Klarinettist aus LeidenschaftWie Stephan Kronthaler vom Solisten in Top-Orchestern zum Handwerker wurde

Klarinettist aus Leidenschaft / Wie Stephan Kronthaler vom Solisten in Top-Orchestern zum Handwerker wurde
Stephan Kronthaler in seiner Werkstatt. Der Musiker repariert Klarinetten und stellt auch eigene Teile her. Fotos: Editpress/Alain Rischard

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Preise auf Landesebene, Engagements in namhaften Orchestern wie dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester und dem City of Birmingham Symphony Orchestra: Stephan Kronthaler verfügt über ein beachtliches Repertoire als Klarinettist. Doch die Zeiten in den großen Orchestern hat er hinter sich gelassen – und stattdessen eine Werkstatt im Familienhaus aufgebaut. Daneben ist er Klarinettenlehrer an der Musikschule der UGDA. Porträt eines Vollblutmusikers mit viel Liebe zum Detail.

Der Name Kronthaler ruft unter vielen Klarinetten-Aficionados sofort Respekt hervor. Er ist mit einem Traditionsunternehmen verbunden, das individuell angepasste Instrumente für Solisten aus weltweit renommierten Orchestern herstellt. Wartezeit: fünf bis sechs Jahre. Der Familienbetrieb aus Karlsruhe hat auch eine Art „Filiale“ in Luxemburg. In Ettelbrück repariert Stephan Kronthaler Klarinetten – von allen möglichen Marken – und baut auch selbst Teile. Sowohl als Handwerker als auch als Vizepräsident der Luxembourg Clarinet Association hat er Pläne für die Zukunft. Doch alles der Reihe nach.

Am Anfang war das Holz

Eine kleine Sammlung alter Klarinetten. Das Modell, das Stephan Kronthaler in der Hand hält, ist ein Nachbau aus Buchsbaum im Stil des 18. Jahrhunderts.
Eine kleine Sammlung alter Klarinetten. Das Modell, das Stephan Kronthaler in der Hand hält, ist ein Nachbau aus Buchsbaum im Stil des 18. Jahrhunderts. Foto: Editpress/Alain Rischard

Mit dem Element Erde beginnt der Klarinettenbau. Die meisten Modelle werden aus Holz hergestellt, in erster Linie Grenadillholz, welches vorwiegend aus Tansania und Mosambik importiert wird. Stephan Kronthaler stellt Ober- und Unterstücke aus ebendiesem Holz in seinem Atelier in Ettelbrück her und zeigt dem Tageblatt ein Modell, an dem er gerade arbeitet. Am Computer werden die einzelnen Details wie die Position und Breite der Tonlöcher in einem 3D-Modell eingegeben, bevor es anschließend in die Werkstatt geht. „Hier bin ich nur für die Holzarbeiten zuständig“, erklärt der leidenschaftliche Musiker. „Die Klappen werden in Karlsruhe eingesetzt.“ Dort befindet sich die Werkstatt seiner Eltern Johanna und Otto Kronthaler. Und dort hat auch der Weg des jungen Stephan, der ursprünglich aus Traben-Trarbach an der Mosel stammt, in die Welt der Klarinettenmanufaktur begonnen.

Als er als Kind mit dem Klarinettenspielen begann, wollte er auch den Dingen auf den Grund gehen. „Ich habe gerne mal Klarinetten auseinander- und wieder zusammengeschraubt“, berichtet er heute. Während seiner Zeit in Orchestern führte sein Weg zu dem Kleinunternehmen in Karlsruhe. Er kaufte dort nicht nur ein Instrument sondern begann auch, in der Werkstatt auszuhelfen.

„Es hat mir sofort viel Spaß gemacht und ich dachte mir nur: Das ist total mein Ding!“ Eine Lehre hat er nie gemacht, stattdessen lernte er viel von Johanna und Otto Kronthaler, machte Praktika und brachte eigene Ideen in den Familienbetrieb. „Das ist eine sehr kleine Manufaktur. Die Nachfrage ist viel größer als das, was produziert werden kann. Aber es ist auch teilweise verrückt“, sagt Stephan Kronthaler lachend. „Meine Eltern bauen nur Klarinetten, bei denen sie zu hundert Prozent dahinterstehen.“ Die Sympathie, die von Anfang an vorhanden war, führte sogar dazu, dass das Ehepaar den jungen Mann adoptierte.

