Dynamit für den Frieden

Dynamit für den Frieden
(Alain Rischard/editpress)

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Der wachsende Frust der Jungen

Nach dem Besuch des französischen Premiers Manuel Valls am Mittwoch in dem zur Banlieue von Lyon gehörenden Vaulx-en-Velin brachen im Internetforum des bürgerlichen Figaro wahre Hasswellen gegen alles und jeden, was irgendwie moslemisch ist, los: Offensichtlich gibt es in Frankreich immer noch eine Menge Leute, die der Überzeugung sind, dass sich die Probleme der Vorstädte lösen lassen, indem man, so wie es der damalige Innenminister Sarkozy bereits 2005 plante, mit dem „Kärcher“ gegen die „racaille“ vorgeht. Besonders echauffierten sich die Internauten des Figaro über Valls’ Aussage, dass man das System der Apartheid, welches in den Gettos seinen Ausdruck findet, bekämpfen müsse.
Tenor der Reaktionen: Frankreich ist überhaupt nicht rassistisch. Basta!

Nun ist eines klar: Die Probleme der Banlieues sind weder durch Realitätsverweigerung noch den altbekannten Sport des „blaming the victims“ zu lösen. Natürlich: Zum Tango muss man zu zweit sein. Und es ist unbestreitbar, dass die in den Gettos wuchernde Seuche der Gewalt und der Kriminalität der Lebensqualität in diesen Vierteln und den Zukunftschancen ihrer Bewohner, gerade der jungen, erheblichen Schaden zufügt.
Doch wer glaubt, dass man diesem Problem einfach bloß mit dem massiven Einsatz von Gegengewalt (dem „Kärcher“ also) beikommen könne, der ist natürlich schwer auf dem Holzweg.
Denn es gibt keinen Zweifel daran, dass der Absturz der Banlieues ganz wesentlich der Tatsache zu verdanken ist, dass es für die dort lebenden jungen Menschen kaum eine Aussicht auf Arbeit gibt. Auch weil die Industriearbeitsplätze, für die ihre Eltern und Großeltern einst aus dem Maghreb geholt wurden, ganz einfach nicht mehr existieren.

Und das Argument „dann sollen sie halt was lernen“ zieht auch nicht mehr: Immer mehr „jeunes diplômés“ sind entweder ganz arbeitslos oder hangeln sich vom unbezahlten Praktikum zum Teilzeitjob und von dort zum CDD und wieder zurück zum unbezahlten Praktikum.
Die Bewegung der „Nuit debout“ zeigt, dass immer mehr junge Franzosen die Nase voll haben von der zunehmenden Prekarisierung ihres Daseins. Und man kann leicht nachvollziehen, dass sie es der Regierung nicht abkaufen, dass ausgerechnet eine Liberalisierung der Arbeitsmärkte und die mit ihr notwendigerweise einhergehende zusätzliche Destabilisierung der Arbeitsverhältnisse für blühende Jobmärkte sorgen soll.

In etlichen Ländern Europas hegt die Jugend den begründeten Verdacht, dass es für einen guten Teil ihrer Generation keine richtige Verwendung mehr gibt. Und das inmitten von Gesellschaften, die durch weit verbreiteten Wohlstand und Konsum geprägt werden. Der daraus resultierende Frust könnte sich auf Dauer nicht nur in den französischen Banlieues als Dynamit für den inneren Frieden unserer Gemeinwesen erweisen.