Drei vernetzte CSV-Geschichten

Drei vernetzte CSV-Geschichten
(Tageblatt-Archiv)

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Astrid Lulling, die alte, aber rüstige und streitbare CSV-Dame, fühlt sich hintergangen und gedemütigt, weil ihre Partei sie nicht mehr als Kandidatin für die EU-Parlamentswahl aufstellt. Na ja.

Es kam am 20. Oktober eben anders, als Juncker und Reding dachten, und nun wird Lulling das Bauernopfer auf dem Schachbrett der beiden machthungrigen Größen.
Wer weiß eigentlich heute noch, woher Astrid Lulling kommt?
In ihren jungen Jahren diente sie dem mächtigen LSAP-Politiker und LAV-Präsidenten Antoine Krier (Kréiesch Tun) als Sekretärin. Der führte sie in das politische Leben ein und half ihr so gut voran, dass sie 1965 für die Sozialistische Arbeiterpartei in die Kammer gewählt wurde, damals als erste Frau seit dem Krieg.

asold@tageblatt.lu

Einige Zeit später, nach den 1968er Turbulenzen auf der Weltbühne, gründete sie mit u.a. ihrem Mentor Krier innerhalb der LSAP eine parteiinterne, außenpolitisch blind USA- treue Opposition, die sogenannte Sozialdemokratische Konvention. Diese mutierte rasch zu einer Partei, deren Hauptziel darin bestand, die Sozialisten, damals gleichstark mit der CSV, zu schwächen. Dies gelang 1971 vorzüglich durch Partei-Austritte und -Ausschlüsse, welche die LSAP auf 14 Abgeordnete zurückdrängten. 1974 bekam die LSAP 17 Mandate und die Lulling-SDP 5; 1979 aber brach die Dissidentenbewegung zusammen und Lulling wechselte … zur CSV!

Dass diese sie jetzt, nach 35 Jahren treuer Dienste, fallen lässt wie ein vollgeschnäuztes Tempopapier, wundert den Beobachter nicht. Sie bringt nichts mehr, sie ist zu alt und zu laut. Die CSV handelt wie jede kaltblütige Unternehmung, die Karrieren montiert und bricht, wenn es ihr beliebt. Ihr Ziel ist der Machterhalt. Der Staat ist unser, wir gestalten ihn nach Belieben, wer mit uns ist, darf hoffen. Äddi, Astrid.

Astrid Lulling und Viviane Reding mochten sich nie. Die Jüngere galt sofort nach ihrem raketenartigen Start in der CSV (sie wurde 1979, mit 28 Jahren, in die Kammer gewählt) als future ministrable. Ihre mit einem Doktor abgeschlossenen Studien (Semantik!) an der Sorbonne, ihr gewandtes Auftreten und nicht zuletzt ihr gutes Aussehen befugten sie zu höchsten Ämtern. Doch der innere Kreis fand die Zeit nicht reif für eine Frau ganz oben; man sah dort eher, nach Werner, einen Santer und schon den vorpreschenden Juncker. So wurde sie schließlich 1999, nach zehn Jahren im noch bedeutungslosen Europaparlament, von der CSV in die Brüsseler Kommission weggelobt. Dort konnte sie Juncker keinen Schatten mehr machen. Sie zeigte aber durch ihre Willenskraft und ihre beachtliche Leistung, dass sie den Luxemburger Premier-Posten spielend hätte ausüben können. Nun darf sie zurück ins EU-Parlament.
Der Premier-Posten gehörte eben Juncker, bis in den Spätherbst 2013, bis zu seiner De-facto-Niederlage, weil er und seine CSV solche geworden waren, mit denen keiner mehr paktieren wollte.

Da Luxemburg dem Herrn Juncker zu klein geworden ist und er sich nicht, wie seinerzeit (1974-1979) Herr Werner, der verantwortungsvollen Aufgabe des Oppositionsführers stellen wollte, mussten seine EU-Freunde, allen voran Frau Merkel, ihm eine Rolle zudenken, die er unterwürfigst spielen könnte. In Frage kommen der Vorsitz der EU-Kommission, den er haben könnte, wenn er die Wahlen für die Europäische Volkspartei gewinnen hilft, oder, was wahrscheinlicher ist, die Ratspräsidentschaft als Nachfolger von Van Rompuy.

Luxemburg kann es nicht recht sein, dass sein Ex-Regierungschef in den kommenden Jahren als ein Diener vornehmlich deutscher Interessen in Europa gilt. Wie sehr er beflissen ist, zu katzbuckeln, zeigt sein gestriger Ruf nach wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Spricht Luxemburg aus seinem Munde? Ist es nicht am gegenwärtigen Premier oder am Außenminister, in solch gravierenden Fragen im Namen des Landes Stellung zu nehmen? Man komme uns nicht mit der Ausrede, er habe nur seine private Meinung ausgedrückt. Nach seiner Laufbahn ist er für viele „Luxemburg“, und das weiß er sehr genau!

Nie gut für Europa

Im Übrigen wäre darauf zu verweisen, dass es nie gut für Europa war, wenn Deutschland aufgrund seiner Wirtschaftskraft eine politische Führungsrolle übernahm oder sich in eine solche drängen ließ. Lehrstücke dazu sind die Vorgeschichten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs.
Jede Übermacht bündelt früher oder später Allianzen gegen sich. Es gibt feinfühlige Denker in Deutschland, die das wissen und schreiben. Leider hört man in Berlin und in Capellen nicht auf sie.