Alain spannt den BogenTolle Referenzaufnahme aus Luxemburg

Alain spannt den Bogen / Tolle Referenzaufnahme aus Luxemburg

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Bereits 1913 nahm Artur Nikisch zusammen mit den Berliner Philharmonikern die 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven auf, in den 20er Jahren spielte Richard Strauss mit dem Orchester der Staatsoper Berlin ebenfalls die 5. (1928) und die 7. Symphonie (1926) ein, das gleiche Programm wählte auch Arturo Toscanini in seinen frühen Aufnahmen von 1933 bzw. 1936 mit dem damaligen Philharmonic Symphony Orchestra of New York. Die Beethoven-Symphonien gehören also seit Anfang der Schallplattenära zu den beliebtesten Werken der Musikliteratur und kein Dirigent und kein Orchester kommt heute daran vorbei, sein Statement in Sachen Beethoven abzugeben.

Seit den frühen 50er Jahren führt das natürlich zu einer quasi unübersichtlichen Fülle an Aufnahmen und Gesamtaufnahmen, von denen einige natürlich unangefochten Referenzcharakter für sich beanspruchen. Wir denken hier an die unzähligen Furtwängler-Einspielungen, die vier großartigen Gesamtaufnahmen von Herbert von Karajan mit dem Philharmonia Orchestra und dreimal mit den Berlinern, an Klemperers monumentale Klanggewalt, an Toscaninis maßstabsetzende Interpretationen mit dem NBC, an die wenig bekannte, aber hörenswerte Außenseiteraufnahme mit George Georgescu und der Bukarester George-Ensecu-Philharmonie, an die Gesamteinspielungen mit Daniel Barenboim, Claudio Abbado, Michael Gielen, Osmo Vänskä und natürlich Nikolaus Harnoncourt mit dem Chamber Orchestra of Europe. Daneben gibt es natürlich noch viele, viele andere gute Einspielungen, sowie auch sehr viel uninspiriertes Mittelmaß.

Doch kommen wir nun zu unserer hier zu besprechenden Gesamtaufnahme der Beethoven-Symhonien durch die Solistes Européens Luxembourg und Christoph König. Schon wieder eine neue Gesamtaufnahme, werden viele stöhnen. Muss es wirklich sein? Im Falle dieser tollen Produktion von Rubicon (5 CD RCD1036) kann man die Frage nur mit einem eindeutigen Ja beantworten, einer Produktion, mit der sich die SEL nun eine Position auf dem hart umkämpften internationalen Markt erobern wollen. Und die Chancen stehen gut.

Im Gegensatz zu den rezenten klassischen, vollsymphonischen Neueinspielungen eines Andris Nelsons und Herbert Blomstedt geht Christoph König einen ganz anderen Weg und situiert seine Interpretation zwischen einer klassischen Beethoven-Sichtweise und der historisch informierten Aufführungspraxis. Im Konkreten bedeutet das ziemlich schnelle Tempi, ein äußerst flexibles und dynamisches Orchesterspiel, harte Akzente und ungewöhnliche Farbpalette. Und vor allem versteht es König, wundervolle Bögen zu phrasieren und dem Zuhörer seinen Beethoven quasi zu erzählen.

Quasi erzählt

Das schlüssige Interpretationskonzept dieser Gesamtaufnahme besticht und überrascht, wurden diese Symphonien doch innerhalb einer Spanne von zehn Jahren aufgenommen. Jede einzelne Symphonie ist eine Perle und jeder Symphonie vermag es König individuelles Leben einzuhauchen. Sei es bei der augenzwinkernden, vor Leben und Lust strotzenden 1. Symphonie, sei es bei der großartig ausgelegten Zweiten, die ein Musterbeispiel an Expressivität, Klangmagie und Ausgewogenheit ist.

Auch die 3. Symphonie wird im Geiste einer klassischen Wiedergabe interpretiert, während die Vierte, an sich ein Mauerblümchen, gerade durch Königs Interpretation an Plastizität, Schönheit und Präsenz gewinnt. Gut auch die Fünfte, wenn allerdings hier auch kein Aha-Feeling aufkommen will. Mit ihren schnellen Tempi besitzt die 6. Symphonie ihren eigenen Charme, zumal auch hier das Orchester in den schönsten Farben und mit wunderbarer Präzision spielt.

Überhaupt muss man das Spiel der Solistes Européens Luxembourg loben, das in allen Hinsichten europäisches Niveau besitzt und hier auf CD vor allem besser, transparenter und dynamischer klingt, als man es in dem großen Saal der Luxemburger Philharmonie wirklich wahrnimmt. Aussagekräftig und mitreißend dann auch die 7. Symphonie, die von König nach und nach aufgebaut und zu einer bahnbrechenden Apotheose geführt wird.

Die gleiche Sorgfalt wie die Vierte erhält dann auch das zweite Mauerblümchen der Beethoven-Symphonien, nämlich die Achte. Auch hier beweisen König und seine Musiker, dass es ihnen nicht auf eine weitere routinierte Aufnahme der Beethoven-Symphonien ankommt, sondern dass man sich bei jedem Werk die Mühe gemacht hat, den Noten und Phrasen ihren Wert zu geben. Mit hörbarer Freude interpretieren die SEL dieses Werk, das ohne Zweifel zu den gelungensten Einspielungen dieser Box zählt und selbst die renommierten Aufnahmen eines Rattle, Abbado oder Nelsons hinter sich lässt.

Aufnahmetechnisch toll ist die Neunte geworden, bei der man ganz genau hören kann, wo Orchester, wo Chor und wo Solisten platziert sind. Das dreiminensionale Klangbild ermöglicht dann auch maximale Transparenz und kommt Königs dynamischer und extrem spannender Interpretation sehr entgegen. Neben dem lustvoll aufspielenden Orchester begeistern der Choeur de Chambre de Luxembourg im Finalsatz sowie das homogene Solistenquartett mit Genia Kühmeier, Sopran, Anke Vondung, Mezzo, Michael König, Tenor und Jochen Kupfer, Bariton.

Dass diese Gesamtaufnahme der Beethoven-Symphonien so einheitlich, so plastisch, so mitreißend und so dynamisch daherkommt, ist aber nicht nur den Interpreten, sondern vor allem dem Aufnahmeteam um Marco Battistella und Maurice Barnich zu verdanken, die hier zeigen, dass sie auf ihrem Gebiet zu den Weltbesten gehören. Ergänzt werden die live mitgeschnittenen neun Symphonien von Barry Coopers rekonstruiertem Satz der 10. Symphonie und den Ouvertüren Die Geschöpfe des Prometheus, Coriolan, Leonore Nr. 3 und Fidelio. Auch diese Interpretationen bewegen sich auf dem gleichen hohen Niveau. Ohne Zweifel, eine Beethoven-Gesamtaufnahme, die keinen internationalen Vergleich zu scheuen braucht und vielen sogenannten Star-Aufnahmen haushoch überlegen ist.