Die schöne Nebensache

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Tageblatt-Redakteur Philip Michel und die Frage: Warum ist Fußball so populär?

Der 24. Oktober 1857 war ein historischer Tag für den Sport. An diesem Datum wurde mit dem FC Sheffield der erste Fußballverein der Welt aus der Taufe gehoben. Nathaniel Creswick und William Prest hießen die Gründerväter.

Der Legende nach waren sie es satt, dass das auf der britischen Insel omnipräsente Cricket nur im Sommer gespielt wurde. Also suchten sie nach einem Sport, der auch bei schlechtem Wetter praktiziert werden konnte. Dafür war Fußball, dessen Ursprünge rund 2000 vor Christus in China zu finden sind, prädestiniert. Creswicks und Prests Lebenswerk war allerdings weniger die Gründung des ersten Fußballvereins der Welt, sondern vielmehr die Niederschrift einheitlicher Spielregeln. Dadurch konnte sich das Spiel erst in England etablieren, um dann Ende des 19. Jahrhunderts seinen beispiellosen Siegeszug in die ganze Welt anzutreten.

Heute hat Fußball eine Popularität erreicht, die andere Sportarten zu erdrücken droht. Denn die Überdosis gräbt den anderen Sportarten Sendezeit und finanzielle Mittel ab.

Warum aber ist Fußball so populär?

Die Menschen lieben den Fußball wegen des Spiels selbst und seiner Einfachheit. Abgesehen von der Abseitsregel gibt es nicht allzu viel Kompliziertes rund um den Fußball. Zum Spielen bedarf es lediglich eines Balles. Und was gibt es Einfacheres, als diesen Ball mit dem Fuß zu treten? Nicht mal bücken braucht man sich dafür, weshalb Kleinkinder das Balltreten auch früh verinnerlicht haben.

Und weil das Spiel so einfach ist, glaubt jeder, ein Experte zu sein. Weshalb der Fußball zum dominierenden Thema am Stammtisch geworden ist. Da zudem jede Menge Emotionen im Spiel sind und die Identifikation mit dem Lieblingsverein hoch ist, lässt sich vorzüglich über die Begegnung des vergangenen Wochenendes oder die Leistungen des Schiedsrichters streiten. Außerdem lässt der Fußball Freiraum für Kreativität. Es geht darum, Tore zu erzielen, was mit allerhand Techniken erreicht werden kann. Vom einstudierten Freistoßtrick bis hin zum spontanen, trickreichen Sololauf ist alles möglich, weshalb die Unvorhersehbarkeit ebenfalls wesentlicher Bestandteil der Attraktivität der Sportart ist.

Nathaniel Creswick und William Prest jedenfalls würden nicht schlecht staunen ob der rasanten Erfolgsgeschichte „ihres“ Sports. Der Mythos vom Arbeitersport gehört 160 Jahre nach der Vereinsgründung zwar längst der Vergangenheit an. Dass der Fußball des 21. Jahrhunderts eine milliardenschwere Unterhaltungsindustrie ist, wird seiner Popularität jedoch über kurz oder lang schaden. Die Unvorhersehbarkeit geht mehr und mehr verloren, da die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Die Identifikation mit einem Verein wird schwieriger, da aus den Spielern Dienstleister geworden sind, die häufig den Arbeitgeber wechseln. Das Fußballspiel wird zum Event, der Zuschauer häufig nur noch als Konsument wahrgenommen. Dadurch gehen Emotionen und Stimmung verloren.

Den Status als Sportart Nummer eins wird der Fußball aber so bald nicht verlieren, Turbokapitalismus hin oder her. Denn Fußball ist und bleibt ein wunderbarer Sport, die schönste Nebensache der Welt. Mit Betonung auf Nebensache.