DNR-RTL-Deal: Rückfall ins Monopol?

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„100,7 – RTL durch die Hintertür“ – unter diesem Titel schrieb ich vor fast genau 20 Jahren einen Leserbrief. Die Ankündigung vom Donnerstag vergangener Woche, Saint-Paul wolle mit RTL in einem 50/50-Joint-Venture ab Februar 2014 das Programm von DNR durch ein frankophones Popradio ersetzen, hat also etwas von einem Déjà-vu.

Daran, dass Umstrukturierungen in der luxemburgischen Radioszene oft ein „Geschmäckle“ haben, scheint sich auch nach all den Jahren nichts geändert zu haben.

Es war schon länger bekannt, dass „Den Neie Radio“ wirtschaftlich nicht gut dastand. Zeitweise war eine Übernahme des Gaspericher Verlagssenders durch die französische NRJ Group SA im Gespräch. Doch es kam anders, wie sich jetzt herausstellt. Die neue DP-Abgeordnete Corinne Cahen stellte hierzu im Parlament unverzüglich ein paar wichtige Fragen. So wollte sie wissen, ob die DNR-Frequenzen laut Lastenheft auch für französischsprachige Programme genutzt werden dürften. Des Weiteren, ob das betreffende Sendernetz nicht öffentlich neu ausgeschrieben werden müsste. Und sie macht sich zu Recht Sorgen um die Radiovielfalt in Luxemburg, die das Mediengesetz vom 27. Juli 1991 ja eigentlich garantiert sehen möchte.

Diese Kernfragen, v.a. die zwei letzteren, gehören gründlich von der ab Dezember dafür zuständigen „Autorité luxembourgeoise indépendente de l’audiovisuel“ analysiert. Und dabei geht es nicht nur um schleichende mediale Machtballung, Beteiligungen und Monopolbildung. Wie steht es z.B. um im Rundfunkgesetz genannte Begriffe wie „assurance de l’indépendance et du pluralisme de l’information“ oder die „mise en évidence de notre patrimoine culturel“ in den ausgestrahlten Programmen?

Auch wenn sich ein noch nicht gesendetes Radioprogramm eher schwer analysieren lässt, so steht zu befürchten, dass es sich bei einer „station francophone pop-rock“ um nichts anderes handelt als den Mainstream, den es in unserem Äther aus den Grenzregionen schon zigfach gibt, nämlich ein rein kommerzielles Musikangebot, das zudem noch von RTL2 aus Frankreich als Konserve geliefert werden soll. Dabei ist RTL2 höchstselbst längst bei uns auf UKW zu empfangen (96,7 und 92,2 MHz). Auch BelRTL (97,2), Radio Contact (101,8), Twizz (101,0) und vor allem NRJ (89,5 und 103,2) kommen gut hörbar in unsere Antennen.

Wo ist der Mehrwert eines luxemburgischen RTL2PopRock? Die einzige „plus-value“ würde in ein paar Nachrichten zum luxemburgischen Geschehen auf Französisch liegen. In den „Critères d’attribution“ vom 25.2.1992 ist zu lesen, dass das Programm „de caractère complémentaire par rapport aux autres médias et aux programmes pouvant être captés dans la région en question“ sein solle. Trifft dies zu? Wohl eher nicht.

DNR-Netz teilen und neu ausschreiben!

Prinzipiell lässt sich nichts einwenden gegen ein Radio, das z.B. für Pendler nützliche Infos auf Französisch sendet. Doch dafür würde ein Teil des bisherigen DNR-Sendernetzes largement ausreichen; der andere sollte auf korrektem Weg in einem „Appel public aux candidatures“ neu ausgeschrieben werden, nicht zuletzt auch, um eine gleich bleibende Anzahl von Programmen auf „Lëtzebuergesch“ zu gewährleisten.

Um zu zeigen, dass dies technisch nicht nur machbar ist, sondern sich förmlich aufdrängt, genügt ein Blick auf die Besonderheit des UKW-Netzes von DNR – ein Aspekt, der bislang noch kaum irgendwo erwähnt wurde. Es handelt sich bei der zu übernehmenden Senderkette um die mit der höchsten technischen Reichweite der vier „radios à réseau“ des Landes. Neben den anfänglich (ab 1992) üblichen zwei UKW-Frequenzen für alle diese Radios (DNR, Eldoradio, Latina und ARA) erhielt nämlich DNR im Jahr 1999 neben seinem „Package“ 102,9 und 104,2 MHz zusätzlich als einer von sieben Bewerbern die weit reichende, für 10 kW Leistung koordinierte 107,7 MHz – auf die ebenfalls RTL ein Auge geworfen hatte. DNR arbeitet also im Grunde mit einer Doppelkonzession und, je nach Gegend, mit einer Doppel- bis Dreifachversorgung (z.B. Raum Esch): Eine klare Bevorteilung der „Société luxembourgeoise de radiodiffusion“ gegenüber den bis dahin gleichberechtigten Regionalradios.

