Akzente gesetzt

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Die Akzente hat er gesetzt, der 44. Präsident der USA, Barack Obama, der heute (und, wegen der zweifachen Vereidigung, eigentlich auch morgen) sein erstes Amtsjahr abschließt. Im Irak z.B., aus dem sich die USA im nächsten Jahr zurückziehen wollen.

Auch in Afghanistan wurde eine neue Politik eingeläutet. Sicher wurde eine Truppenaufstockung beschlossen, zum Entsetzen vieler Kriegsgegner, doch rückte Obama zudem den Neuaufbau der Landesstrukturen und die politische Stabilität in den Vordergrund.
Im Nahen Osten hat er sich klar für eine Zweistaatenlösung ausgesprochen. Kein einfaches Unterfangen für einen US-Präsidenten, der mit diesem Vorgehen riskiert, eine sehr starke Lobby im eigenen Lande zu brüskieren. Die Schließung von Guantanamo mag übermorgen noch nicht abgeschlossen sein, wie es Obama vorschwebte, doch sie ist unwiderruflich angelaufen, was ein bemerkenswertes Abrücken von der Politik seines Amtsvorgängers darstellt.
Obamas Außenpolitik steht weiter für eine neue Beziehung zum Islam, für eine atomwaffenfreie Welt, für ein neues Verhältnis zu China und zu Russland. Sie steht für eine klare Sprache gegenüber dem Iran. All dies Problembereiche, die seit Jahren einer Lösung harren.

Beurteilung auf zwei Ebenen

Doch der Blick auf die US-Außenpolitik alleine drängt hierzulande wie so oft die andere Realität in den Hintergrund, der sich ein US-Präsident gegenüber sieht. Die in den USA selber.
Dort ist den Bürgern die Außenpolitik ihres Präsidenten, mit Ausnahme des Iraks und Afghanistans vielleicht, ziemlich gleichgültig. „Ich hoffe, der Rest der Welt versteht besser, was im Irak vorgeht, als meine Mitbürger hier“, hat mir einmal in New York ein US-Soldat, den Tränen nahe, erklärt. Er jedenfalls fühlte sich mit seinen Problemen nach mehreren Fronteinsätzen doch ziemlich alleine gelassen.
Die US-Bürger interessieren vorrangig die USA, was sich auch in der minimalen Auslandsberichterstattung der Medien widerspiegelt. Die 15 Millionen Arbeitslosen dort wollen einen Job. Sie beurteilen ihren Präsidenten nicht nach dessen langfristigen Vorsätzen, sondern wünschen sich sofortige Lösungen für ihr Problem, wenn möglich auch noch individuelle.
Zudem betrachten viele zum Teil mit Argwohn, dass Obama an grundlegenden amerikanischen Vorstellungen rüttelt. Doch genau das tut in ihren Augen, wer in einem Lande, das daran glaubt, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, versucht, die Auswirkungen der Finanzkrise durch staatliche Zuschüsse an Banken, unter Aufbringung aller finanzieller Kraft, abzufedern.
49% der Amerikaner glauben, dass die Banken während der Krise zu viel Zuwendung bekommen haben. 62% jedoch haben das Gefühl, dass die kleinen Unternehmen im Stich gelassen wurden, 54% sind der Meinung, es sei nicht genug für den Mittelstand getan worden. Argwohn aus dem gleichen Grunde auch gegenüber der Gesundheitsreform, mit der Obama eine bessere Absicherung von Millionen von Bürgern erreichen will.
Dass dies sich sehr schnell in politische Münze umsetzen lassen kann, zeigt die sehr enge Nachfolge-Wahl für Senator Ted Kennedy gestern in Massachusetts. Dort schmolz der ursprünglich komfortable Vorsprung der Demokraten von Woche zu Woche hin, nachdem die Republikaner mit ihrer ablehnenden Haltung gegen die Gesundheitsreform Kampagne gemacht hatten.
Präsident Barack Obamas Arbeit wird demnach auf zwei Ebenen gemessen, auf heimischem Parkett und auf internationalem Terrain. Wobei, anders als bei uns, die internationale US-Politik weniger auf die nationale einwirkt. Auch wenn Probleme auf der einen zu schweren Rückschlägen auf der anderen Ebene führen können.
Barack Obama hat in seinem ersten Jahr Akzente gesetzt. Welche Auswirkungen sie haben werden, wird erst die Zukunft zeigen. Er hat Hoffnungen geweckt und den Grundstein für neue gelegt. Das macht ihn für viele weiter zum Hoffnungsträger.

Serge Kennerknecht
skennerknecht@tageblatt.lu