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Nach dem Zusammenbruch des Karolinger-Reiches im 9. Jahrhundert gab es im damaligen Europa keine allgemein akzeptierten Zahlungsmittel mehr. Einige Städte, etwa Genua und Florenz, prägten Münzen, um den Austausch von Waren zu erleichtern. Besonders die Münzen aus Florenz wurden zu einem begehrten Zahlungsmittel.

Die erste wirklich internationale Währung wurde von der Republik Venedig geschaffen. Im Jahre 1492 ließ der Chef des Stadttresors Goldmünzen prägen, die auf der Vorderseite den Löwen von Sankt Markus zeigten, den Schutzpatron der Lagunen-Stadt. Die Rückseite zierten die jeweiligen Schutzpatrone der von Venedig beherrschten Städte und Provinzen. Die Münzen mit den doppelten Symbolen hatten auf den heutigen Territorien von Serbien, Kroatien, Zypern, Rhodos und in Städten wie Ephesus oder Korinth einen legalen Status. Ihren Wert garantierte das mächtige Venedig. Der Bezug auf den jeweiligen Schutzheiligen sicherte die lokale Akzeptanz. Somit wurden die venezianischen Florins ein Vorläufer der heutigen Euro-Münzen.

Der Weg zum Euro war lang und dornig. Der ECU, wie das gemeinsame Geld ursprünglich heißen sollte, stieß nicht in allen Staaten der Union auf große Begeisterung. Die Briten, die Schweden, die Dänen zierten sich. Die meisten Deutschen wollten an ihrer geliebten Mark festhalten. Jedenfalls verhindern, dass monetäre Leichtgewichte wie Griechenland, Portugal, Spanien, selbst Italien, eine von Deutschland getragene Währungsunion ruinieren könnten.

Es bedurfte des politischen Gewichtes von François Mitterrand und Helmut Kohl, um die gemeinsame Währung durchzusetzen. Wobei Jacques Santer, Jacques Poos und vor allem Jean-Claude Juncker eine aktive Geburtshilfe leisteten. Juncker ist der Erfinder der „Opt-out“-Möglichkeit, die selbstverständlich von den Briten genutzt wurde. Was den Weg für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten eröffnete: Euro-Raum und Währungs-Nationalismus. Der deutsche Finanzminister Theo Waigel stand Pate für den Namen. Als guter Bayer monierte er, der ECU würde bei seinen Landsleuten zu „E Kuh“ verkommen. Was den Deutschen definitiv nicht zumutbar war.

Drei verschiedene 20 Franken

Mein Beitrag zum Euro ist nicht geschichtsträchtig. Als damaliger Wirtschaftsminister nahm ich mit Juncker an allen Tagungen des Ecofin-Rates teil. Durfte selbst die entscheidenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs auf einem Klappstuhl erleben.

Unter dem luxemburgischen Vorsitz der Union im Jahr 1997 tagte in Brüssel der Ecofin-Rat. Juncker präsidierte. Es ging um die Gestaltung der zukünftigen Münzen. Die Diskussion war verworren. Die Schweden versuchten eine Münz-Legierung zu verhindern, die angeblich Allergien für ihre empfindsame Bevölkerung auslöste. Manche Staaten wollten nationale Symbole auf den Euro-Münzen. Andere meinten, das würde nur Verwirrung schaffen.

Ich hatte zufälligerweise einige 20-Franken-Münzen dabei. Alle trugen auf der Vorderseite, dem Avers, die 20-Franken-Marke. Auf der Rückseite, dem Revers, waren einmal König Baudouin, einmal König Albert und einmal Großherzog Jean geprägt. Ich meldete mich mit meiner Münzsammlung zu Wort und erklärte den verdutzten Kollegen, jeder Belgier und jeder Luxemburger würde eine 20-Franken-Münze erkennen und nutzen, ohne einen Blick auf das darauf abgebildete Konterfei zu werfen. Meine Münzen machten die Runde und wurden aufmerksam beäugt. Juncker meinte abschließend, er hoffe, ich würde mein Geld zurückbekommen. Bei Finanzministern weiß man ja nie …

Jedenfalls war das Eis gebrochen. In der darauffolgenden Sitzung wurde offiziell beschlossen, die zukünftigen Euro-Münzen sollten auf dem Revers ein nationales Symbol haben. Wie von der Republik Venedig im 15. Jahrhundert vorgemacht.

Angefeindeter Euro

Der Euro wurde in zwei Etappen eingeführt. Zum 1. Januar 1999 legte die sechs Monate vorher begründete Europäische Zentralbank die offiziellen Wechselkurse fest. Die gemeinsame Währung war als Verrechnungseinheit geboren. Die Scheine und Münzen kamen erst zum 1. Januar 2002 in Zirkulation.

