Die Ehre vor die Hunde

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Mit einer parlamentarischen Anfrage des CSV-Abgeordneten Wolter ist das Problem der Anonymität in den Internetforen dieser Tage wieder auf den Tisch gekommen.

Eines ist klar: Wo jemand im Interesse der Allgemeinheit vor Missständen warnt und darob persönliche Nachteile zu befürchten hat, wer also den „Whistleblower“ macht, der sollte vom Schutze der Anonymität profitieren dürfen. Ansonsten aber sollten die mündigen Bürger einer rechtsstaatlich verfassten parlamentarischen Demokratie doch eigentlich den Mut haben, in einer politischen Debatte öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Diese elementare Zivilcourage lässt aber leider ein Großteil der Forenteilnehmer vermissen. Sie üben für ihr Leben gerne Kritik, doch sind sie, um mit offenem Visier zu kämpfen, viel zu hasenfüßig.

Sicher, wer sachlich und fair argumentierte Kritik an den „Powers that be“ übt, sollte dies in einer Demokratie zur Not auch anonym tun dürfen. Das eigentliche Problem in den Webforen sind nicht derlei besorgte oder verärgerte Bürger, die sich auf namenlose, aber dennoch zivilisierte Weise Luft machen wollen.

Das Problem sind vielmehr jene hundsfeigen Kretins, die mit legitimer Kritik nichts am Hut haben, sondern sich vielmehr daran aufgeilen, hinter der Hecke heraus Politikern in den Rücken zu schießen und deren Ehre vor die Hunde zu werfen.

Hinter der Hecke, da sind sie Helden!

Das hat dann mit dem legitimen Gebrauch demokratischer Freiheiten definitiv nichts mehr zu tun: Da sind vielmehr Leute am Werk, die offensichtlich nicht wissen, was Ehre ist, weil sie ganz einfach selber keine im Leibe haben.

So kann man dann in wohlbekannten Foren Sätze lesen wie „nennt mär mol een éierleche Politiker“, oder es wird behauptet, dass sich die Verantwortlichen für öffentliche Projekte (Tram, Weltausstellungs-Pavillon etc.) systematisch die eigenen Taschen füllen bzw. gefüllt hätten.

Den Beweis für ihre ehrabschneidenden Behauptungen bleiben diese hinterhältigen Couards wohlgemerkt ausnahmslos schuldig. Vor allem aber wären sie völlig unfähig, einen der von ihnen visierten Politiker von Angesicht zu Angesicht zu kritisieren, denn in einer solchen Situation würden sie sich mit schlotternden Knien die Hosen einnässen und außer irgendwelchem verlegenen Gestammel keinen Ton hervorbringen.

Aber hinter der Hecke, da sind sie Helden!

Es zirkuliert nun in den Foren das merkwürdige Argument, auch am Comptoir müsse man nicht erst den Ausweis zeigen, bevor man drauflos schwadronieren darf. Nun, dass die meisten Foren-Helden sich als wildgewordene Humpejangen gebärden, braucht ja in der Tat nicht mehr extra bewiesen zu werden.

Selbst im Wirtshaus ist man indes meist alles andere als anonym, es sei denn, man kritzelte seine bierseligen Schmähungen klammheimlich an die Wände der Latrine: eine Form anonymer Poesie, die übrigens schon seit der Antike praktiziert wird.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Tresen und einem populären Online-Forum besteht aber darin, dass die große Öffentlichkeit die Foren-Diskussionen wie auf einer landesweit einsehbaren Place publique – einem Forum eben – mitverfolgen kann.

Im Forum geäußerte Beleidigungen zeitigen daher eine viel schädlichere Wirkung als das Geschwafel einer Schnapsdrossel im Kreise ihrer Humpenkompanie.

Und so helfen alle faulen Ausreden nichts: Wer feigerweise aus seinem anonymen Rattenloch heraus die Reputation anderer Menschen in den Dreck zieht, der hat selber nichts Besseres verdient als eiskalte Verachtung.