Samstag15. November 2025

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Der Gute und der Böse

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Zitat aus dem Spiegel dieser Woche (Seite 56): „Nun, da sich viele ducken vor der Macht der Märkte, demütig wie vor einer Naturgewalt, da hilft es, daran zu erinnern: Diese Herrschaft der Märkte wurde von Menschen gemacht.“

Wer waren diese Menschen? Thatcher und Reagan natürlich, als Erste. Dann ihre vielen Nachahmer, darunter, generell, die ideologischen Gegner des starken Staates. Die Konservativen und ihre Cousins, die Neoliberalen.

Logo" class="infobox_img" />Alvin Sold [email protected]

Bereits in den 90er Jahren wollten, laut Spiegel, Wirtschaftsexperten genau das, was heute passiert:

„Dringend (…) müsse der Staat an Macht verlieren.Dagegen sei Widerstand zu erwarten. (…) Man brauche das Diktat der leeren Kassen. Man brauche ein Defizit, das als anstößig gilt. So könne man den Staat beschneiden“ …

Warum dieser Hass der Konservativen und der Neoliberalen auf den Wohlfahrtsstaat? Mit ihrer seit Jahren schon betriebenen Politik sind sie, die zz. Europa regieren, in hohem Maße mitverantwortlich für 16,5 Millionen Arbeitslose allein in der Eurozone: Das entspricht in etwa der Gesamtbevölkerung Hollands! Wie groß soll das Arbeitslosenheer denn werden, um europaweit drastische Lohnkürzungen und damit höhere Erträge zu ermöglichen?

Le Monde stellte am Mittwoch zu ArcelorMittal nüchtern fest, vor Steuern sei der Gewinn um 18,7% gestiegen, dank des boomenden Minengeschäftes. Im Stahlsektor gehe der Abbau in Europa aber weiter. Wie in Luxemburg, wo Schifflingen und Rodange auf der Kippe stehen. Das Pariser Referenzblatt signalisiert ferner, dass Mittals Steueringenieure dem Unternehmen seit der Fusion mit Arcelor (2006) weltweit Steuerkredite in Höhe von 152 Millionen Dollar netto sichern konnten, bei 40,4 Milliarden Dollar Profit. Auf eine völlig legale Manier, natürlich!

In Luxemburg fällt dem Tandem Juncker-Frieden die Aufgabe zu, das „anstößige Staatsdefizit“ in einen für das Kapital lukrativen Abbau der sozialen Leistungen umzumünzen. Hier vertritt die CSV heute die Interessen der Märkte, weil sie den jeweiligen Machthabern immer nahestand und -steht. Das lehrt die Geschichte!

Wenn Frieden als Provokateur auftritt, sollte niemand sich täuschen lassen. Im Rollenspiel, das mit Juncker bis ins Detail abgesprochen ist, spielt er den Part des Bösen, damit sein Kumpan als der Gute glänzen kann.

Da mault Frieden der Böse gegen den sozialen Mindestlohn, weil er die Reindustrialisierung behindere: Wollen wir auf einmal solche „Industrien“, die mit unqualifiziertem Personal auskämen? Wo fände man diese Leute? Im fernen Osten Europas? Dort, wo sie für ein paar hundert Euro für Konzerne schuften, die sich ihr Kapital von den Märkten borgen? – Ach!, beschwichtigt Juncker der Gute, so ist das nicht gemeint; wir kompensieren, als Staat, den Fehlbetrag zum Mindestlohn.

Wie peinlich. Aber wie beschwichtigend vonseiten des sozialen Übervaters der Luxemburger!

Ein anderes Beispiel ist der Versuch des bösen Frieden, die Tripartite von ihrem bisherigen AAA-Status auf C- Ramsch abzustufen, in die Kategorie der rein konsultativen Gremien, deren Alibi-Funktion der jeweiligen parlamentarischen Mehrheit allen Spielraum lässt. Auch da richtet sich der Übervater in voller Gestalt auf: Natürlich stehe er nach wie vor zum sozialen Dialog und zum Luxemburger Modell.

Dass die CSV solche Register aufziehen kann, ohne dissonant zu klingen, liegt in ihrer Volkspartei-Natur. Gegensätzliche Interessen dürfen vorgetragen werden, solche, die aus einer Sicht gut, aus anderer böse wären: Schließlich findet sich der goldene Mittelweg zum Wahlerfolg.

Alles Theater

Wie viel Manövrierfähigkeit bleibt dem jeweiligen Koalitionspartner angesichts dieser Doppelstrategie? Darüber entscheidet, letztlich, der oberste Vordenker. Der Gute, der weiß, welchen Preis er für seine Leistung, den Bösen abzuwehren, einfordern kann.

So läuft es halt. Wie lange noch?

Im Wort, dessen neuer Präsident, ein hochrangiger Kirchenherr, dieser Tage antritt, stand am Mittwoch folgendes im Leitartikel zu lesen:

„Friedens Rede war ein programmatisches Highlight, das den Anspruch der CSV, eine echte christlich-soziale Reform- und Volkspartei zu sein, untermauerte.“

Eine echte christlich-soziale Reform- und Volkspartei. Keine unechte wie die bisherige. Logischerweise wäre Juncker dann nie ein Guter gewesen. Und Frieden kein Böser.

Alles Theater. CSV-Theater.