Die Underdogs

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(Tageblatt)

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Leicester und Co.

Heute auf den Tag genau vor 18 Jahren erlebte die Fußball-Bundesliga die größte Sensation ihrer Geschichte. Mit dem 1. FC Kaiserslautern gewann ein Aufsteiger die Meisterschaft, was einmalig war und wohl einmalig bleiben wird. Vor genau einer Woche vollbrachte Leicester City Vergleichbares in England. Als Abstiegskandidat in die Saison gestartet, gaben die Underdogs der milliardenschweren Konkurrenz aus London und Manchester das Nachsehen. Vor der Saison hielten es die englischen Buchmacher für wahrscheinlicher, dass Simbabwes Diktator Robert Mugabe den Friedensnobelpreis erhält (Quote 1:1.000), als dass die „Foxes“ zu Meisterehren kämen (Quote 1:5.000).

pmichel@tageblatt.lu

Es sind genau diese Sensationen, die den Sport so interessant machen und Millionen von Menschen faszinieren. Sie sind die Quintessenz des Sports. Doch Fußball-Wunder à la Leicester und Kaiserslautern gibt es immer seltener, je mehr Geld im Spiel ist. Denn Geld schießt Tore und die Schere zwischen Arm und Reich geht auch im Fußball immer weiter auseinander. Das gilt für England, für Deutschland, aber auch für Luxemburg. Ohne die Leistung von Mannschaft und Trainer schmälern zu wollen, so muss dennoch festgestellt werden, dass der voraussichtliche Meisterschaftsgewinn des F91 Düdelingen in Anbetracht eines Budgets von 2,2 Millionen Euro nicht sonderlich überraschend kommt.

Dass sich die Schere zwischen Arm und Reich im europäischen Vereinsfußball immer weiter öffnet, ist zum großen Teil die Schuld der Verbände. Auf europäischer Ebene heißt der „Regulator“ Europapokal. Dort schüttet die UEFA so viel Geld aus, dass die Auswirkungen auf die nationalen Ligen beträchtlich sind. Auf der einen Seite stehen die reichen Europapokalteilnehmer, auf der anderen der arme Rest.

Aber auch Nationalverbände sorgen für ein Ungleichgewicht. In England kassiert ein Absteiger aus der Premier League noch zwei Jahre TV-Honorare auf Premier-League-Niveau und ist damit der Konkurrenz in der zweiten Liga finanziell haushoch überlegen. Mit diesem Rettungsschirm will Englands Fußball-Verband potenziellen Investoren Planungssicherheit geben. Engagiert sich ein Magnat in einem Verein, dann braucht er die Folgen eines unmittelbaren Abstiegs und die daraus resultierenden Konsequenzen für sein „Invest“ nicht ganz so sehr zu fürchten. In Deutschland bekommt der Meister unterdessen mehr als doppelt so viel Geld aus den TV-Einnahmen als der Tabellen-15.

Chancengleichheit, einer der fundamentalen Werte des Sports, wird so ad absurdum geführt. Soll noch ein Europäer die Nase rümpfen über den vom Geld dominierten US-Profisport. Denn selbst im profitorientierten Milliardengeschäft à la NBA oder NFL wird durch das Draft-System zur Rekrutierung des Nachwuchses dafür gesorgt, dass alle Mannschaften der obersten Ligen mehr oder weniger konkurrenzfähig sind.

In Europa ist das ganz anders. Dort wird inzwischen mehr über die (durch einen wahnwitzigen TV-Vertrag bedingte) finanzielle Übermacht der englischen Vereine gejammert, als dass sich über die Zweiklassengesellschaften in den nationalen Ligen Gedanken gemacht werden. Wenn der Letzte den Ersten nicht mehr besiegen kann und Teams wie Leicester und Kaiserslautern von vornherein so gut wie keine Titelchance mehr haben, dann geht ein wesentlicher Reiz des Sports verloren.