QuergelesenPferde sind Poesie in Bewegung

Quergelesen / Pferde sind Poesie in Bewegung
(4) Christiane Slawik – „Geliebte Pferde 2023“, DuMont Kalenderverlag, Kiel 2022, 15,00 Euro

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René Oth ist zutiefst beeindruckt von Majestät und Kraft, Anmut und Eleganz der großen Gefährten des Menschen.

„Am Anfang des Pferdezeitalters steht ein Paradox, gleichsam das Urparadox der ganzen Geschichte. Ein intelligentes Säugetier, der Mensch, bemächtigt sich eines anderen Säugetiers, des Pferdes. Er zähmt und züchtet es, freundet sich mit ihm an, benutzt es zu seinen Zwecken. Das Erstaunliche an der Sache ist, dass sie auch dann noch funktioniert, wenn die Zwecke des Menschen der Natur seines vierbeinigen Kollegen konträr zuwiderlaufen. Anders als der Mensch ist das Pferd ein Fluchttier“, vermerkt Ulrich Raulff im rezenten außergewöhnlichen Sachbuch „Das letzte Jahrhundert der Pferde – Geschichte einer Trennung“ (1).

(1) Ulrich Raulff – „Das letzte Jahrhundert der Pferde – Geschichte einer Trennung“, Verlag C.H. Beck, München 2018, 20,00 Euro
(1) Ulrich Raulff – „Das letzte Jahrhundert der Pferde – Geschichte einer Trennung“, Verlag C.H. Beck, München 2018, 20,00 Euro

Vom Grasfresser zum Schlachtross

Das Pferd mag in der Tat weder Krieg noch Streit; auch ist ihm der Instinkt für Beute fremd. Als schnelles Fluchttier hingegen, dessen wichtigste Leistung die Geschwindigkeit ist, ermöglichte der große Vegetarier dem Menschen, sich die Erfahrung starker Beschleunigung zu eigen zu machen, dank der sich weite Territorien erschließen und ausgedehnte Herrschaften errichten ließen, was der Autor kurz und bündig auf den Punkt bringt: „Als zähmbares und züchtbares, als von Menschen lenkbares Geschwindigkeitstier … wurde das Pferd zum politischen Tier und zum wichtigsten Gefährten des Homo sapiens.“

Und hier ereilt uns wieder der anfängliche, scheinbar unauflösliche Widerspruch. Das zivile Reit- oder Zugpferd muss sich viel zu oft vom friedlichen Grasfresser in das militärische Schlachtross verwandeln, seine Schreckhaftigkeit verleugnen, den Menschen in die Schlacht führen und dessen Feinde unter den Hufen in den Staub treten.

Mit dem Reittier verschmolzen

(2) Martin J. Dougherty – „Das große Buch der Indianer-Kriege“, Wieland Verlag, Bad Aibling 2022, 222 S., 39,90 Euro
(2) Martin J. Dougherty – „Das große Buch der Indianer-Kriege“, Wieland Verlag, Bad Aibling 2022, 222 S., 39,90 Euro

Ehe das Pferd dem Druck einer sich mechanisierenden Zivilisation weichen musste, durchlief es im 19. Jahrhundert einen Prozess der Sublimation, der bei den Plainsindianern des Far West, dem Prärieadel hoch zu Ross, einen nicht zu überbietenden Höhepunkt erreichte, eine Übereinstimmung zwischen Mensch und Tier, eine vollkommene Einheit, wie man sie nur selten in der Geschichte vorfindet und wie sie in der Historie der nordamerikanischen Ureinwohner im Kampf gegen ihre weißen Unterdrücker immer wieder in den Mittelpunkt des Geschehens rückte. In „Das große Buch der Indianer-Kriege“ (2) von Martin J. Dougherty kann man nachlesen, welche große Rolle der Vierbeiner bei den dortigen Indigenen spielte.

Um 1680 hatten sich die Apachen bereits große Pferdebestände angeeignet, die ihnen längere Jagd- und Beutezüge erlaubten. Weil sie in einem Ödland mit felsigen Bergen hausten, diente ihnen das Pferd ebenso als Schlachtvieh wie als Fortbewegungsmittel.

