Sonntag16. November 2025

Demaart De Maart

Lust zu lesenJudith Mackrell – „Die Flapper: Rebellinnen der wilden Zwanziger“

Lust zu lesen / Judith Mackrell – „Die Flapper: Rebellinnen der wilden Zwanziger“

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Die Auswahl an Beispielen überrascht, waren Lady Diane Cooper oder Tamara Lempicka deutlich älter als jene, die gemeinhin unter der Bezeichnung „Flapper“ subsumiert werden. Wer waren die Flapper? Ende der 1910er-Jahre wurden in den USA junge, über Bargeld verfügende Frauen von der Konsumgüterindustrie als Zielgruppe entdeckt.

Töchter aus gutem Hause konnten damit ebenso gemeint sein wie Ladenmädchen, deren magerer Lohn gerade mal ausreichte, um sich Schminke, „Rolled Stockings“ und Kinokarten kaufen zu können. Das vor genau hundert Jahren in die Kinos gekommene Filmdrama „Flaming Youth“ machte den Flapper (im Sinne von flatterhaft, leichtsinnig) als neuen Frauentyp populär und aus Schauspielerinnen wie Colleen More, Clara Bow und Louise Brooks Idole.

Eigentlich hätte man diese Stars in einer Publikation über Flapper erwartet, die Autorin Judith Mackrell aber entschied sich für Beispiele jenseits des gewohnten Erwartungshorizonts. Womit sie die Lektüre ihres Buchs „Die Flapper: Rebellinnen der wilden Zwanziger“ zu einem auch spannenden Lesevergnügen macht. Neben Diana Cooper und Tamara Lempicka werden Leben und Wirken von Nancy Cunard, Tallulah Bankhead, Zelda Fitzgerald und Josefine Baker in einer Weise beschrieben, die klar deren ungestümen Freiheitsdrang in einer alles andere als toleranten Welt in den Fokus nimmt. Mahner nutzten das Etikett „Flapper“ als Warnschild, um einer ganzen Generation junger Frauen Drogensucht und Verwahrlosung in Aussicht zu stellen, sollten sie den vor dem Ersten Weltkrieg bereits ziemlich ausgetretenen Pfad der Tugend verlassen. Genützt hat es wenig und es brauchte eine ausgewachsene Weltwirtschaftskrise, um die Flapper oder Garçonnes, wie sie in Frankreich genannt wurden, Anfang der 1930er-Jahre wieder an die Kandare zu bekommen.

Auch wenn die Propaganda jungen Frauen einzubläuen versuchte, dass an Heim und Herd gebundene Mutterschaft der paradiesische Zustand sei, den sie schon auf Erden erreichen können, sollte es nicht zuletzt durch die rabiat veränderten ökonomischen Bedingungen nie wieder so werden wie vor dem Ersten Weltkrieg. Mackrells Beispiele sind allesamt Nonkonformistinnen, welche, außer Josephine Baker, aus wohlhabenden Familien stammten. Sie suchten ihr Glück selbstbestimmt – ihre Leben haben, was Mut und Einfallsreichtum betrifft, trotz aller Verwerfungen, die von Mackrell keineswegs heruntergespielt werden, noch immer Vorbildcharakter. 

Info

Judith Mackrell: „Die Flapper – Rebellinnen der wilden Zwanziger“
Insel-Verlag, Berlin 2022
624 S., 28,00 Euro