Die Welt der „Winds“

An der Frankfurter Oper lernte Stephan Kronthaler seine heutige Lebenspartnerin, ebenfalls Klarinettistin und heute Lehrerin am „Conservatoire du Nord“, kennen. Im Sommer 2020 zogen die beiden in ein gemeinsames Haus in Ettelbrück, das nun auch die Werkstatt beherbergt. „Zu Beginn machte ich das nur für mich“, sagt Kronthaler heute. „Mit der Zeit merkte ich aber, dass es doch einen Bedarf gibt: wenn beispielsweise bei Schülern der Kork erneuert werden muss. Sie müssen dann nicht mehr nach Luxemburg-Stadt oder Petingen fahren, sondern können es hier im Norden reparieren lassen.“

Einzelstücke mit individueller Gestaltung
Einzelstücke mit individueller Gestaltung Foto: Editpress/Alain Rischard

Seit 2022 ist die Werkstatt für die breite Bevölkerung geöffnet – für jede Person, die Klarinette spielt. Stephan Kronthaler repariert alle Modelle, egal von welcher Marke, aus welchem Material, ob Böhm- oder deutsches System, von der Mi-bémol- bis zur Bassklarinette. Man bemerke schon Qualitätsunterschiede und hochwertige Klarinetten seien eben einfacher zu reparieren, sagt er. Doch bislang habe es noch nichts gegeben, was er nicht reparieren konnte. Nur bei einer Marke gibt er den Auftrag weiter: Kronthaler. Klarinetten von seinen Eltern werden ausschließlich in Karlsruhe repariert.

Auch gängige Mundstück-Modelle und Blätter befinden sich in seinem Sortiment. Allein vom Verkauf dieser Teile könnte er allerdings nicht leben. Zu groß ist die Konkurrenz von Online-Großhändlern, die die Preise extrem nach unten drücken. Gerne wird vom Sterben des Einzelhandels zugunsten internationaler Konzerne gesprochen, doch Stephan Kronthaler hat einen konkreten Vorschlag: „In den USA werden Mindestpreise für Onlinehändler festgelegt. Warum gibt es das nicht in Europa?“

Was fertige Instrumente betrifft, bietet er aktuell in seinem Geschäft nur welche von einer Marke zu kaufen: RZ Clarinets. Das Kleinunternehmen aus Tschechien, das auch am Wochenende bei den Clarinet Days vertreten sein wird, hat Kronthaler nicht nur vom Klang und der Qualität her überzeugt, sondern steht auch für Werte, mit denen er sich identifizieren kann. „Ich weiß, da sitzen Menschen, die das per Hand machen. Das ist mir sympathisch und da stehe ich dahinter.“ Jedes Modell, das in sein Geschäft kommt, wurde im Vorfeld von Milan Rericha, der am Sonntag eine Masterclass halten wird, getestet.

Eisen und Fräsen

 Foto: Editpress/Alain Rischard

Im Arbeitsraum ist das Surren von Maschinen zu hören und überall liegen Klarinettenteile, Zangen, Bohrer. Hier eine Poliermaschine, dort ein Lasergerät. Den meisten Platz nimmt allerdings die industrielle „Rubodrill“-Fräsmaschine in der Mitte des Raums ein. Der zwei Tonnen schwere Koloss kommt in vielen Bereichen wie beispielsweise der Automobilindustrie zum Einsatz und wurde von Stephan Kronthaler sozusagen auf den Klarinettenmanufaktur-Modus getrimmt. Als Tüftler hat er selbstgebaute Teile aus Metall hinzugefügt, die ein Mund- oder anderes Stück in dem richtigen Winkel festhalten, damit anschließend die Löcher an genau den angegebenen Stellen gebohrt werden. Alles minutiöse Arbeit, bei der jedes Detail zählt. Und sie geht noch weiter, wenn nach dem maschinellen Teil beispielsweise Stücke per Hand geschliffen werden. Die Digitalisierung habe einzelne Prozesse vereinfacht, sagt Kronthaler, und eine Präzision erreicht, die von Menschenhand unmöglich wäre. Und doch sei vieles nach wie vor Handarbeit.