Seit gut 20 Jahren leben die Europäer mit der gemeinsamen Währung. Anfänglich eher unbeliebt und als „Teuro“ verdächtigt, ist die Akzeptanz des Euro ständig gestiegen.

Der Euro geriet nach dem Dollar zur zweitwichtigsten Reserve-Währung der Welt. Entgegen seinem Teuro-Ruf blieb die Inflation in den letzten zwei Jahrzehnten im Euroraum niedriger als beispielsweise in den USA oder in Großbritannien. Vor allem erwies sich der Euro als ein Schutzschild während der vielen Krisen, welche die Welt seit Beginn des 21. Jahrhunderts erschütterten. Wie oft wären wohl die Lira, die Peseta, der Franc oder der Franken abgewertet worden in den letzten 20 Jahren? Als Folge der Kriegswirren um den Irak oder Syrien? Oder während der globalen Finanzkrise nach 2008? Nunmehr im Gefolge der Ukraine-Krise?

Es mangelte nie an wüsten Attacken gegen den ungeliebten Euro. Vornehmlich seitens der angelsächsischen Finanzmärkte. Dutzende von honorigen Professoren sagten den Tod der gemeinsamen Währung voraus. Doch Totgesagte leben länger. Als im Gefolge der griechischen Krise die spekulativen Attacken gegen die „Club Med“-Länder sich steigerten, genügte ein einziger Satz von Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank, um die Spekulanten zur Aufgabe zu zwingen: Die Zentralbank werde den Euro mit allen Mitteln verteidigen, „was immer es kosten werde“.

Aus den ursprünglichen 11 Euro-Ländern sind 19 geworden. Mit Kroatien haben ab 2023 20 Länder die gleiche Währung. Die auch das offizielle Zahlungsmittel von Kleinstaaten wie Monaco, San Marino, Andorra oder dem Vatikan ist. Sowie des Kosovo.

Dennoch gibt es immer wieder Attacken gegen den Euro. Die Kriegswirren um die Ukraine provozierten eine globale Erschütterung. Die Preise für Nahrung, Energie, Rohstoffe explodieren. Die Inflation ist zurück. Die Zentralbanken beginnen, an der Zinsschraube zu drehen. Hoch verschuldete Staaten, Unternehmen und Hausbesitzer geraten unter Druck. Die Börsenkurse fallen, die Finanzmärkte werden nervös.

Quer durch die Welt werden die Geld-Paritäten durchgerüttelt. Lauf IMF haben schon 30 Staaten abgewertet, respektive sind deren Währungen im freien Fall. Auch der Euro ist unter Druck geraten. Während die US-Notenbank ihre Leitzinsen kräftig anzog und damit für ausländische Anleger einen zusätzlichen Anreiz schaffte, in den sehr liquiden Dollar-Markt zu investieren, blieb die EZB bislang zu zögerlich. Sie will offensichtlich die vielen Euro-Staaten schützen, die sich während der Corona- und nun der Ukraine-Krise billig finanzierten. Doch die Zeit des billigen Geldes ist vorerst vorbei.

Der Euro ist nicht zu ersetzen

Weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verlor, womit in Dollar gehandelte Rohstoffe wie Öl und Gas für uns teurer wurden, sind die ewigen Euro-Gegner erstarkt. Sie sagen frei nach Lafontaines Fabel „La Cigale et la Fourmi“ größte Probleme voraus zwischen den angeblich zu üppig lebenden Zikaden aus dem Süden und den frugalen Ameisen aus dem Norden. Die üblichen Kassandras erwarten gar ein „Zerbrechen des Euroraums“ im kommenden Jahr.

Sachte, sachte. Der Euro hat schlimmere Krisen überlebt. Er wird sich wieder festigen. Weil es keine Alternative zum Euro gibt. Was könnte den Euro ersetzen? Eine neue Deutsche Mark? Ein neuer Franken? Ein Nord-Ecu der Sparsamen und ein Süd-Ecu der Schuldenmacher?

Das sind realitätsfremde Spekulationen. Das einzige Euro-Land, das die Kapazität für einen monetären Alleingang hätte, wäre Deutschland. Eine Neue Deutsche Mark würden von den Finanzmärkten mit Begeisterung aufgenommen. Sie wäre aber schnell überbewertet gegenüber dem Rest der Euro-Länder. Die eine brutale Abwertung hinnehmen müssten. Die Deutschen könnten mit ihrer neuen Währung überall billig Ferien machen, würden aber auf ihren überteuerten Waren und Dienstleistungen sitzen bleiben. Kein motivierendes Szenario für Berlin.

