Mittwoch26. November 2025

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Texas begeistert überraschungslos die Rockhalle

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Seit über 30 Jahren dauert die erfolgreiche Karriere dieser 1986 gegründeten Band nun schon an. Mit dem Erscheinen ihres neunten Studioalbums „Jump on Board“ führte die gleichnamige Live-Tour die Band wieder einmal in unser Land. Und man darf von vornherein mit Fug und Recht behaupten, dass die leider etwas dürftige Menschenkulisse dies mit aufrichtiger Begeisterung aufzunehmen wusste.

Die Vorband Hightre liefert zuerst eine äußerst kurze Show ab, die zudem musikalisch etwas zu stark an Texas erinnert. Daneben zaubern die zwei Musiker mit Synthesizer und Gitarre immer wieder zügig vorgetragene Melodien hervor, um sie zusätzlich mit ansprechendem Gesang gefällig zu begleiten. Die Sängerin gebärt sich jedoch leider zu scheu oder statisch, um ihrer guten Stimme ausreichend Charisma verleihen zu können.

Charismatischer Auftritt

Mit ihrem dynamischen Auftritt setzt die Texas-Leadsängerin Sharleen Spiteri da ganz andere Maßstäbe. Sie feuert das Publikum immer wieder mit ihrer Körpersprache an und bewegt sich dabei rastlos hin und her. Dank ihres schottischen Akzents verströmen auch ihre Ansprachen viel Charme und Lebensfreude. So singen die Zuschauer den Titel  „Every Day Now“ als Dankeschön begeistert mit. Von Anfang bis zu Ende kennzeichnet genau diese gute Stimmung den gesamten Auftritt.

Man muss Sharleen anerkennen, dass sie die Leute sehr persönlich anspricht und mit ihrer markanten Ehrlichkeit eine vertrauliche Liaison mit dem Publikum aufbaut. So erklärt sie zum Beispiel, dass am 7. November im Pariser l’Olympia ihr 50. Geburtstag auf der Tagesordnung steht oder dass sie es nicht fassen kann, wenn die Zuschauer auf der ganzen Welt die Lyrics ihrer Songs mitsingen.
Oder auch dass während eines Geburtshilfekurses irgendein teilnehmender Vater verstörend laut zu stöhnen anfing, bevor sie mit einem „shoout as louud as you can“ wieder die Menge zum Mitsingen anfeuert. Spätestens jetzt ist klar, dass Spiteri das Publikum so wundervoll im Griff hat, dass sie zu jedem gewünschten Moment die Zuschauer dazu bringen kann, ihr dankbar aus der Hand zu fressen.

Viel Gerede

Sharleen redet sehr viel, so viel, dass die Ansprachen insgesamt mehr als eine halbe Stunde von dem 2-Stunden-Konzert in Anspruch nehmen. Doch beim Singen fällt besonders auf, dass sich ihre einzigartige Stimme kaum verändert hat.
Solange Spiteri unter anderem Songs wie „The Thrill Has Gone“ interpretiert, verbleiben die allesamt spielfreudigen Bandmitglieder diskret und unauffällig im Hintergrund. Zudem versüßt sie den Titel mit einer „Are you happy?“-Nachfrage. Dasselbe spricht die Sängerin übrigens mehrmals aus,  so als würde sie alles anstellen, um das Publikum zufriedenzustellen … oder  als würde sie unbedingt gerne besonders gut ankommen. Im Hosenanzug, kombiniert mit Designer-Samt-Sneakers, zieht sie in der Tat eine Show ab, die das Publikum charmieren soll. Locker und chic kommt sie quirlig souverän daher. Doch dabei gebraucht sie immer wieder das F***-Wort, eine Redeart, die definitiv als nervend und unpassend erscheint.

