Kinder ihrer Zeit?

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Geöffnete Briefe an Hannah Arendt liegen auf dem Holztisch, dahinter steht eine große Bibliothek mit viel Literatur und noch mehr Philosophie, neben dem mit grünem Stoff überzogenen Sofa steht ein kleiner Schiebetisch mit in Kristallfalschen abgefülltem Whiskey, sicherlich zehn verschiedene Sorten.

Eine Wohnung im New York der sechziger Jahre, nachgebaut im Studio in Bascharage.

Das Blitzlichtgewitter der Fotografen ist nicht verwunderlich, denn wann bekommt man schon einmal ein Dutzend Film- und Fernsehstars vor die Linse – dazu noch gekleidet in Kostümen der sechziger Jahre.

Barbara Sukowa, Axel Milberg, Julia Jentsch

Barbara Sukowa, die Hauptdarstellerin des neuen Films von Margarethe von Trotta, spielt Hannah Arendt, Axel Milberg ihren Ehemann Heinrich Blücher. Julia Jentsch ist dabei, als Sekretärin und Freundin Hannah Arendts, und auch die Luxemburger Schauspielerin Sascha Ley hat in dieser deutsch-französisch-luxemburgischen (Minotaurus Film) Koproduktion eine kleine Rolle abbekommen. Der Film, für den vor allem in Deutschland, aber auch in Israel und eben Luxemburg gedreht wird, soll im Herbst 2012 in die Kinos kommen. Ein Film über Hannah Arendt, die kontrovers diskutierte, sich nur ihrem eigenen Verstand verpflichtet fühlende deutsch-jüdische Philosophin.

Margarethe von Trottas Protagonistinnen entstammen oft der historischen Realität (Rosa Luxemburg, die Enzlin-Schwestern in „Die bleierne Zeit“, „Visionen – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“,…), denn sie interessiert die Frage, wie sich ein Mensch verhält, wenn er historischen und gesellschaftlichen Ereignissen ausgesetzt ist, die er nicht beeinflussen kann. Hannah Arendt ist für sie eine der wichtigsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, der von ihr geprägte Begriff „Die Banalität des Bösen“, für den sie zunächst scharf angegriffen wurde, werde heute wieder verstärkt benutzt, wenn die Verbrechen im Nationalsozialismus erklärt und beurteilt werden sollen.

Da es unmöglich sei, das gesamte Leben Hannah Arendts in einen Film zu packen, hat sich Margarethe von Trotta auf jene Phase im Leben der Philosophin konzentriert, in der sich ihr Weg mit dem von Adolf Eichmann, der für den millionenfachen Mord an Juden verantwortliche SS-Sturmbandführer, kreuzt.

Die Frau hinter der Denkerin

Nachdem Adolf Eichmann vom israelischen Geheimdienst in Argentinien entführt wurde, um in Israel vor Gericht gestellt zu werden, bot Hannah Arend dem amerikanischen Magazin New Yorker an, über den Gerichtsprozess zu berichten. Ihre Herangehensweise an den Prozess und vor allem ihre Sichtweise auf Adolf Eichmann, der von der Allgemeinheit als Inkarnation des Bösen angesehen wurde und den Hannah Arendt aber als mittelmäßigen Menschen entlarvt, der durch absoluten Gehorsam und Autoritätshörigkeit Millionen von Menschen in den Tod führt, hat viele ihrer Freundschaften und ihre akademische Karriere belastet.

Margarethe von Trotta möchte in ihrem Film aber nicht den Prozess in den Mittelpunkt stellen, vielmehr geht es ihr darum, die Frau hinter der Denkerin zu erkunden – ihre Freundschaften zu Hans Jonas oder Mary Mc Carthy und ihre Ehe zu Heinrich Blücher, den sie auf der Flucht in Paris kennen lernte und mit dem sie dann nach New York ging. Viele Szenen spielen in ihrer New Yorker Wohnung, dem Treffpunkt i intellektueller Freunde, die viel tranken, alles rauchten, was brannte und heftig diskutierten. Denn wie sagte so schön Axel Milberg zwischen dem Dreh zweier Szenen: „Keiner wird gerne erzogen.“ Und genau darin liegt die Kraft der Filme von Margarethe von Trotta: Sie vermittelt ihre Botschaft ganz beiläufig, in Alltagssituationen und vermeintlich lustigen Szenen.

Wie Hannah Arendt will auch sie nicht urteilen, sondern verstehen.