Es wird gepokert

Es wird gepokert
(Tageblatt)

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In den vergangenen Wochen und Tagen fand eine derart aggressive Schuldzuweisung im griechischen Schuldenstreit statt, die einen an der Kompromissbereitschaft aller Konfliktparteien zweifeln ließ.

Die verzerrte, vergiftete und oft wenig transparente Debatte wurde auf politischer, wirtschaftlicher, aber auch auf rhetorischer Ebene ausgetragen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gab sich als politisches Chamäleon: Mal war er der „Freund“ der Regierung in Athen, mal distanzierte er sich deutlich. Auch in den Syriza-Rängen war die Kompromissbereitschaft streckenweise zu erkennen, dann wieder eine rhetorisch inexistente Komponente. Alles Feilschen und Zerren half beiden Seiten wenig. Die Poker-Mentalität hat Athen und die Institutionen in eine prekäre Situation gebracht.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Am heutigen Donnerstag wird die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, in Luxemburg ihre Ansichten zum griechischen Schuldenstreit verbreiten. Wir haben an dieser Stelle wiederholt auf die fragwürdige und falsche Politik des IWF hingewiesen. Selbst IWF-Chefökonom Olivier Blanchard hat dies in der Vergangenheit bereits mehrere Male wiederholt. Allerdings sollte man von Lagardes Pressekonferenz – der vor der ebenfalls in Luxemburg stattfindenden Sitzung der Eurogruppe stattfindet – nicht mehr und nicht weniger als den typisch uneinsichtigen IWF-Diskurs erwarten: Alle Seiten müssten Kompromisse eingehen, vor allem Athen stehe jedoch in der Bringschuld und solle endlich handfeste Maßnahmen präsentieren. Ähnliche Töne verlauteten bereits gestern aus Brüssel. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici meinte lapidar: „Der Ball ist im Feld der griechischen Regierung“.
Genau bei diesem Punkt beginnen jedoch die Probleme. Während die griechische Syriza-Regierung um Alexis Tsipras darauf beharrt, dass sie seit langem am Ball bleibe und ernsthafte Reformmaßnahmen präsentiert habe, behaupten die Gläubiger, Athen habe noch keinen ernsthaften Schritt in Richtung tiefgreifende Reformen gemacht. Einer der zentralen Knackpunkte ist in diesem Zusammenhang das griechische Pensionssystem. Während Griechenland berechtigterweise nicht weitere brutale Austeritätsmaßnahmen ertragen will, zeigt sich der IWF in dieser Frage besonders hart.

Was teilweise Reform genannt wird, ist nicht weniger als die Verschlimmerung einer für viele Griechen bereits desaströsen sozialen Lebenssituation. Premier Xavier Bettel beschrieb dies in einem Gespräch mit dem Tageblatt treffend: „Man kann einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen.“ Ähnliche versöhnliche Töne fand der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann gestern. Er rief zu einer ernsthaften, die griechischen Menschen respektierenden Lösung auf, welche die Armut im Land nicht weiter vertiefe. Weitere „horizontale“ Budgetkürzungen ergäben keinen Sinn. Es bedürfe einer Einigung, die Haushalt und Arbeitsmarkt nicht weiter belaste.

Klartext: Auch der IWF, und nicht nur Griechenland – das in anderen Bereichen tatsächlich massiven Reformbedarf hat –, muss seine Politik überdenken. Athen für seine mangelnde Kompromissbereitschaft zu kritisieren, gleichzeitig aber die eigenen antisozialen Forderungen nicht überdenken zu wollen, ist reine Hypokrisie.