Einmal hat es Probleme mit der Fräsmaschine gegeben. Ein Kabel war beschädigt. Einen Spezialisten zu finden, der auch noch von nicht allzu weit weg kommt, ist heutzutage allgemein schwierig. Stephan Kronthaler hat – wie es in seinem Leben schon eher die Regel als die Ausnahme ist – den Schaden selber beseitigt.

Der Fachkräftemangel sei auch in seinem Arbeitsbereich zu spüren. „Es ist schwierig, Menschen zu finden, die so eine fummelige Arbeit machen wollen“, sagt er. Der Beruf des Instrumentenbauers oder -reparateurs kann in Luxemburg nicht erlernt werden, dafür aber in Deutschland, beispielsweise an der Berufsfachschule für Musikinstrumentenbau in Mittenwald. Für ihn habe die Arbeit etwas Meditatives. „Ich finde es ganz entspannend. Oft merke ich gar nicht, wie die Zeit vergeht. Ich freue mich auch immer darauf, etwas in der Hand zu haben. Wenn ich sehe, was ich gemacht habe, und mir denke, ,diese Klarinette wird später im Konzertsaal gespielt‘, bereitet mir das eine unglaubliche Freude.“

Der leidenschaftliche Klarinettist will vorerst in Luxemburg bleiben, auch wenn er sich vorstellen könnte, mal in einem seiner bisherigen Orchester als Vertretung einzuspringen. Heute betreibt er seine Werkstatt, unterrichtet, ist Vater von zwei kleinen Kindern und bezeichnet sich selbst als rundum zufrieden. Aktuell stellt er Mundstück-Prototypen per 3D-Drucker her; Ziel ist es, eigene Modelle in Umlauf zu bringen. Der Name Kronthaler hat eben eine reiche Geschichte.

Anschrift

19a, rue Michel Rodange
L-9061 Ettelbrück
Öffnungszeiten aktuell nur mit Termin
Vereinbarung unter der Nummer 24 81 12 48 oder 621 591 956
www.kronthalerclarinets.com/

Clarinet Days

Die erste Auflage der Clarinet Days findet am 18. und 19. November im Kulturzentrum „Syrkus“ in Roodt-Syr statt. Stephan Kronthaler wird mit einem Stand dort vertreten sein. Los geht es am Samstag um 14 Uhr, am Sonntag sind ein Konzert des Luxembourg Clarinet Choir und eine Masterclass mit den international renommierten Musikern Nathalie Lefèvre und Milan Rericha geplant.

Organisiert wird das Event von der Luxembourg Clarinet Association, die sich vor kurzem neu gebildet hat. Sie wurde bereits 2014 gegründet, anschließend während der Corona-Zeit inaktiv, sagt Stephan Kronthaler. Von ihm stammt auch das Motto der diesjährigen Auflage: „Back to the Reeds“. Die „Reeds“, auf Luxemburgisch „Blietchen“, tragen zur Klangerzeugung bei. Welche Marke, welches Material (Schilfrohr oder Kunststoff) und welche Stärke (zwischen 1,5 und 5,0) am besten geeignet ist, hängt vom jeweiligen Klarinettisten ab. Auch das Mundstück und die Ligatur, mit der das „Blietchen“ befestigt wird, spielen eine Rolle.

Die Vereinigung hofft, dass die Veranstaltung jedes Jahr stattfinden wird. Sie richtet sich an alle Interessierten, ob Anfänger, Fortgeschrittene oder auch Menschen, die das Instrument noch nie in die Hand genommen haben und eventuell damit beginnen möchten.

Weitere Details auf clarinet.lu.