Zu nahe an den Studioaufnahmen

Der Song „In Our Lifetime“ besitzt daraufhin dieses chinesische Notengewand, das man sehr wohl schon von der Studioaufnahme her kennt. Spätestens hier wird klar, dass alle dargebotenen Interpretationen zu nah an den originalen Studioaufnahmen verweilen. Es fehlt an echtem Konzertcharakter, da die Arrangements überhaupt keine Überraschungen hervorbringen. Es klingt immer wie auf der Platte. Die Band scheint wohl keine Variationen zu mögen, oder ist es eher Unvermögen? Auf jeden Fall sind die Schlagzeugbeats fast immer dieselben. Und doch dringt die musikalische Pop-Sauce mit leicht rockigem Touch fortwährend spielerisch und auf gefällige Weise in die Ohren ein.

Doch besonders die Interpretation von „Can’t Control“ plätschert mit einem monoton verhallenden Refrain zu repetitiv dahin. Auch wenn danach mit schöner und druckvoller Stimme eine energiegeladene Al-Green-Coverversion von „Tired of Being Alone“ Rhythm-and-Blues-artig vorgetragen wird, bleibt es wiederum bei einer mit gängigen Arrangements überladenen musikalischen Mindestkost.

Kommerz ohne Schmerz

Diese Band beherrscht halt die große Kunst, mit wenigen Akkorden absolut schmissige Melodien hervorzuzaubern. Obschon alles immer sehr mitreißend klingt, gehen die Gitarreneinlagen oder das Bassspiel tatsächlich nicht über ein Standardniveau hinaus. Und gerade weil die meisten Refrains echte Ohrwürmer sind, tanzen viele Leute sehr spontan und warmherzig drauf los. Und weiter geht es mit demselben Beat und denselben gefälligen Arrangements.
Diese hervorragenden Melodien sind eben echter Kommerz ohne Schmerz. Genauso treffsicher ist die Behauptung, dass noch lange nicht jede Band dieses Können so gut beherrscht wie Texas. Bereits über 40 Millionen verkaufte Alben sind der beste Beweis dafür.

Statische Interpretation

Der Song „Midnight“ wiederum klingt repetitiv, gar rezeptartig, so dass sich der an sich so einzigartige Klangstil der Band hier als langweilig entpuppt. Danach ertönt der Song „On Demand“, weil er anscheinend perfekt zur Spiteris romantischer Gefühlslage passt. Komisch nur, dass bei allen Konzerten genau dieselbe Setlist in derselben Reihenfolge durchgespielt wird. Diese Band mag definitiv keine Variationen! In der Tat begleiten dünngesäte akustische Gitarrenakkorde die gefühlvolle Stimme, um so eine sehr statische Interpretation zu ergeben.

Auch hier fehlt ein engagierteres Live-Feeling, eine lebendig improvisierte Darbietung mit sprudelnden Variationen oder berauschender Virtuosität. Anstelle plätschern hier fortwährend die  zwei gleichen Akkorde bis zum Gehtnichtmehr dahin. Nun werden auf Kommando die Handylichter gezückt und ein angezetteltes „yeah yeah“-Summen strömt aus dem Publikum. Einfachste und zudem aufgedrängte Rezepte erzeugen jetzt eine Begeisterung, die keine Grenzen kennt.

„I Don’t want a Lover“ zeigt anhand eines zaghaften Tastensolos schmerzhaft, dass neben der Solovorstellung der Sängerin keine fremden Solis vorgesehen sind.  Auch halten alle Songs die genormten fünf Minuten penibel ein. Das Publikum wird zum dritten Mal mit Begriffen wie manierlich und respektvoll gelobt … und schon kann Sharleen sich wieder feiern lassen. Nachdem die Zuschauer in den Genuss einer Zugabe kommen, schließt der „Suspicious Minds“-Coversong die Show auf dem Höhepunkt der Stimmung ab. Doch auch dieses melodische „Finale Grande“ täuscht genauso wenig über den musikalischen Mangel an Kreativität hinweg wie der gesamte Auftritt. Im Publikum waren in der Tat nur sehr manierliche Fans.

Christian Schaack