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LuxLeaks: Ein Prozess mit zwei Dimensionen

Der heute beginnende sogenannte LuxLeaks-Prozess gegen die beiden früheren Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers (PwC) Antoine Deltour und Raphaël Halet sowie den französischen Journalisten Edouard Perrin wegen des Diebstahls von Daten war angesichts der vorliegenden Erkenntnisse unvermeidbar. Die Justiz kann sich nur an die Gesetze halten und musste daher aktiv werden. Doch mit Prozessbeginn stellt sich eine Problematik ein, die den ganzen Prozess in einer anderen Dimension erscheinen lässt als jener, in der er sich eigentlich abspielt. Denn während sich der Prozess mit nationalen Gegebenheiten auseinandersetzen muss, schwebt über ihm die andere, die große und eigentliche Diskussion über das internationale Steuerdumping, pardon über Steueroptimierungsmodelle, ganz legale sogar. Oder fast ganz legale. Denn irgendwie müssen auch die berüchtigten Tax Rulings, die es in mindestens 22 europäischen Ländern gibt, doch in einigen Ländern gegen geltendes Recht verstoßen.
Ansonsten hätte die EU nicht wegen des Verdachts auf illegale Beihilfen ermitteln können.

Und der französische Fiskus hätte eine bekannte Fastfood-Kette nicht mit einer 300-Millionen-Euro-Forderung konfrontiert, 200 Millionen davon als Steuernachzahlung, 100 Millionen als Strafe. Woraufhin sich das Unternehmen dann beeilte, sich als großer Steuerzahler in Frankreich und aktiver Arbeitsplatzbeschaffer zu outen. Natürlich ohne darauf einzugehen, dass die Mitarbeiter der Kette in Frankreich keine Überstunden bezahlt bekommen und keine Aufschläge für Sonn- und Feiertage. Mit dem Argument, dass man keinen Gewinn mache und daher nicht auf finanzielle Forderungen von Gewerkschaften eingehen könne. Klar, wenn die Gewinne vorher in andere Länder abgezweigt wurden, weil man dort ein besseres Abkommen mit der Steuerbehörde getroffen hat. Was verdeutlicht, wie sehr Steuerdumping direkt auch Sozialdumping ist. Dass hierzu 22 Länder in Europa beigetragen haben, während sie gleichzeitig gegen Steuersünder massiv vorzugehen vorgeben, durch das Kaufen von gestohlenen Steuerdaten sogar, ist der eigentliche Skandal.

Und wirft die Frage auf, ob ein Antoine Deltour, ein Edouard Perrin oder ein Raphaël Halet vielleicht mehr Positives bewirkt haben, als sie durch den Diebstahl von Daten, die dies offenlegten, Schlechtes gemacht haben? Und der Diebstahl notwendig war, um „Unmoralisches“ aufzudecken? Doch genau das sind die Fragen, über die die Justiz nicht zu entscheiden hat. Sie kann sich nur an die Fakten halten. Über Moral zu tranchieren, ist nicht ihr Handwerk. Davon abgesehen, dass man mit Bedenken wie „unmoralisch“ oder „moralisch verwerflich“ einen doch sehr schlüpfrigen, vor allem in Diktaturen beliebten Untergrund betritt. Bleibt als möglicher Ausweg Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Er garantiert die Meinungsfreiheit und das Recht auf Information. Wenn auch mit Einschränkungen, wie z.B. der des Schutzes des guten Rufes anderer. Rufschädigung jedoch trifft auf die genannten Gesellschaften wohl nicht zu. Im Gegenteil. „Handwerklich“ war doch alles „meisterhaft“ gemacht. Und es war doch fast alles legal.