Streit um ein Museum in Paris

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Im Juni sollte das neue Picasso Museum in Paris eröffnet werden. Jetzt wird es wohl September. Der Grund: Die Erben und das Kulturministerium streiten sich.

Anhänger des Künstlers Pablo Picasso müssen weiter warten. Das neue Picasso-Museum wird seine Tore nicht, wie geplant, schon im Juni öffnen können. Das Pariser Kulturministerium gab am vergangenen Sonntag bekannt, dass der Öffnungstermin wegen einer Reihe von „Unwägbarkeiten“ wohl erst der September sein werde.

Der Hintergrund ist kompliziert. Pablo Picasso hatte die Bilder, die sich bei seinem Tod im Jahre 1973 noch in seinem Besitz befanden, dem französischen Staat vermacht. Die Erben Picassos hatten sich darauf geeinigt, ihr Erbe ungeteilt zu lassen und es der Sammlung des Staates hinzuzufügen. Es entstand so eine Sammlung von gut 5.000 Werken, von denen 400 im Hotel Salé im Pariser Stadtviertel Marais ausgestellt werden sollen. Frankreich verfügt so über das größte ungeteilte Erbe eines Künstlers der Moderne.

Seit 2009 ist das Herrenaus „Hôtel Salé“ im Marais in Paris geschlossen. Es soll umgebaut werden. Den Aussagen des Architekten zufolge ist der Umbau fertig gestellt. Gekostet hat er um die 55 Millionen Euro. Ursprünglich vereinbart war zwischen den Erben und der französischen Regierung, dass sich Staat und Museum die Kosten teilen sollten. Das war zu Zeiten von Staatspräsident Nocolas Sarkozy und seinem Kulturminister Frédéric Mitterrand. Zwischenzeitlich gab es Wahlen. Der Sozialist François Hollande ist nun Staatspräsident. Die Kulturministerin heißt Aurélie Filippetti, Lothringerin aus Audun le Tiche, die ihren Wahlkreis in Metz hat. Das Ministerium hat seinen Anteil an der Umbau-Finanzierung von 50 Prozent auf 35 Prozent reduziert und bezahlt nun nur 19 Millionen Euro.

„Madame Picasso“

Die andere Protagonistin heißt Anne Baldassari. Sie verwaltet im Namen der Erben die Hinterlassenschaft des Künstlers und ist Präsidentin des Museums. „Madame Picasso“, wie sie auch genannt wird, hat seit 2009 dafür gesorgt, dass das Geld zusammenkam, um das neue Picasso Museum zu erstellen. Da der Staat nur noch 19 Millionen Euro beisteuerte, sorgte Anne Baldassari dafür, dass durch Sponsorengelder, aber auch durch eine besondere Aktion die gut restlichen 36 Millionen Euro gefunden wurden. Sie stellte eine Picasso Ausstellung zusammen, die um die Welt reiste und deren Eintrittsgelder das Geld zur Restrukturierung des Museums erbrachten. Die Präsidentin des Museums ist seine Seele.

Claude Picasso vertritt die Erbengemeinschaft und stützt Anne Baldassari. Er hat Anfang Mai das kulturelle Frankreich aufgeschreckt. Frankreich, so äußerte er aufgebracht in einem Gespräch mit der konservativen Tageszeitung Le Figaro, würdige seinen Vater nicht, Pablo Picasso sei Frankreich im Gegenteil egal. Der Sohn des Künstlers ist wütend, weil seiner Ansicht nach das Kulturministerium die Eröffnung des neuen Museums für die Werke seines Vaters torpediert. So sollte das Museum vertragsgemäß 40 Wächter einstellen, was bisher nicht geschehen sei.

Der Ministerin wird vorgeworfen, dass sie die Frau, die mit ihren Aktionen das Geld in der Privatwirtschaft gefunden hat, um das Museum umzubauen, nicht länger an der Spitze des Museums sehen will. Im Ministerium wird das bestätigt. Man habe, so eine Äußerung gegenüber der französischen Presse, Frau Baldassari angeboten, sie bis zum Eintritt des Rentenalters weiter zu bezahlen. Die aber will nicht.

Claude Picasso wiederum ist wütend über die Blockade. Er droht nun damit, sein Mandat im Verwaltungsrat des Museums niederzulegen. Würden die Erben dort aber nicht mehr vertreten sein, würde sich die Frage der Werke stellen, die die Erben dem Museum zur Verfügung gestellt haben.

Centre Pompidou und Museum Picasso – ein Museum?

Hinter der Kulisse brodelt die Gerüchteküche. Ministerin Filippetti wolle in Wirklichkeit das Centre Pompidou mit dem Museum Picasso zusammenlegen. Ein Gerücht, das die Ministerin im französischen Fernsehen umgehend dementierte. Wie aber die Personalpolitik im Pariser Kulturministerium läuft, zeigt sich genau am Centre Pompidou. Der Leiter des Centre Pompidou in Metz, Laurent Le Bon, der als ernsthafter Kandidat für die Leitung des Centre Pompidou in Paris galt, wurde von der Ministerin mit öffentlicher Kritik an seiner Ausstellungspolitik in Metz rechtzeitig genug destabilisiert, damit er als Kandidat nicht in Frage kam. Der Name Laurent le Bon taucht nun als Nachfolger der derzeitigen Präsidentin des Picasso Museums wieder auf. Zwar dementiert Le Bon schwach mit der Bemerkung, der Posten sei gar nicht frei, Frau Ministerin aber äußert sich nicht.

Der Streit um das Museum birgt einen Sprengsatz, den die französische Star-Journalistin Anne Sainclair in ihrem Buch über ihre Familie nebenbei aufwarf. Picasso gehört zu den Künstlern, die während der Besatzung von Paris während des Zweiten Weltkrieges im Gegensatz zu anderen Künstlern nicht mit den Nazis kooperierten, sondern sich gegen sie stellten. Nur sein internationaler Ruf rettete ihn vor Verfolgung. Der Satz von Claude Picasso, dass Frankreich seinen Vater nicht würdige, kann daher auch in anderem Sinne verstanden werden.

Manuel Valls auf Kompromisssuche

Premierminister Manuel Valls, der kein Interesse daran haben kann, dass sich bei allen Schwierigkeiten, die die französische Regierung bereits bewältigen muss, nun ein Streitpunkt in der Kultur auftaucht, wird Claude Picasso nun empfangen und mit ihm einen Kompromiss suchen.

Das heißt noch nicht, dass das Museum tatsächlich, wie geplant, im Juni öffnet. Noch gilt die Mitteilung des Kulturministeriums mit Öffnungstermin im September. Mit anderen Worten: Im Sommer, in dem Paris zur Hauptstadt der Touristen wird, bleiben die Pforten des Hôtel Salé weiter geschlossen. Dabei hätten im Sommer eigentlich 5.000 Besucher pro Tag die Werke von Pablo Picasso bewundern sollen.

Helmut Wyrwich/Tageblatt.lu