Würde der geplante Deal integral genehmigt, erhielte RTL also nicht nur ein regionales Sendernetz hinzu, sondern quasi durchs Hintertürchen auch noch diese Hochleistungsfrequenz. Nicht zu vergessen übrigens die dem DNR-Netz 2012 im Rahmen der „Nachbesserung“ der Regionalradios zugesprochene Frequenz 94,3 MHz für max. 2 kW, die wohl nur mangels finanzieller Mittel bis jetzt nicht in Betrieb gegangen ist. Ein gehöriges Pfund, das alles zusammen. Drum: Teilt den DNR-Kuchen lieber in zwei Teile! Zum Beispiel 102,9+104,2+94,3 als luxemburgisches Netz neu ausschreiben, die stärkere 107,7 alleine für ein frankophones Info-Programm.

Ein Blick zurück, aus einem anderen Betrachtungswinkel, ist vor diesem Hintergrund interessant. Die sogenannte Liberalisierung der luxemburgischen Radiolandschaft hatte als Hauptziel eine größere programmliche Diversifizierung für ein Land, das bis dahin nur RTL und vorübergehend ein paar „Illegale“ gekannt hatte. Sie bestand in:

a)der Möglichkeit, fortan Lokalradios zu betreiben (max. 100 Watt Leistung),

b)der Einführung von 4 regionalen Radios mit einen Großteil des Landes versorgenden Senderketten („radios à réseau“, eines davon DNR),

c)der Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramms, das eine qualitativ hochwertige Alternative zu den Privatradios bietet („100,7 – de Soziokulturelle Radio) mit einer landesweiten Hochleistungsfrequenz (100 kW).

Medienpluralismus ständig in Gefahr

In seiner Anfangsphase ab 1993 sendete das Soziokulturelle Radio (seit 2002 „Radio 100,7“) noch nicht rund um die Uhr, sondern teilte sich Frequenz und Sendetechnik mit … RTL Radio Lëtzebuerg – das bis zu diesem Zeitpunkt einzig über die Landesfrequenz 92,5 aus Hosingen im Ösling zu hören war: ein Land, ein Sender, eine Frequenz, ein Monopolist halt. – Angesichts der RTL-Infiltration warnte Rundfunkpionier Guy Felten schon seinerzeit vor Wettbewerbsverzerrung und einer Gefahr für den Medienpluralismus.

Erst als im Jahr 1997 das nationale Kulturradio sein Recht geltend machte, die Düdelinger 100,7 in Vollzeit zu nutzen, sah sich „Radio Lëtzebuerg“ gezwungen – auch vor dem Hintergrund der wachsenden Konkurrenz durch DNR, Eldoradio u.a. –, seine technische Versorgung zu verbessern und zudem nicht auf der Skala ins Abseits zu geraten. Der Platzhirsch fürchtete plötzlich um sein Territorium!

Was tat RTL? Nun, man „räuberte“ bei den eigenen „internationalen“ Frequenzen, schaltete das deutschsprachige Programm auf 88,9 MHz in Hosingen ab (dort verblieb ja noch die 97,0), und ebendiese 88,9 mit dem luxemburgischen Programm in Düdelingen neu auf. Schließlich hatte man (endlich!) gemerkt, dass die 92,5 für die südlichen Agglomerationen ungenügend war. Dabei hätten sie längst vorher national „aufrüsten“ können – aber die Erfolge unseres Radio- und TV-Giganten in der großen weiten Welt hatten einst den Blick aufs eigene Land verstellt.

Der jetzt publik gewordene RTL2/DNR-Schachzug trägt dieselbe Handschrift. Nämlich die, dass stets dort, wo eine schlecht verschlossene Hintertür aufspringt, die CLT/RTL-Gruppe parat steht, um ins Haus einzutreten und ins gemachte Bett zu steigen. Hierüber sollte sich unsere Politik schleunigst ihre Gedanken machen. Noch ist es nicht zu spät, Nein zu diesem Projekt in der Tel-quel-Version zu sagen.

Ich wünsche der neuen „Autorité luxembourgeoise indépendente de l’audiovisuel“ den nötigen Durchblick und ein gutes Händchen im Sinne eines fair gestalteten und vielseitigen nationalen Radio-Angebots.