Studium als Neustart

Studium als Neustart
(Editpress/Alain Rischard)

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Die Uni als Begegnungsstätte: Viele reguläre Kurse der Universität Luxemburg sind – im Bereich der verfügbaren Plätze – auch für Gasthörer zugänglich.

Das Interesse ist sehr groß, mittlerweile muss man häufig regelrecht anstehen, um rechtzeitig einen der freien Plätze zu ergattern. Dominique* ist das bereits mehrmals gelungen.

Es war ein persönlicher beruflicher Rückschlag, der Dominique zurück auf die Schulbank, genauer gesagt in die Hörsäle der Uni Luxemburg gebracht hat.

Vor drei Jahren hat die Bautechnikerin ihren Job verloren. „Nach einem intensiven Berufsleben, wo ich ständig auf Achse war, hatte ich plötzlich Zeit – viel mehr als mir lieb war. Ich habe das als Glücksfall angesehen und habe sie genutzt, um mich weiterzubilden und möglicherweise auch neu zu orientieren“, sagt die Mutter vier erwachsener Kinder im „Restaurant de l’Université“, wo wir uns zu einem Kaffee getroffen haben. „Zu Hause herumsitzen und auf Arbeit warten, das ist nicht meine Art“, fügt sie entschlossen hinzu.

Studiert hat die gebürtige Brüsselerin ursprünglich Innenarchitektur im belgischen Louvain-la-Neuve. Ein Studium, das sie jedoch nicht zu Ende führte. „Arbeit gab es damals mehr als genug. Man brauchte nur zuzugreifen“, rechtfertigt sie den Abbruch des Studiums, die Umorientierung in die Bautechnik und ihre Anwesenheit auf allen großen Brüsseler Baustellen der letzten Jahre. Das Berlaymont-Gebäude der Kommission, der Flughafen. Es gibt kaum eine Infrastruktur, an der Dominique nicht mitgearbeitet hat.

Dennoch schwingt, rückblickend, ein leises Bedauern in ihrer Stimme mit. „Ich hätte vielleicht doch damals dranbleiben sollen“, sinniert sie. Aber der Blick zurück und das Bedauern über nicht unternommene Schritte liegen nicht in Dominiques Natur.
Sie war damals, am Höhepunkt ihrer beruflichen Tätigkeit, vom Fleck weg nach Luxemburg verpflichtet worden. „Das war ein umso spannender Neuanfang, als wir uns recht schnell einig waren. Ich habe den Arbeitsvertrag unterschrieben und tags darauf schon angefangen“, erinnert sich die freiberufliche Unternehmerin. Das Glück sollte ihr jedoch nicht hold bleiben. Nach einem knappen Jahr machte ihr Arbeitgeber Bankrott – und sie landete auf den Bänken des Arbeitsamtes.

Auf der Suche

„Ich bin ein positiver Mensch. Ich glaube an das Gute“, rechtfertigt sie ihre Entscheidung, trotz des Rückschlags in Luxemburg zu bleiben und hier auch einen Neuanfang zu versuchen.
Dieser Neuanfang führte sie auf die Uni Luxemburg. Zuerst nach Walferdingen, seit dem Schulanfang dieses Jahres nach Belval, wo sie privat auch lebt. Mittlerweile genießt sie das Leben auf dem Campus. „Ich fahre kaum noch in die Stadt, ich habe hier alles, was ich brauche“, sagt sie und zeigt auf das Kino, die Rockhal und das Einkaufszentrum.

„Es war die Gelegenheit, meine abgebrochene Ausbildung wieder aufzunehmen beziehungsweise mich neu zu orientieren“, kommentiert die 50-Jährige ihre Entscheidung, zur Uni zurückzukehren.
So hat sie gleich nach ihrer Entlassung Grafik-Kurse belegt und sich dabei besonders in die 3-D-Technik hinein gekniet. Ihre Augen glänzen, wenn sie davon spricht. Auch ihr Wissen über Bautechnik hat sie auf Kirchberg wieder neu aufgefrischt.

