröffnet „Trash“ für einige von ihnen, die sonst „bessere“ Texte zu schreiben pflegen, einen Weg, sich mal augenzwinkernd in weniger „goutierten“ Genres und Formen in teils ironischer Art und Weise zu verirren. Why not? ist man geneigt zu bemerken.

Literarischer Abfall

Die Zeiten des literarischen Abfalls der Heft- und Groschenromane scheint jedenfalls endgültig vorbei zu sein, wie einige meinen – oder vielleicht doch nicht? Es gibt nämlich durchaus noch einen Markt für Literatur, die zu besitzen zuzugeben sich so mancher „heimliche Genießer“ sich niemals trauen würde. Es gibt immer noch Literaturfreunde, die sich so nebenbei im Bahnhofskiosk hinter den Regalen verstecken, um sich dem persönlichen Genuss der Trivialliteratur hinzugeben, und von sich aus denjenigen ein ernstes persönliches Problem unterstellen, die glauben, Literatur in hochstehende Kunst einerseits und minderwertigen Schrott anderseits unterteilen zu müssen. Alles ist eben Ansichtssache … im Sinne von: „Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.“ Frei nach William Shakespeare (Hamlet).

Ein weltbekannter Schriftsteller, der die Welt zwischen Schund und Literatur jedenfalls bestens kannte und bestimmt kein Problem mit „Trash“ hatte, war Georges Simenon. Anlässlich seines 100. Geburtstages veröffentlichte ein Kulturmagazin im März des Jahres 2003 ein Themenheft über Georges Simenon mit einem in unserem Kontext deutlichen ersten Satz: „Es lebe der Schund!“ Das war natürlich eher ironisch gemeint, standen doch die Romane des Autors – mit und ohne seinen Kommissar Maigret tatsächlich unter Schundverdacht. Heute ist Simenons Rang als moderner Klassiker unstrittig. Sein knapper, lakonischer Stil, seine atmosphärisch dichten Beschreibungen sind zu seinem persönlichen Markenzeichen geworden. Seine Krimiwerke galten einmal als „verpöntes Genre“, das erst spät, und im deutschsprachigen Raum erst ab den 1970er Jahren, literarische Weihen erhielt, also „salonfähig“ wurde – heute wohl eher ein unverständlicher Witz der Literaturgeschichte!

Seine populären Maigret-Romane verdeckten lange Zeit die Sicht auf den zweiten Teil seines „Oeuvre“, die sogenannten „Romans durs“, die psychologischen Romane, die im deutschsprachigen Raum – in Abgrenzung zu den Maigrets – meist schlicht als „Non-Maigrets“ bezeichnet werden. Er selbst scheute sich nicht, seine wahre Flut von Groschenromanen, die er als Journalist am Anfang seiner Schriftstellerkarriere schrieb – und das in einer fast schon atemberaubenden Schnelligkeit (den ersten dieser Art schrieb er an einem Morgen noch vor dem Mittagessen) –, problemlos als „littérature alimentaire“ zu bezeichnen. Er schrieb dieses Genre also fürs Geld und nur aufgrund dieses „Trash“ konnte er schnell fürstlich und extravagant leben. Die Liste seiner Bewunderer, auch von zeitgenössischen Schriftstellern, ist jedenfalls lang …

Ach ja, zum Abschluss: „Und am Abend träumen sie von Santo Domingo – von Santo Domingo und weißen Orchideen …“ Schund? Trash?

Jacques Zeyen
11. Juli 2018 - 17.32

"..und um die beiden Engel zu retten bot er dem geifernden Mob seine beiden jungfräulichen Töchter dar um mit ihnen Verkehr zu haben." Ihr könnt meine beiden Töchter haben,aber verschont meine beiden Gäste." Das ist Trash aus dem ältesten Buch der Literatur und es ist nur ein Beispiel von vielen. Richtig,es handelt sich hier um Trash aus dem berühmtesten aller Bücher und um Lot, der die beiden Schutzengel retten will und dafür seine Töchter anbietet.Und Lot war der Gute unter diesen Leuten. Vielleicht ist es die "Trash-Note" die das Buch aller Bücher so populär macht-Mord,Totschlag,Vergewaltigung,Völkermord,alles dabei und von Gott geschrieben. Na bitte,da ist Simenon doch ein Musterknabe.