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Worte für das Vergessen

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Zwischen Oldtimern und Gemälden seines Künstlerfreundes Robert Brandy stellte Jean Portante am vergangenen Donnerstagabend sein neues Buch vor: „La réinvention de l’oubli“.

Janina Strötgen
 

Die Erinnerung, ihre Kraft, ebenso wie der Mechanismus, der ihr zugrunde liegt, sind Themen, die Jean Portante seit Beginn seines Schreibens beschäftigen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an seinen Roman „La mémoire de la baleine“, der bereits 1993 erschien.
Heute, fast 20 Jahre später, ist Jean Portante beim Vergessen angekommen. Und das nicht etwa aus altersbedingter Verfassung, sondern dank klarer, sprachphilosophischer Überlegungen: „L’oubli est plus important que la mémoire“, sagt Portante und erklärt, dass das Vergessen viel reiner und intakter sei als die Erinnerung. Der Grund sei einfach: Die Erinnerung an sich existiere nicht, denn sie werde konstruiert.
Ein Beispiel: Zwei Menschen haben in der Vergangenheit einen Tag miteinander verbracht. Erinnern sie sich daran, erzählen sie zwei verschiedene Geschichten. Die Erinnerung ist subjektiv. Hinzu kommt – und das ist das Entscheidende für Jean Portante –, dass Erinnerung immer an Sprache gebunden ist. Das Erlebte wird in Worte gefasst und verfälscht. Zwangsläufig. Erinnerung ist demnach immer eine Art Fiktion. „La mémoire tue les événements du passé“, sagt Jean Portante.
Ganz anders das Vergessen. Es sei rein, unberührt, intakt. Er holt aus, ist bei Fellini und seinem Film „Roma“ angekommen, der – so Jean Portante – den Anstoß für die Entstehung des Buches gab. Warum sei hier nicht völlig verraten, erzählt Jean Portante die Geschichte doch selbst im letzten Kapitel seines Buches, das den Namen „Oubli mode d’emploi“ trägt.
Diese Gebrauchsanweisung ist keine trockene Anleitung, sondern vielmehr eine Sammlung an prosaischen Texten, die mit Wortspielen und Referenzen aus der Literatur dem Vergessen und dem Erinnern eine Sprache geben. Etwa so: „dans souvenir il y a venir sous. Creuser un tunnel. Comme les pelleteuses du métropolitain romain.“

Präzise und poetisch

Doch kleidet man das Vergessene in Worte, verliert es seine Reinheit, seine Unberührbarkeit, es wird neu erfunden, neu erschaffen. Von einem Dichter, der zwar nicht dem Inhalt, aber doch der Form seine Reinheit zurückgeben kann.
Serge Basso, Direktor der KuFa und ebenfalls Schriftsteller, ist ganz angetan von dem neuen Buch seines Kollegen. „C’est bon, c’est Jean“, ist sein Kommentar nach den ersten acht Seiten. Denn eines ist klar, für die Gedichte sollte man sich Zeit nehmen, jedes Wort, ja jeder Buchstabe ist sorgfältig gewählt. Nichts ist dem Zufall überlassen, die Arbeit Jean Portantes ist präzise und poetisch zugleich.
Ein Einblick:

Jean Portante
La réinvention de l’oubli
Le Castor Astra
Juni 2010
15 Euros