Kann Luxemburg punkten?

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Wir stellen neue Musik von vier einheimischen Bands vor

Ohne Rezept

Direkt einmal vorneweg, akustisch gibt es abgesehen von der manchmal etwas holprigen Stimme des Sängers Daniel Balthasar nichts an diesem Album auszusetzen. Ansonsten leistet die sechsköpfige Band, die seit 2003 nun schon sechs Studioalben veröffentlicht hat, eine gute Arbeit.

Dies bedeutet aber nicht, dass das neue Album Presence of Absence einschlägt wie eine Bombe. Auf der Webseite der Band beschreibt diese ihre Musik als eine Mischung aus Rock, Folk und anderen experimentellen Formen des Liedermachens. Diese Definitionen stimmt zwar in den Grundzügen bei den Songs, aber dabei bleibt es auch.

Die Lieder klingen alle ähnlich und unterscheiden sich lediglich wie bei Schlaftabletten in ihrer Dosierung. Manche Songs haben den Versuch von Rock-Ansätzen, andere gehen mal mehr in Richtung Folk. Aber grundsätzlich sind alle elf Titel auf diesem Album eins, nämlich einschläfernd.

Aufgenommen wurde die Platte in den niederländischen „Wisseloord Studios“, in denen unter anderem auch schon die Foo Fighters und U2 ihre Alben produziert haben. Hört man sich Stücke aus den vorherigen Alben von Daniel Balthasar an, die zwar nicht in diesem, aber in ähnlich renommierten Studios entstanden sind, so fällt eines auf.
Der Sound ist an sich immer perfekt und die verschiedenen Instrumente sind klar zu differenzieren, aber jedes dieser Lieder bürgt abgesehen von einem anderen Text wenig Abwechslung. Balthasar und seine Band haben es geschafft, in jedem ihrer Werke eine so starke qualitative Routine einzubringen, dass nicht mehr viel Spielraum für Neues bleibt. Wir sprechen hier von hoher Qualität gefüllt mit Langeweile.

Sollte man sich letztendlich doch für dieses Album entscheiden, so kann man es ohne Probleme im Hintergrund oder zum Abschalten nach der Arbeit hören, doch für mehr reicht es leider nicht. Für einen kleinen Eindruck des doch eingeschränkten Kosmos von zwei Arten von Songs sollte man sich „I Don’t Believe in You“ und „Come What May“ anhören. Hier folgt etwas poppig auf langsam und „balladig“.

Marvin Schieben

If it ain’t broken …?

Ganz als ob der Bandname Programm gewesen wäre, haben Cassée vor einem knappen Monat in den Rotondes ihr letztes Konzert gegeben – zusammen mit Delmar und Tvesla. Letztere haben sich nun nach einer Auszeit wieder zusammengetan – und gehören wie Cassée zu einer ganzen Reihe von instrumentalen Rockbands, die in Luxemburg in den letzten Jahrzehnten Erfolg verbuchen konnten. Wo eine Band wie Mutiny on the Bounty allerdings dem Post- und Mathrock huldigt, versuchen sich Cassée vielmehr an psychedelischem Noiserock.

Ihre zweite EP, schlicht 2017 betitelt, wurde ganz nach dem DIY-Verfahren aufgenommen. Charmant ist ein solches Vorhaben ja allemal, nur klingt die Produktion hier meist dumpf und eintönig. Die Herausforderung bei solchen nach dem DIY-Prinzip funktionierenden Alben liegt halt darin, professionell unprofessionell zu klingen – der Hörer muss den Klang zwar als rau und kantig und etwas schmutzig empfinden, die Scheibe aber trotzdem als produktionstechnisch hörenswert bezeichnen können. Das ist hier nur bedingt der Fall, zudem krachen viele Tracks etwas orientierungslos herum.

So sind speziell die ersten drei Tracks zwar abwechslungsreich, dümpeln aber etwas lustlos über ihre knappe Vier-Minuten-Länge. Der Rückgriff auf grungige Powerchords im Opener „I Have to Move“ lässt die Abwesenheit von Gesang schon arg verspüren – die Kunst instrumentaler Rockbands besteht nun mal darin, die Songs entweder so atmosphärisch oder so vertrackt und dicht zu komponieren, dass kein Platz für Gesang existiert. „Facade“ endet zwar mit einem netten Solo, davor passiert leider kaum etwas und „TKP“ ist gänzlich ideenarm.

Die zweite Hälfte der EP hebt das Niveau glücklicherweise: „No Place to Be“ hat spannende Riffs, auf „Birds“ und „Susan’s Preoccupations“ legt sich trotziger, schiefer Punkgesang von Sängerin Susan über die Noisekulisse. „Ikarus“ schlussendlich schielt in Richtung Postrock, hier zeigen Cassée dann auch ein gutes Händchen für Melodieführung. Schade also, dass die zweite EP bereits das Ende der Geschichtsschreibung der Band bedeutet.

