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Erklärung zur Lage der Nation – eine Bestandsaufnahme

Anderthalb Stunden dauerte die Erklärung von Regierungschef Xavier Bettel zur wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Lage der Nation. Sie begann und endete mit der Botschaft: Dem Land geht es besser als zwei Jahre zuvor. Dazwischen hatte Bettel alle Elemente und Argumente eingepackt, die auf diese Schlussfolgerung zulaufen sollten. Im Allgemeinen bestanden diese aus den politischen Entscheidungen, die die Regierung in den letzten Monaten bereits getroffen hatte oder die sie derzeit vorbereitet.

In anderen Worten: Bettels Erklärung war eine Bestandsaufnahme der politischen Arbeit der blau-rot-grünen Koalition, quasi eine buchhalterische Fleißarbeit.
Das Positive an derlei Aufzählung: Sie zeigt dem Land, dass die Regierung eifrig am Werk war, die Schlappe beim Referendum vor fast einem Jahr gekonnt weggesteckt hat. Die Auflistung diente jedoch auch dazu, den politischen Gegnern, insbesondere auf der CSV-Bank, vor Augen zu führen, dass viele Projekte umgesetzt oder zumindest konkret angestoßen wurden. Dadurch, dass Bettel fast detailversessen an einzelne Entscheidungen erinnerte, forderte er die Opposition auf, in den anstehenden Debatten nicht nur warme Luft zu produzieren, sondern konkrete Alternativen vorzulegen.

Der Nachteil dieserart Erklärung: Irgendwie fehlte das große Staatsmännische, der wirklich über die kurze Legislaturperiode hinausreichende Blick. Doch Letzteres gab es auch nicht bei Bettels Amtsvorgänger, dem die CSV noch immer nachtrauert. Es stimmt, Junckers Erklärungen zur Lage des Landes begannen in der Regel mit einem ausschweifenden Exkurs in die Gefilde der großen Politik, den konzentrischen Kreisen folgend: Zuerst die Lage in der Welt, dann die in der EU und schließlich jene im kleinen Großherzogtum.

Bettel hingegen begrenzte sich gestern vor allem auf das Kleine, sozusagen das Hausgemachte. Zum Nachteil dürfte ihm das nicht gereichen. Denn in seinem 47 Seiten starken Text sprach er Probleme an, welche die Einwohner konkret und direkt interessieren, sei es die nach wie vor katastrophale Lage auf dem Wohnungsmarkt, die von Unicef, Caritas-Sozialalmanach oder CSL-Sozialpanorama angeprangerte soziale Ungerechtigkeit und Kinderarmut, die die Gewerkschaften brennend interessierende Arbeitszeitflexibilisierung und die Reform des PAN-Gesetzes.

In diesen Bereichen erinnerte Bettel daran, was seine Regierung bereits beschlossen hat oder noch in Erwägung zieht. Schlüsselfertige Lösungen bot er seinen Zuhörern im Parlament und im Land nicht an, dafür aber konkrete Lösungsansätze. Insofern spielte Bettel die Karte der politischen Transparenz und Ehrlichkeit aus.

Die Regierung outete sich mit Bettels Erklärung als eine solche der Macher, die nichts versprechen, sondern handeln. Dass dabei etwas schieflaufen kann, ja, das gilt es in Kauf zu nehmen.
Derlei Grundeinstellung kann man zustimmen oder auch nicht. Solange es mit ihr gelingt, den sozialen Zusammenhalt des Landes zu fördern und soziale Ungerechtigkeiten zu reduzieren, sollte man sie nicht pauschal zurückweisen.