Guillotine

Guillotine
(Tom Di Maggio)

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Bastille heißen so, weil Sänger Dan Smith am 14. Juli Geburtstag hat. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt: Ein historisch wichtiger Moment wird im Bandnamen zum persönlichen Merkmal degradiert. Das Konzert in der Rockhal bot nervige Gute-Laune-Songs vom Fließband.

Über was redet man, wenn man ein Bastille-Konzert besucht? Draußen vor der Frittenbude beschwert sich eine Frau über den neuen Job, die Freundin regt sich über die Wucherpreise der Immobilien auf, jemand anderes erwähnt etwas lustlos die letzten Ferien, irgendwo weit weg von hier. Anywhere out of the world, hätte Baudelaire wohl gesagt. Belangloses Zeug, eigentlich. Bastille bieten den perfekten Soundtrack zu diesem trivialen Redeschwall.
Ihre Musik ist eine klebrige Mischung aus abgrundtiefer Banalität und groß aufgelegtem Weltschmerz, mühsam aufgebessert mit einer Zuckerglasur aus Eskapismus und Pomp.

Aber drehen wir das Rad der Zeit etwas zurück. Vor der Show geben zwei Bands sich Mühe, das Publikum etwas in Stimmung zu bringen. Rationale komponieren Musik aus der Dose, über ihre müden Akkorde legt sich manchmal ein ebenso müder Funk, wie man ihn aus schlechten Pornos (ein Pleonasmus, eigentlich) kennt, ein Ausflug in den Dubstep verpufft nach ein paar Sekunden wie ein schlechter Traum.

Dunkle Vorahnung

Zwischendurch bereiten Bastille auf den Pomp vor, es gibt nichtssagende Filmchen, in denen ein kostümierter Mann sich auf einen Fernsehauftritt vorbereitet und die von Auszügen aus Hot-Chip- und LCD-Soundsystem-Alben begleitet werden. Eine dunkle Vorahnung ergreift einen, man kann sich denken, dass Bastille das Niveau dieser Vorbilder nie erreichen werden.

Und dann, kurz vor dem Auftritt, sozusagen als Auftakt oder Intro ertönt „Drove Through Ghosts To Get Here“ von 65daysofstatics grandiosem Album „One Time For All Time“. Der fulminante Mathrock-Song wirkt wie ein Fremdkörper, ist aber eigentlich ein perfekter, aufpeitschender Auftakt für ein Konzert. Jemand hat nur vergessen, die Lichter zu dämmen und den Volume-Regler nach oben zu drehen, so dass der Track am Publikum vorbeiplätschert.
Dann geht’s los. Bastille sind leider diese hartnäckige Eintagsfliege, deren Hitsingles fast zum Interessantesten gehören, was sie produziert haben. Die Erfolgsnummern werden sparsam an strategisch effizienten Momenten des Konzerts gesät, „Things We Lost in the Fire“ kommt in die Mitte, „Pompeii“ wird an den Schluss drangehängt.

Die anderen Tracks klingen ähnlich, nur nicht so zwingend, die Melodien sind weitestgehend austauschbar, manchmal klingen die Synthies nach Klangabfall, den die Editors nicht benutzen wollten („Laura Palmer“). Die schmierigen Balladen („Two Evils“) lassen sogar die späten Coldplay im Vergleich gar nicht mal so übel erscheinen. Bei ein paar Tracks schiebt sich etwas Abwechslung in das monotone Klanggewand von Bastille, gegen Ende übt die Band sich sogar kurz in der Vertonung von Spaghettiwestern. Songs wie „Snakes“ hingegen klingen wie der Soundtrack zu einem Film, den hoffentlich niemand drehen wird.

Massenware

Bastille scheinen sich dessen bewusst zu sein, versuchen deswegen, die Nichtigkeit ihrer Musik durch die Nichtigkeit kleiner Videos, die man sich auf opulent angelegten Schirmen reinziehen kann, zu kompensieren. Dasselbe gilt für die Bühne: Schwulst überall, Sänger Smith hüpft ständig und ermüdend auf und ab wie ein Flummi, eine Brass-Sektion steht meist nur herum und versucht, für gute Stimmung zu sorgen, indem die drei Mitglieder sich einer absurden Gestik, irgendwo zwischen Hip-Hop, Gospel und Sektenmusik, hingeben.

Beim fünften Song wandert Smith durchs Publikum, weil das gut ankommt und auch bei jedem anderen Gig der Tour so war. Er singt dann irgendwo anders in der Halle, weil Bastille glauben, räumliches Umwandern wäre spektakulär oder gar innovativ und würde vom dünnen Songwriting ablenken. Irgendwann sagt Smith dann auch zum Opener des letzten Albums: „Dieser Song ist unglaublich deprimierend, aber er gibt vor, es nicht zu sein.“ Interessant. Daraufhin hüpft unser Sänger wieder freudig auf der Stelle und es folgt ein weiterer, austauschbarer Bastille-Song vom Fließband.
Strategisch ist das eigentlich gar nicht so dumm: Die Band deckt so alle Gefühlslagen ab, „Good Grief“ hat einen traurigen Text für die Mainstream-Melancholiker, eine lustige Melodie für die Mainstream-Wohlfühler, ein jeder kann also theoretisch mit der Musik was anfangen. So deckt man dann geschickt ein großes Zielpublikum ab und zählt nachher den Zaster. Ganz schäbiges Ausmelken von Emotionen ist das, und man müsste sich im heutigen Zeitalter rhetorischer Manipulation eigentlich viel mehr und viel öfters die Frage nach der ethischen Verantwortung der Künstler stellen.

Dass Bastille auf Wikipedia als „Indie-Rockband“ bezeichnet werden, ist eigentlich unverschämt. Wenn Bastille Indie sind, wird McDonald’s gleich unter dem Label Feinkost fingieren.

Apropos Zielpublikum: Musikliebhaber findet man im Publikum allerdings kaum. Hier versammeln sich vor allem Leute, die einfach mal wieder auf ein Konzert gehen, sich unters Volk mischen wollten – ganz gleich wer da eigentlich spielt. „Bastille, das sind doch die mit diesem Hit.“ Yeah, right. Ein paar Ohrwürmer, ein bisschen kollektives Herumspringen und viele Smartphones, die einem ständig die Sicht versauen – um den Moment einzufangen, den man dann natürlich weder genießt, geschweige denn überhaupt mitbekommt.

Hoch anrechnen muss man der Band eigentlich aber, dass sie in dieser homogenen Masse aus immer gleich klingendem Einheitsbrei die verschiedenen Songs selbst noch unterscheiden kann. Ich meinerseits gehe jetzt wieder 65days hören.