Unterm Rock

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LUXEMBURG - Nach wenigen Sekunden bricht John Malkovich auf der Bühne zusammen, liegt am Boden, zittert. Und bewegt sich nicht mehr.

Es wird nach einem Arzt gerufen, eine Assistentin kommt auf die Bühne gerannt: „John, what happened?“ Das Publikum wird unruhig, wirft sich fragende Blicke zu. Ist das echt oder Spiel?

Es war Spiel. Gut gespielt. Das Publikum war verunsichert. Der Überraschungseffekt entfaltete seine volle Wirkung. Doch leider blieb es den Abend über bei diesem einen Überraschungsmoment. Die folgenden gut zwei Stunden liefen nach Plan – professionell, aber vorhersehbar, schön anzuschauen, aber doch recht unspannend.

Vom Serienmörder zum Massenliebhaber

Natürlich war die Philharmonie restlos ausverkauft. Steht John Malkovich im Programmheft, ist der Sturm auf die Tickets garantiert. Das war bereits letztes Jahr so, als John Malkovich als Jack Unterweger in „The Infernal Comedy“ seine „Bekenntnisse eines Serienmörders“ zum besten gab.
Vom Frauenkiller nun also in diesem Jahr zum Massenliebhaber: John Malkovitch ist Giacomo Casanova. Wie bereits für „The Infernal Comedy“ ist es Martin Haselböck, der die Wiener Akademie dirigiert. Auf dem Programm stehen Mozarts Da-Ponte-Opern. Auch Michael Sturminger zeichnet wieder für Text und Regie verantwortlich. Das Team kennt sich. Und arbeitet gerne zusammen. Das ist zu spüren, denn die Aufführung wirkt abgerundet und harmonisch. Die Künstler spielen und singen perfekt aufeinander abgestimmt.

Um die Stimmbänder Malkovitchs nicht völlig zu überreizen und um ihn dort zu nutzen, wo seine Talente liegen, stellt Sturminger Malkovitch einen zweiten Casanova zur Seite: Den Baritonsänger Andrej Bondarenko, der beinahe ebenso viel humoristisches Talent bewies wie Malkovitch selbst. Die Doppelbesetzung funktionierte reibungslos, zumal auch die wichtigsten Frauenfiguren, vor allem Elisa von Recke, sowohl von einer Schauspielerin (Ingeborga Dapkunaite), als auch von einer Sopranistin (Mertene Grimson) verkörpert wurden.

Die Ausgangsidee ist ziemlich originell: Die Werke zweier Lichtgestalten des 18. Jahrhunderts werden kombiniert: Wolfgang Amadeus Mozart und Giacomo Casanova, die Da-Ponte-Opern des ersten mit den Memoiren des zweiten. Und so fügt sich die Lebensgeschichte des wohl berühmtesten Verführers des 18. Jahrhunderts in Arien aus „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“ ein. Die Aufführung hat eine Kernaussage: Casanova, ein Bürgerlicher, verkehrt schnell mit Männern und vor allem Frauen aus aristokratischen Kreisen. Durch seine Lebensart kämpft er gegen die Bestimmung des Gesellschaftsstandes durch Geburt. „Ein Gentleman ist ein Mann, der Respekt verlangt“. Jeder ist für sich selbst verantwortlich und auch nur sich selbst verpflichtet. „Viva la libertà“, ein Schlüsselsatz aus Mozarts Don Giovanni, ruft Malkovich als alternder Giacomo Casanova ins Publikum.

Alle Zutaten,um aufzugehen

Und so hat das Stück wirklich alle Zutaten, um aufzugehen. Eine „politische“, da Gleichheit verfechtende Aussage, gute Sänger, ein professionelles Orchester mit seriöser Führung, schöne Musik, jede Menge Tüll, genug, wenn auch manchmal etwas platten Witz, ein spannendes Bühnenbild – drei gigantische Rokoko-Überröcke, unter denen sich das Bett, die Schreibstätte und die Garderobe des Frauenverführers befinden – und dazu noch einen Star. Es schadet der Aufführung nicht einmal, dass weder die italienische Sprache noch der Gesang zu Malkovichs Stärken gehören.

Und dennoch bleibt die Aufführung dabei, was man einen netten Abend nennen würde. Sie berührt nicht wirklich. Man verlässt die Philharmonie und kann ohne weiteres zum nächsten Programmpunkt des Abends übergehen.