Dienstag11. November 2025

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„Innovation hat bei uns Tradition“

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Er ist Luxemburger, stammt aus Rumelingen und ist promovierter Chemiker. Seine Karriere hatte Jean-Claude Kihn 1988 als Ingenieur im Goodyear Innovation Center (GIC*L) in Colmar-Berg begonnen. Nach einer langen Karriere in den USA und in Brasilien ist er jetzt seiner Heimat wieder etwas näher gekommen. Seit 1. Januar dieses Jahres ist er Präsident der Region...

„Innovation hat bei uns Tradition“

Ein Gespräch mit Jean-Claude Kihn, Präsident Goodyear EMEA

Er ist Luxemburger, stammt aus Rumelingen und ist promovierter Chemiker. Seine Karriere hatte Jean-Claude Kihn 1988 als Ingenieur im Goodyear Innovation Center (GIC*L) in Colmar-Berg begonnen. Nach einer langen Karriere in den USA und in Brasilien ist er jetzt seiner Heimat wieder etwas näher gekommen. Seit 1. Januar dieses Jahres ist er Präsident der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika, sein Büro ist in Brüssel. Eine der Goodyear-Stationen von Jean-Claude Kihn, 56 Jahre alt, war die des Chief Technical Officer gewesen. In dieser Position war er weltweit verantwortlich für Forschung, Entwicklung, Konstruktion und Qualität. Wir trafen ihn anlässlich der Pressetage beim Autosalon in Genf. Und kamen schnell auf die Bedeutung der Goodyear Forschung und Innovation für die automobile Fortbewegung von morgen zu reden.

Tageblatt: Herr Kihn, was kann ein Reifenhersteller wie Goodyear zum verbesserten Umweltverhalten des Automobils beitragen?
JC Kihn : Wir können sehr viel dazu beitragen. So haben wir in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Reduzierung des Rollwiderstands erzielt. Wer den Rollwiderstand senkt, senkt damit logischerweise den Verbrauch des Autos zum Vorteil des Fahrers und gleichzeitig der Umwelt. Der andere Faktor ist die Langlebigkeit, bei längerer Lebensdauer eines Reifens vermindert sich der Recyclingbedarf. Der neue Eagle F-1 beispielsweise erlaubt eine um 34% erhöhte Laufleistung als sein Vorgänger. Das sind nur zwei Beispiele von Prioritäten die wir uns bei der Reifenentwicklung setzen, nicht zuletzt aus Rücksicht auf die Umwelt. Die längere Lebensdauer unserer Reifen drückt sich in verminderter Beanspruchung der Rohstoffe aus. Hier sind auch unsere LKW-Reifen massgeblich beteiligt, sie werden bekanntlich bis zu zweimal runderneuert, was sich wiederum positiv auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz auswirkt.

Tageblatt: Innovation wird bei Goodyear gross geschrieben. Die erstreckt sich sogar bis zur Verwendung von Reisschalen bei der Herstellung der Gummimischung, konnte man vor Monaten lesen!
JC Kihn : Stimmt. Innovation hat bei Goodyear Tradition. Auch in diesem Beispiel. Um es mal vereinfacht auszudrücken: Wir können jetzt eine Biomasse aus verbrannten Reisschalen einsetzen, anstelle des aus Mineralien auf komplexe Art und Weise erzeugte Silica, das wir in der Lauffläche zur Reduzierung des Rollwiderstands und zur Verbesserung der Haftung auf nassem Untergrund benutzen. Die jetzt verwendeten Silica werden aus der Verbrennung von Reisschalen gewonnen, also jenen Schalen die bei der Gewinnung von Reiskörnern anfallen und die ansonsten auf dem Müll landen würden. *
• Zusammen mit einem Agro-Industrieunternehmen aus Indien hat Goodyear ein Verfahren zur Weiterverarbeitung des Abfallprodukts aus der Reisproduktion entwickelt, das in einem Verbrennungsverfahren zu Bio-Silica umgewandelt wird.