Jeff Schinker

Multistilistisch

Der Jazz-Vibrafonist Pascal Schumacher hat auf seiner neuesten Produktion zusammen mit dem Gitarristen Maxime Delpierre sowie einem Streicher-Trio minimalistische Musik geschaffen, die von elektronischen Soundflächen dominiert wird und bei der Stimmungen und Atmosphären ebenso wichtig sind wie Songstrukturen.

Das Album Drops & Points hat geniale Momente, oder sollen wir sagen „Tropfen“, „Treffpunkte“ oder gar „Nadelstiche“, um bei den Wortspielereien des Albumtitels zu bleiben. Der Song „Bubbles“ beispielsweise beginnt in bester Schumacher-Manier mit einem rasanten, einprägsamen Vibrafon-Intro, taucht dann in Krautrock-Gefilde der analogen Synthesizer ab, als wäre man auf einem 70er-Album von Tangerine Dream gelandet, um schließlich in eine Klavier-Coda zu münden, welche die Melodie des Intros verlangsamt und variiert wieder aufgreift.

Als sehr gelungen bezeichnen darf man auch das von Delpierre komponierte „Waiting Point“, in dem ein Radiohead-lastiges Gitarrenpicking nach und nach elektronisch verfremdet wird, sowie das hypnotische „Drops“, in dem die unmerkliche Steigerung des Themas durchaus als beängstigender Soundtrack eines John-Carpenter-Films à la „Halloween“ durchgehen würde.

Als multistilistisch erweist sich schließlich auch „Drips“, das sich nach elektroakustischen Effekten, Klavier- und Glockenspiel-Tupfern zu einem gewaltigen Brocken aus Ambient-Soundscapes aufbläht, ehe der Track in klassische Kammermusik übergeht – atemberaubend!

Wenn es hier einen Schwach-„Punkt“ gibt, dann höchstens den, dass das Album vielleicht zehn Minuten zu lang geraten ist, denn auf den beiden letzten Stücken passiert nicht mehr sonderlich viel. „Drop my Mind“ klingt wie ein Outtake eines mittelmäßigen Vangelis- oder Mike-Oldfield-Albums, während der abschließende „Tango of Points“ noch mal mit denselben Versatzstücken dieses Elektro-Jazz-Experiments operiert wie bei einigen Nummern vorher.
Doch den Musikern hieraus einen Vorwurf zu machen, hieße, sich auf höchstem Niveau zu beklagen.

Gil Max

Am unpluggedsten

Um es vorwegzunehmen: Dies ist ein schönes Album.

Marc „Coco“ Faber, der sich in der Vergangenheit unter anderem als Gitarrist von Zap Zoo und der Bernie Zeches Band hervortat, hat ein paar tolle Songs geschrieben. Anschließend hat er sich mit seinen beiden Nichten Zoé und Sarah zusammengetan, die am hauptstädtischen Konservatorium eine Gesangsausbildung absolvieren, und die Stücke für Akustikgitarre und drei Stimmen arrangiert.

Unter dem Namen Twincl ist das Material dann im Holtz-Studio in Tüntingen unter der Leitung von Charel Stoltz und unter gelegentlicher Mithilfe des Perkussionisten Serge Kieffer eingespielt worden: sehr schlicht, sehr Lo-Fi. Das funktioniert bei einigen Stücken sehr gut. Vor allem der Hommage an Thierry van Werveke, „I TVW“, tut das karge Arrangement gut; es unterstreicht die Leere, die nach dem Tod des großen luxemburgischen Schauspielers und Sängers entstanden ist. Bei den Windgeräuschen am Ende fehlt eigentlich nur noch ein vorbeirauschender Steppenläufer, der die Trostlosigkeit toppen könnte.

Weitere Highlights sind das von Zoé Faber selbst komponierte „Big Old Cage“, das vom Stil her sehr stark an die britische Formation Shake Shake Go erinnert, sowie das gründlich entstaubte „Pieces of Furniture“, das man aus „Blue Screw“-Zeiten kennt und dem die zusätzliche Cajón den nötigen Drive gibt. Den restlichen Tracks fehlt trotz des hübschen mehrstimmigen Gesangs dann doch irgendwo etwas: eine Mandoline hier, ein paar Takte Klavier dort, bei „Now Then and Until“ vielleicht ein Cello.

Sie klingen, als ob jemand im Studio versehentlich die „Mute“-Taste gedrückt hätte, wie Unplugged-Versionen von Songs, in denen noch viel mehr steckt. Doch das Grundgerüst steht und den Rest kann man ja immer noch nachholen.
Wir warten nach diesem vielversprechenden Beginn sehnsüchtig auf die „Plugged“-Version.

Gil Max