Das Fußvolk

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Sogar US-Präsident Barack Obama konnte zuletzt seine Enttäuschung nicht mehr verbergen: „Die sollen sich daran erinnern, warum sie so erfolgreich sind. Nämlich nur, weil so viele Leute da draußen den Sport lieben“, so der prominenteste aller Basketball-Fans in der „Jay Leno Show“.

In der Tat, während die Welt eine wirtschaftlich schwierige Zeit durchlebt, streiten in den Vereinigten Staaten von Amerika einige Milliardäre und Millionäre um einen größeren Anteil am Kuchen der nordamerikanischen Profiliga NBA, der besten Basketball-Liga der Welt. Die USA, das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten?

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

In diesem Fall kann man das durchaus behaupten, zumal es sich beim NBA-Tarifstreit um einen Arbeitskampf mit umgekehrten Voraussetzungen handelt. Denn nicht die Spieler, also die Arbeitnehmer, wollen mehr Geld, sondern die Vereinsbosse, also die Arbeitgeber. Begründet wird die Forderung mit Verlusten von Klubs aus kleineren NBA-Städten. Was in Anbetracht traumhafter TV-Quoten, steigender Zuschauerzahlen und immer neuer Marketingerlöse schon etwas verwundert und den Schluss zulässt, dass das Fußvolk genau wie bei der momentanen Schuldenkrise für das Missmanagement einiger Weniger geradestehen muss. Nur dass es sich beim Fußvolk in der NBA um mit die bestbezahlten Sportler der Welt handelt.

Die Position der Spieler ist indes klar: Sie sind die Stars in der Manege, wegen ihnen sind die Hallen voll. Warum also sollen ausgerechnet sie Einbußen hinnehmen?

Vier Milliarden Dollar

Nun müssen sie das aber dennoch, denn seit dem vergangenen Wochenende sind sich beide Parteien im Prinzip einig. Über 25 Verhandlungsrunden waren seit dem 1. Juli nötig, um einen Tag nach Thanksgiving, dem wichtigsten Familien-Feiertag in den Staaten, den entscheidenden Durchbruch im Tarifstreit zu erzielen. Und es waren die Spieler, die klein beigaben. Statt 57 Prozent der Einnahmen streichen sie in Zukunft nur noch um die 50 Prozent ein. Was freilich in Anbetracht eines Einnahmen-Gesamtvolumens von vier Milliarden Dollar (drei Milliarden Euro) durchaus zu verkraften ist. Im Schnitt bleiben den 430 NBA-Profis immerhin noch 4,65 Millionen Dollar pro Jahr und pro Kopf, würde man die Gehälter paritätisch aufteilen. Das Mitleid mit ihnen darf sich demnach durchaus in Grenzen halten.

Der große Gewinner ist derweil NBA-Boss David Stern. Im Auftrag der Vereine handelnd zwang Stern die Spieler bereits beim letzten Tarifstreit 1998 zu größeren Konzessionen. Warum es nun doch zur Einigung gekommen ist, wurde Stern am Wochenende gefragt: „Der Grund ist, dass wir Fans haben. Und Spieler, die spielen wollen, und vor allem viele andere Menschen, die von einer stattfindenden Saison abhängig sind.“ Eine reichlich späte Erkenntnis nach 149 Tagen Streit.

Nun also sind die einfachen Menschen wieder wichtig und die Frage, wer denn hier das eigentliche Fußvolk ist, ist auch beantwortet. Denn ab dem 25. Dezember sollen die Massen wieder in die Arenen strömen. Dann wird mit den landesweit übertragenen und vermarkteten „Christmas-Games“ die auf 66 Partien pro Mannschaft reduzierte Saison eröffnet. Und diejenigen, die den Sport wirklich lieben, werden wieder zur Kasse gebeten. Mit Eintrittsgeldern, Devotionalien-Verkauf, Pay-TV etc.

Der Streit um die neue NBA-Saison zeigt, um was es im Profisport des 21. Jahrhundert mehr denn je geht: Oder haben Sie tatsächlich geglaubt, Vereine und Spieler hätten einfach so auf vier Milliarden Dollar verzichtet? Barack Obama sicher nicht.