Der erste Kontakt

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(Tageblatt)

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In zweieinhalb Wochen wird die erste „Rentrée académique“ der Uni Luxemburg auf Belval eingeläutet. 2.000 Studenten und 1.500 Angestellte werden erwartet. In der zukünftigen Studentenstadt Esch/Alzette ist davon bislang noch wenig zu spüren.

Ab und an beobachtet man im Restaurant Einheimische, die darüber rätseln, in welcher Sprache sich die Jugendlichen am Nachbartisch wohl unterhalten. Oder man begegnet einer Gruppe von Rentnern, die sich über den jungen „Streber“ belustigt, der noch am späten Abend einsam mit seinem Laptop auf einer Terrasse im Stadtzentrum sitzt und den ganzen Tisch beansprucht. Doch solche Situationen sind noch eher die Ausnahme. Auch die Geschäftswelt scheint sich noch nicht wirklich auf die Neuankömmlinge eingestellt zu haben. Copy-Shops, akademische Buchhandlungen, vegane Cafés, trendige Bars und Secondhand-Läden, in denen sich junge Hipster ihre Garderobe für billiges Geld zusammenstellen, sucht man bislang vergeblich.

Luc Laboulle llaboulle@tageblatt.lu @LucLaboulle

Doch nicht wenige Escher stellen sich die Frage, was in den kommenden Jahren auf sie zukommen wird. Wie werden die neuen Einwohner sein? Werden sie das Stadtbild nachhaltig verändern? Werden sie am alltäglichen Leben teilnehmen? Der von der Uni errechnete Betrag von 1.016 Euro monatlich, den ein Student angeblich zum Leben braucht, wird dafür jedenfalls nicht ausreichen.

Mancher Escher glaubt noch nicht so recht daran, dass die postindustrielle Wissensgesellschaft ihn in eine bessere Zukunft führen wird. Insbesondere die Lokalpolitiker hegen jedoch keinen Zweifel, dass die Studenten und Akademiker nicht nur der Minettemetropole, sondern dem ganzen eher proletarisch geprägten Süden zu neuem Aufschwung verhelfen werden. Auch die Verantwortlichen der Uni Luxemburg geben sich dahingehend optimistisch.

Die Arbeitsplätze, die auf Belval und rund um den neuen Wissenschaftsstandort entstehen sollen, werden sich vor allem an Hochqualifizierte richten. Das ist von der Regierung auch so gewollt. In der Altersklasse der 30- bis 34-Jährigen lag der Anteil der Hochschulabsolventen im Jahr 2013 bereits bei 52,5 Prozent. Ihre Zahl hat sich seit 2002 mehr als verdoppelt. Bis 2020 will Luxemburg den Anteil an Hochqualifizierten auf 66 Prozent steigern. Ein ehrgeiziges Ziel, doch selbst wenn es erreicht wird, bleiben immer noch 34 Prozent, die sowohl in finanzieller als auch in intellektueller Hinsicht nicht oder nur indirekt von der Wissensgesellschaft profitieren werden.

Die Arbeitslosenquote in der Stadt Esch lag im vergangenen Jahr bei fast 14 Prozent, 6 Prozent höher als der Landesdurchschnitt (7,8%). In Differdingen (12,6%), Düdelingen (9,4%) und einigen anderen Südgemeinden sieht die Situation nicht viel besser aus. Insbesondere die hohe Jugendarbeitslosigkeit bietet Anlass zur Sorge. Viele der Arbeitssuchenden verfügen über keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss. Im Schuljahr 2012/13 brachen 11,6 Prozent (1.642) der Schüler in Luxemburg die Sekundarstufe ohne Abschluss ab, 2,4 Prozent mehr als im Jahr davor.

Auf die Frage, ob die Uni auf Belval die Probleme im Süden Luxemburgs wird lösen können, antwortete ein anerkannter Sozialwissenschaftler vor einigen Jahren salopp, so viele Würstchenbuden könne man gar nicht eröffnen, dass alle davon profitieren. Ob er recht behalten wird oder nicht, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.