Tageblatt: Umweltvorschriften, Geschwindigkeitsreduzierungen, Lärmschutz usw bremsen uns Autofahrer immer mehr aus. Lohnt sich da noch der ganze Forschungsaufwand für leistungsfähige Reifen für Autos die ihr Potential gar nicht mehr ausreizen dürfen?
JC Kihn : Ja, auf jeden Fall. Vor allem hier in Europa, mit seinen kurvenreichen Strassen, sind die Handlingseigenschaften eines Reifens sehr wichtig. Sie tragen entscheidend zum Fahr-, Lenk- und Kurvenverhalten eines Autos bei und garantieren einen Fahrspass den man in den USA, wo ich ja lange lebte, so nicht erleben kann. Letzten Endes soll man die Autofahrer immer wieder daran erinnern, dass die Reifen die einzige Verbindung des Autos zur Fahrbahn herstellen und demzufolge entscheidend sind in allen Fahrsituationen. Wir meinen, dass es in diesem Fall schon auf ein Produkt ankommt, das so leistungsfähig ist wie das Auto, das sie tragen.

Tageblatt: Goodyear zeigt hier in Genf einen überdimensionalen, schwarzen Golfball, hinter dem, oder vielmehr, in dem sich der intelligente Reifen der Zukunft verbirgt. Wie kann man dieses Zukunftsprodukt einordnen?
JC Kihn: Nun, der Eagle 360 , der übrigens in Luxemburg entwickelt wurde, ist Zukunftsmusik. Um es gleich vorneweg zu sagen, es handelt sich um ein Konzept und es ist anzunehmen, dass das finale Ergebnis dieses Projekts später einmal nicht mehr so aussehen wird wie das hier gezeigte Produkt. Im Eagle 360 sind so viele Ideen enthalten, dass man sie nicht alle einzeln auf den Markt bringen kann und man sie noch testen und weiter entwickeln muss. Und da ist es wirksamer, diese Ideen in einem Gesamtkonzept progressiv voranzutreiben. Mir liegt sehr viel daran unsere Mitarbeiter in der Forschung zu motivieren, die Ingenieure zu ermutigen, auch mal ein Risko einzugehen, sich an Projekte heranzuwagen, ein Konzept zu entwickeln und sich progressiv darin einzuarbeiten. Optisch ist der Eagle 360 eine Sphäre mit einem Korallenprofil und schwammartiger Substanz zwischen den Lamellen , welche die Feuchtigkeit aufsaugen und dessen Sensoren Geschwindigkeit, Verschleiss und Bodenbeschaffenheit messen und diese Daten verarbeiten und die Fahrparameter entsprechend anpassen.

Tageblatt: Wie würde denn hier der erste Schritt in die Realität aussehen?
JC Kihn: Ein erster Schritt sind zum Beispiel die Sensoren in diesem Reifen, die wir ja mittlerweile schon in einem anderen Reifen einsetzen. Diese Sensoren messen beispielsweise den Reifendruck, nach und nach werden hier noch andere Parameter einbezogen werden. Hier haben wir schon eine erste Etappe geschafft. In unseren Rennreifen für LKW-Rennen kommen diese Sensoren ja schon zum Einsatz. Jetzt werden wir weitersehen, wir werden forschen, erproben und sehen was auf Dauer machbar ist und was nicht.

Tageblatt: Ist der Eagle 360 ein Beitrag von Goodyear zur Entwicklung des selbstfahrenden Autos ?
JC Kihn: Die Autohersteller arbeiten daran, wir werden sie wie immer auf diesem Weg begleiten. Das Mobilitätsverhalten des Menschen wird sich ändern, Autos müssen sinnvoller und effizienter eingesetzt werden. Das selbstfahrende Auto kann viel dazu beitragen, sie stehen sozusagen auf Abruf bereit und fahren nur dann wenn man sie wirklich braucht. Das intelligente Auto wird ohne intelligenten Reifen nicht auskommen können. Als Reifenhersteller werden wir hier ebenso gefordert sein wie die Autohersteller.

Tageblatt: Sie waren ja nicht von Anfang an in dieses Projekt eingebunden, da sie die letzten drei Jahre in Brasilien verbracht haben. Waren Sie überrascht, als sie vom Projekt Eagle 360 erfuhren?
JC Kihn : Ja schon und es war eine gute Überraschung!