Eine weit tiefere und dauerhaftere Zuneigung zum Mustang entwickelten die Comanchen, die sich auch schon vor 1700 mit Pferden auskannten. Mit dem neuen Tier wuchsen bei ihnen Macht und Mut. Sie pflegten ein sehr enges Verhältnis zu ihren Tieren, deren Möglichkeiten sie als Erste ausschöpften. Auf dem Rücken ihrer Ponys stiegen sie zu den unumstrittenen Herrschern der südlichen Plains auf, die sie durch ihre Beweglichkeit und ihren weiten Aktionsradius von 1750 bis tief ins 19. Jahrhundert fest im Griff hatten.

Der Aufschwung der westlichen Sioux innerhalb von nur 50 Jahren zu den Herren der nördlichen Bisonweiden wurde dadurch begünstigt, dass sie ungefähr gleichzeitig zu Ende des 18. Jahrhunderts aus Mexiko Pferde erhielten und von kanadischen Waldläufern das Gewehr übernahmen. Gerade wegen ihrer Mustangs und ihrer Feuerwaffen vermochten sie sich gegen die Bosheit und Doppelzüngigkeit der weißen Eindringlinge zur Wehr zu setzen.

(3) „Beautiful Horses 2023“, Neumann Verlag, Kiel 2022, 30,00 Euro
(3) „Beautiful Horses 2023“, Neumann Verlag, Kiel 2022, 30,00 Euro

Würde und Zauber rassiger Wesen

Das großzügige längliche Format des dekorativen Wandkalenders „Beautiful Horses 2023“ (3) bringt die stolzen Tiere wild und schön, kraftvoll, dynamisch und anmutig in ihrer ganzen Würde voll zur Geltung. In der Tat faszinieren die treuen Partner des Menschen mit ihrer bemerkenswerten Persönlichkeit und ihrem eleganten Auftreten vor einem minimalistisch gehaltenen Hintergrund, dank dem die zwölf sehr nah aufgenommenen, unmittelbaren Pferdeporträts in ihrer ganzen Pracht hell aufscheinen.

Nicht weniger gelungen ist der taufrische Jahresweiser „Geliebte Pferde 2023“ (4), in dem die bekannte Pferdefotografin Christiane Slawik Grazie und Eleganz der Tiere, gepaart mit Kraft und Sanftmut, im Spiel mit Motiv, Farbe und Kontrast voll zur Entfaltung kommen lässt. In einem anderen Kalender, „Die Anmut der Pferde 2023“ (5), vermischt dieselbe Autorin spektakuläre Bilder mit klassischen und modernen Zitaten von berühmten Pferdeliebhabern.

(5) Christiane Slawik – „Die Anmut der Pferde 2023“, Weingarten Verlag, Unterhaching 2022, 19,99 Euro
(5) Christiane Slawik – „Die Anmut der Pferde 2023“, Weingarten Verlag, Unterhaching 2022, 19,99 Euro c

Auf ihrem vertikalen Kalender „Pferde 2023“ (6) wartet Sabine Stuewer mit hervorstechenden Porträts graziöser Tiere aller Rassen auf, die sich als ausdrucksstarke und poetische Aufnahmen erweisen.

(6) Sabine Stuewer – „Pferde 2023“, Weingarten Verlag, Unterhaching 2022, 22,00 Euro
(6) Sabine Stuewer – „Pferde 2023“, Weingarten Verlag, Unterhaching 2022, 22,00 Euro

Edle Pferdehäupter, klassisch-harmonisch vor schwarzem Hintergrund, präsentiert die Fotografin Sabrina Hain im neuen Kalender „Horses on Black 2023“ (7). In ihren Fotos gelingt es ihr, nicht nur Schönheit und Stolz, sondern auch den Charakter der einzelnen Pferde einzufangen, wobei ein Jahresweiser der Superlative für alle entstanden ist, die dem Zauber der rassigen Vierbeiner verfallen sind.

(7) Sabrina Hain – „Horses on Black 2023“, Korsch Verlag, Gilching 2022, 27,95 Euro
(7) Sabrina Hain – „Horses on Black 2023“, Korsch Verlag, Gilching 2022, 27,95 Euro c