Und zum Schluss noch Karl Marx

Und zum Schluss noch Karl Marx

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Kaufhauskönig, Patriarch und am liebsten auch noch Karl Marx: Am MittwochHeute wird Mario Adorf 80 Jahre alt. Für seine letzte Wunschrolle kämpft er: den Philosophen aus Trier als Menschen zu zeigen.

Von unserem Korrespondenten Roland Mischke

Bloß keine Jubelfeier! Am 75. Geburtstag stand Mario Adorf abends auf der Bühne, das erschien ihm selbstverständlich. Und besser als ein Defilee von Gratulanten, die ihm die Hand drücken „und einen belügen“, sagt er. Einem älteren Herrn sage man doch nicht die Wahrheit, meint er.

Am Tag genau fünf Jahre später wird er nicht auf der Bühne stehen, aber die von Fernsehmachern angedachte große Adorf-Gala hat er abgelehnt. „Eine grausame Vorstellung“, erklärt er. Natürlich wird im Kreis der Freunde gefeiert, aber „Reden sind nur ganz begrenzt zugelassen“.

In dieser Hinsicht ist der 1930 in Zürich Geborene ganz vom Schweizer Understatement geprägt. Obwohl er doch gern Italiener gewesen wäre, wie sein Vater, den er kaum kennen gelernt hat.

Seit 1954 im Fernsehgeschäft

Nicht für Italien, aber fürs Fernsehen ist Adorf Supermario. Bis heute kommt es nicht an ihm vorbei, an seinem Geburtstag läuft ein Zweiteiler. Die ARD hat den Film „Der letzte Patriarch“ nur für ihn produziert, ein Millionengeschenk, das den Schauspieler rührt. Dagegen vergrämt ihn sein früherer Stammsender ZDF, der nicht mit ihm kommuniziert. Immerhin bringen die Mainzelmänner einige Wiederholungen seiner Filme. Rund 120 hat er gedreht, damit gehört er in die Spitze hochproduktiver Charakterdarsteller.

Er begann als Schurke vom Dienst, war viele Jahre auf diese Rolle abonniert. Er hat als „Winnetou 1“ Notschi getötet, das nahmen ihm Millionen übel. Er war der Böse auch in „Das Mädchen Rosemarie“ und im „Totenschiff“. Seit 1954 ist er im Fernsehgeschäft, er startete mit „Nachts, wenn der Teufel kam“ als Mann mit schwarzen Haaren, dunklem Bart und stechenden glutvollen Augen. Erst als er grau wurde und in die Breite ging, wurde er zum Sympathieträger. Der Neue Deutsche Film entdeckte ihn erst in den siebziger Jahren, die Zusammenarbeit war nicht besonders intensiv.

Mario Adorf beginnt sein neuntes Lebensjahrzehnt, weigert sich aber, schon mal einen Grabstein zu kaufen und darüber nachzudenken, welcher Spruch darauf stehen könnte. „Das ist mir alles nicht wichtig.“ Er glaubt nicht an ein Leben nach dem Tod, hat aber noch eine Hoffnung, gestand er dem Filmkritiker Peter Zander: „Ich werde weg sein, werde vielleicht auch bald vergessen sein. Aber ganz werde ich wohl nicht auszulöschen sein.“

Es wurmt ihn immer noch, dass der Regisseur Andreas Dresen gesagt hat, als er „Wolke 9“ mit unbekannten Schauspielern besetzte: Hätte er den Adorf genommen, hätte dessen Bekanntheit zu viel Raum verlangt. „Das hat mich schon sehr getroffen“, gibt der Mann mit der markanten Stimme zu. Er hat Dresen einen Protestbrief geschickt, er würde gern mit jungen Regisseuren arbeiten.

Marx als Mensch darstellen

Zum Beispiel als Verkörperung von Karl Marx. Seit fünf Jahren befasst er sich mit dem Trierer Philosophen, dem Südwestrundfunk hat er seine Idee mitgeteilt. Doch es tut sich nichts, das ärgert ihn. Er will Marx als Mensch zeigen, weg vom dialektischen Marxisten, den die Kommunisten für sich reklamierten.

Ihm schwebt eine sehr persönliche Geschichte vor: Marx als einer, der Spanisch und Russisch sprach, obwohl er diese Länder nie bereiste. Als Liebhaber von Shakespeare und Cervantes, die er seitenweise auswendig rezitierte. Und dann – ein Jahr vor seinem Tod – seine erste Reise außerhalb Europas, nach Algier. Friedrich Engels hatte ihn gedrängt, dorthin zu gehen, um „Das Kapital“ zu Ende zu bringen. Doch Marx begegnete dem Islam, war fasziniert, brachte es nur zu Notizen.

Adorf will den Freund des Lebens darstellen, der Frauen und Alkohol mochte, Eigentum besaß und bis zuletzt von einer immensen Neugierde getrieben war. Der Mann sei bis zuletzt „lernfähig“ gewesen und habe eigene Fehler zu korrigieren versucht. Das entzückt Supermario, aber ob die TV-Gewaltigen ihm seine letzte Wunschrolle zugestehen werden…?