Am 1. Mai dieses Jahres wurde er feierlich eingeweiht. Bereits wenige Wochen später vermeldete Ausstellungskommissar Robert Goebbels die frohe Botschaft, dass die millionste Besucherin, eine Rentnerin aus dem Herzen Schanghais, den von François Valentiny erbauten Pavillon besucht hat. Als sie am Tag des 3. Juni von Erbgroßherzog Guillaume und Wirtschaftsminister Jeannot Krecké höchstpersönlich in Empfang genommen wurde und ein Dankesgeschenk in Form einer funkelnden Goldmünze entgegennahm, konnte sie ihr Glück kaum fassen.
Am vergangenen Montag dann die Meldung, dass sich die Zahl der Besucher binnen eines Monats verdoppelt hat. Der zweimillionste Gast, eine Architekturstudentin aus der chinesischen Provinz Heilongjiang, trat nach mehrstündiger Wartezeit über die Türschwelle des wohl beliebtesten Pavillons aller Zeiten. Seine Erfolgsgeschichte, sie setzt sich unaufhaltsam und uneinholbar fort.
Quo vadis, du prachtvoller Bau?
Vielen war er lange Zeit ein Dorn im Auge. Von Verschwendung von Steuergeldern, Kidnapping, gar Entweihung war die Rede, als sich Robert Goebbels vor Beginn der Weltausstellung dazu entschloss, die „Gëlle Fra“ kurzfristig in den Orient zu verfrachten.
Heute sind sie verstummt, all die kritischen Stimmen missgünstiger Zeitgenossen, die ihr Sinnbild für Frieden, Freiheit und Völkerverständigung partout nicht verreisen sehen wollten.
Doch heute wissen sie mehr denn je, dass sie in Schanghai bestens aufgehoben ist und dass sie sich, nach unzähligen Jahren in luftiger Höhe, eine Auszeit im „Paris des Ostens“ redlich verdient hat. Ja, sie gönnen ihr den Triumph. Sie und Luxemburgs Pavillon, vor dem sie im schimmernden Gold erstrahlt, sind in Schanghai das meist abgelichtete Motiv. An ihnen führt kein Weg vorbei.
Dass die „Gëlle Fra“ nach dem 31. Oktober zu ihrem Sockel in Luxemburg-Stadt zurückkehrt, ist gewiss. Doch wie steht es um unseren Pavillon? Quo vadis, du prachtvoller Bau? Etwa nach Schengen, wo dich niemand sieht? Oder doch nach Esch, in die tiefen Industriebrachen, dein natürliches Umfeld, wo du Plaza eins und zwei neues Leben einhauchen könntest? Oder aber bleibst du in Schanghai?
Vermutlich Letzteres, denn für deinen Umzug fehlt schlicht und einfach das Geld. In Schanghai also wirst du bleiben! Aber wirst du auch bestehen bleiben? Oder wirst du in die Knie gezwungen, in kleine Teile zerlegt und dein wundersam schillernder Cor-Ten-Stahl, der monatelang dein Innenleben beschützte, an chinesische Bauherren verramscht, in der Hoffnung, dass sie an dieser ganz besonders flexiblen und ihnen unbekannten Bausubstanz Gefallen finden und Bestellungen in Milliardenhöhe in Auftrag geben.
Denn darum, mehr als je zuvor, geht es schließlich auf einer Weltausstellung: Kontakte zu knüpfen, mit den Weltwirtschaftsmächten von morgen. Das ursprüngliche Konzept dieser Schau, die einst eine Spielwiese für Architekten war und sowohl Fachleute als auch Laien über den Stand der Technik, über Erfindungen und Innovationen, über Ideen und die Eigenarten fremder Kulturen zu informieren beabsichtigte, scheint längst in Vergessenheit geraten zu sein. Heute sind sie nichts anderes als reine Industriemessen im Dienste des Exports.
Und Valentinys Pavillon, ein Haus mit Garten und Zaun? Er ist ein nostalgischer Schritt zurück in die Blütezeit der Weltausstellungen, eine Zeit, in der wir uns von einem Atomium und einer Biosphäre berauschen ließen. Vielleicht oder gerade deswegen ist unser Pavillon der Publikumsmagnet in Schanghai schlechthin.
Emile Hengen
[email protected]
De Maart
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