Kritikerkritik

Kritikerkritik
(Bohumil Kostohryz)

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Das TNL zeigt ein Stück von Eugène Ionesco, versetzt mit den Gedanken von Ian de Toffoli zu der Frage: Wer braucht Theaterkritiker? Die Antwort der Autoren: Niemand.

„L’impromptu de l’Alma“, auf Deutsch mit „Der Hirt und sein Chamäleon“ übersetzt, ist eine bittere Abrechnung von Eugène Ionesco mit der Zunft der Theaterkritiker. In dem Stück aus dem Jahre 1955 setzt sich Ionesco selbst in Szene, und macht sich über die Kritiker lustig.

Der Autor stellt sich dem kritikern, die ihn von oben herab behandeln. (Bild: Bohumil Kostohryz)

„L’impromptu de l’Alma“

Autor: Eugène Ionesco, Ian de Toffoli

Regie: Jacqueline Posing-Van Dyck

Bühne: Christoph Rasche

Musik: Michel Zeches

Mit: Marc Baum, Valérie Bodson, Mathieu Moro, Norbert Rutili, Serge Tonon

Produktion: Théâtre National du Luxembourg

Weitere Aufführungen:

Dienstag, 13. Januar, 20.00

Freitag, 16. Januar, 20.00

Samstag, 17. Januar, 20.00

Sonntag, 18. Januar, 17.00

Der Dramatiker Ionesco bekommt Besuch von drei Kritikern, die ihm beibringen wollen, was eigentlich gutes Theater ist. Er erklärt ihnen seine Art und Weise, zu arbeiten: Er lasse sich von seinen Charakteren treiben, er wisse nie genau, wo es hinführe. Die drei „Weisen“ sprechen dem Autor jedoch das Recht ab, selber zu denken. In ihren Pseudoargumenten widersprechen sie sich permanent und zeigen dabei ihre Ignoranz, etwa als sie sich über den „polnischen“ Autor Shakespeare lustig machen. Ihre Taktik ist einfach: Sie bilden eine gemeinsame Front gegen ihn, indem Sie immer das Gegenteil von dem behaupten, was er sagt.

Am Ende ist der Autor nicht mehr er selbst, sondern wurde – auch äußerlich, durch die Kleidung – den Kritikern angepasst. Die „Lehre“ der drei „Doktoren“ bringe ihn nicht weiter. Anstatt nach vorne zu gehen, läuft er zurück, gemäß ihren Anordnungen, einen Schritt nach vorne und zwei zurück, und findet sich am Ende der Bühne wieder. Seine Haushälterin Marie, Symbol des gesunden Menschenverstandes, öffnet ihm die Augen: Er solle einfach nur er selbst sein.
„L’impromptu de l’Alma“ trägt zwar absurde Züge – immerhin steht Ionesco für absurdes Theater –, doch ist die Kritik an den Theaterkritikern sehr direkt ausgedrückt.

Absurde Kritik

Wer, außer Schriftstellern, nach Lob hungernden jungen Schauspielern und Theaterkritikern, die es lieben, sich selber zu lesen, liest eigentlich noch Theaterkritiken, fragt sich der luxemburgische Ko-Autor Ian de Toffoli im Begleittext des Stückes. „Qui ce soucie encore de ces petits articles unidirectionnels dont les auteurs font penser à des snipers cachés derrière un buisson?“

De Toffoli ist ein Sprachakrobat, doch woher will er das denn nur wissen, wenn er keine Theaterkritiken liest? Außer er liest sie doch, dann ist seine erste Frage sinnlos. Stellt sich zudem die Frage, warum ein Autor wie Ionesco durch die Beifügungen eines zweiten Autors verunstaltet werden muss? De Toffoli hatte wohl Zweifel an der Aussagekraft seines „Kollegen“, dass er glaubte, er müsse seinen Senf dazugeben.
Da Kritiken ja eh nie gelesen werden, könnte ein böswilliger Kritiker an dieser Stelle so richtig vom Leder ziehen. „Grottenschlechte Schauspieler; unter aller Kritik; dass die sich überhaupt auf die Bühne trauen; für so was sollte niemand Geld ausgeben; leihen Sie sich lieber eine DVD mit einer anderen Inszenierung aus; es gibt Angenehmeres im Leben als diesen Abend im TNL.“
Und es soll uns keiner kommen, dies sei nicht die richtige Art und Weise, Kritiken zu schreiben. Alle Meinungen sind verschieden, heißt es in „L’impromptu“. Und deshalb sagen Meinungen nichts über ein Werk aus. Fazit: Sehen Sie sich das Stück selbst an, bilden Sie sich Ihre Meinung. Nur die zählt. Und: Es lohnt sich, denn die obige Kritik ist absurd.