Ohnehin wäre die Schaffung einer neuen Währung ein Kraftakt, dessen Umsetzung Jahre benötigte. Der Einführung des Euros gingen Jahre an Vorbereitungen voraus. Der als Buchgeld eingeführte Euro kam erst drei Jahre später in Form von Scheinen und Münzen beim Bürger an.

Zur Einführung einer neuen Währung genügt es nicht, neue Bankboten und Münzen herzustellen. Geld-, Münzautomaten und vieles mehr sind umzustellen. Buchungssysteme, Logarithmen, Computer sind neu zu programmieren. Keine Arbeit, die über Nacht erfolgen kann. In den Monaten vor der Umstellung vom Euro auf eine neue Währung wären der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Es käme zu riesigen wirtschaftlichen Verwerfungen. Der Welthandel würde schlimmer gestört als durch Russlands Einfall in die Ukraine.

Der Euro mag unter Druck sein. Doch in Todesgefahr ist er nicht. Es wird den Euro noch sehr lange geben. Die doppelköpfigen Goldmünzen der Republik Venedig überdauerten drei Jahrhunderte. Selbst nachdem Napoleon 1797 die Republik Venedig überrannt hatte, wurden deren Florins weiterhin gehandelt.

* Der Autor ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter

charlesplier1960
20. Juli 2022 - 8.22

1000000 € fir e Brout. Esouweit komme mir nach durch d'Entwertung. Esou wei 1923 an Deitschland mat der RM. Vleicht e besschen iwerdriwen mais et geht an dei Richtung

Jill
18. Juli 2022 - 14.32

@JJ - die Abwertung des Belgischen Francs war sehr schmerzhaft, das stimmt. Jetzt haben wir eine andere Krise, wenn die EZB den Euro nicht mit einer signifikanten Zinserhöhung stabilisiert bekommt, wird die Inflation weiter steigen, durch den Warenimport ausserhalb der Euro-Zone. Auch werden die Investoren das Vertrauen in den Euro verlieren und in den US Dollar oder andere starken Währungen investieren. Ohne die Globalisierung und den Export ausserhalb der EU würden in der EU sehr schnell die Lichter ausgehen. Auch ist die Globalisierung ein grosser Vorteil für multinationale Firmen, wovon auch viele in Luxemburg profitieren und Arbeitsstellen schaffen. Damit will ich die Globalisierung nicht schön reden, ganz im Gegenteil. Aber genau wie beim Euro gibt es keine Alternative mehr dazu.

JJ
18. Juli 2022 - 11.52

Aber die Arbeitslosigkeit kommt doch nicht vom Euro. Das Gegenteil ist der Fall. Man stelle sich Luxemburg mit seinem Franken vor und den tollen Umtauschprozeduren wenn man ins Ausland fährt. Es ist die hochgelobte Globalisierung die den westlichen Arbeitnehmern den Garaus gemacht hat. Wenn die Tomaten heuer aus China kommen,dann schauen die italienischen Arbeiter eben in die Röhre. Usw.usw. Herr Goebbels hat Recht.Es gibt keine Alternative zum Euro. Wie teuer es wird? Es ist noch immer teuer geworden bei Krisen. Man denke an die Abwertung des belgischen Franken um 6% über Nacht,als wir noch an diesen gekoppelt waren. Das war teuer,jedenfalls für Sparer. Und wo steht die Wunderwährung Krypto? Ich will's nicht wissen.

Jill
18. Juli 2022 - 11.03

Naja bei allem Respekt, aber den Euro mit einer venezianischen Goldmünze zu vergleichen finde ich doch sehr gewagt. Ich bin keine Euro-Gegnerin, denn verglichen mit anderen Euro-Ländern haben wir unseren Wohlstand noch nicht ganz verloren. Jedoch möchte ich anmerken dass der Euro vielen Ländern Europas eine Rekordarbeitslosigkeit (hauptsächlich der Jugend) beschert hat. Viele Menschen mussten/müssen ihr Land verlassen um Arbeit zu finden. Einige Länder hätten dem EU-Club wegen Überschuldung gar nicht erst beitreten dürfen und dass Italien die Lira abwerten konnte, bei Bedarf, war nicht unbedingt ein Nachteil. Ich bin keine Ökonomin und kann nicht beurteilen ob das Währungsexpirement Euro gescheitert ist, aber ich weiss dass Geld welches man retten muss kein Geld ist. Nein in Todesgefahr ist der Euro nicht, aber es wird sehr teuer für die Bürger der Euro-Länder werden.