Dann hat sie sich umorientiert und in Belval Kurse in Kunst, Literatur und Psychologie belegt. Einen Abschluss kann sie in den verschiedenen Disziplinen als Gasthörerin nicht ablegen. Dominique will auch nicht mehr als zwei Wochenkurse belegen, weil sie nach wie vor auch Zeit braucht, um sich einen neuen Job zu suchen.
„Er wird sich finden, ich spüre es“, sagt die Unternehmerin, die offensichtlich von der energischen Bautechnikerin zur Philosophin mutiert. „Ich will meine Geschichte niederschreiben. Das Studium erlaubt mir, meine Gedanken besser zu ordnen und zu vertiefen, mich mit meinen Überlegungen auseinander zu setzen“, meint sie. Zum Generationenkonflikt komme es dabei nicht. Sie werde akzeptiert.

An der Uni habe sie Gleichgesinnte gefunden, junge Leute, die bereit sind, ihren Gedankengängen zu folgen und darüber zu diskutieren. Diese Begegnungen, dieser intensive Austausch mit jüngeren Leuten sind ihr mittlerweile sehr wichtig. Sie hängt ganz besonders an den Schreibkursen, in denen sich Studenten und Gasthörer die Waage halten. Allerdings sind von beiden Seiten Studierende abgesprungen, so dass der Kurs vorläufig suspendiert wurde. „Er wird im nächsten Jahr wieder aufgenommen.“ Davon ist Dominique überzeugt.

„Es ist eine ganz andere Welt“, sagt die späte Studentin über ihr Studium. Ihre Kinder, zum Teil selber Studenten, haben sie stets ermutigt und unterstützt. „Ich träume davon, meine Karriere in der Welt der Kunst zu beenden“, meint sie und spricht von einem Kunstatelier für Kinder.

* Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt

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Open@uni.lu

Wer sich hier einloggt, wird erfahren, welche der regulären Kurse der Universität Luxemburg für Gasthörer oder Senior-Gasthörer im Rahmen der verfügbaren Plätze zugänglich sind. Die Gasthörer können nicht an den Prüfungen teilnehmen und erhalten auch keine Diplome oder ECTS-Kreditpunkte. Dennoch ist ein bestimmtes Arbeitsvolumen vorausgesetzt. Deshalb sollten Interessenten genau prüfen, ob sich der Besuch der Kurse lohnt beziehungsweise ob sie das Programm durchziehen können. Eingeschriebene Gasthörer bezahlen rund 50 Euro pro Semester und pro Kurs.

Das zweite Semester des Universitätsjahres 2015/2016 beginnt am kommenden 15. Februar und geht bis zum 29. Mai 2016. Es bietet ein sehr breit gefächertes Angebot, das von Baustoffkunde über die Gesundheit am Arbeitsplatz, Politik und politische Geschichte bis zu den europäischen Kulturen, der Linguistik und den Menschenrechten reicht.

Als Beispiele herausgepickt seien im Bereich der Kunst eine Geschichte des amerikanischen Modernismus anhand der Werke von Edward Steichen, der Umgang mit der Sprache in den neuen Medien, eine Betrachtung der Medien im Alltag (vom Telefon über das Fernsehen bis zu den Sozialmedien), eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kino, Luxemburger Geschichte oder eine Geschichte der Ernährung, die mit Evas Apfel beginnt und die Bedeutung der Nahrung in den verschiedenen Zivilisationen umfasst.

Das komplette Angebot ist auf der Homepage der Uni nachzulesen. Wer mitmachen will, muss sich rechtmäßig einschreiben. Erst wenn die Teilnahme bewilligt ist, müssen die Einschreibegebühren bezahlt werden.

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Öffentliche Konferenzen

Wer nicht den Mut oder die Zeit hat, um einen kompletten Universitätskursus durchzuziehen, der kann auch die öffentlichen Konferenzen besuchen, die regelmäßig stattfinden.
Das vollständige Programm, das häufig mit externen Partnern wie dem französischen Kulturinstitut organisiert wird, ist noch nicht online.

Zu den Rendezvous der nächsten Wochen gehören jedoch bereits drei Konferenzen zum Thema Religion. „Die innere Pluralität des Christentums im späten Mittelalter“ am 14. Januar von 19.00 bis 20.30 Uhr in der Abtei Neumünster, mit Professor Volker Leppin von der Universität, macht hier den Auftakt.

Auch die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften hat schon mehrere hochkarätige öffentliche Vorlesungen angekündigt. Mehr über diese Konferenzen finden Interessierte unter der Rubrik „Termine“ der Uni Luxemburg, unter der Bezeichnung „Les jeudis de la science“ oder auf der Homepage der „Amis de l’université“.