KlangweltenDie Mutter aller Blues-Sängerinnen

Klangwelten / Die Mutter aller Blues-Sängerinnen
Branford Marsalis – Ma Rainey’s Black Bottom Soundtrack

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Sie hat alle beeinflusst, die sich je mit dem Blues beschäftigten. Noch Ende der 60er Jahre schrieb ein amerikanischer Kritiker des „San Francisco Examiner“ nach einem Konzert von Big Brother & The Holding Company: „Die dynamischste Stimme unter den Musikern ist die in ein Omakleid gewandete Janis Joplin. Sie singt alles als Blues in der Ma-Rainey-Ida-Cox-Tradition der 1920er Jahre mit einem kleinen Anteil Bessie Smith. Miss Joplin ist eine Freude für einen alten lebenslangen Blues-Fan wie diesen Kritiker.“

Während viele (vor allem weiße) Musiker immer wieder, scheinbar bedenkenlos, von den Pionieren des Blues abkupferten und das anschließend als etwas Eigenes ausgaben (siehe Led Zeppelin), brachte Janis Joplin zeitlebens ihre Wertschätzung gegenüber ihren großen Vorbildern Bessie Smith und Ma Rainey zum Ausdruck.

Letztgenannte wird nun in einem Netflix-Film von George C. Wolfe gewürdigt, für dessen Soundtrack der Saxofonist Branford Marsalis verantwortlich zeichnet. Der Älteste der vier Söhne des Jazz-Pianisten Ellis Marsalis, der im April 2020 im Alter von 85 Jahren an den Folgen des Corona-Virus verstarb, hat seine Aufgabe mit Bravour gemeistert. Er hat zum Teil eigene Filmmusik im Stil der 20er Jahre geschrieben und arrangiert, zum Teil hat er sich mit dem Rainey-Repertoire jener Zeit auseinandergesetzt und passende Stücke ausgesucht – der Plot besteht aus einer Aufnahmesession Raineys im Jahr 1927. Dann hat der Saxofonist und mehrfache Grammy-Gewinner eine Band zusammengestellt und sich auf die Suche nach einer Sängerin gemacht, die der Aufgabe gewachsen sein würde, diese ungemein ausdrucksstarken Bluesnummern zu singen.

Marsalis ist fündig geworden: Die Soulsängerin Maxayn Lewis leiht der Schauspielerin Viola Davis, die die Rolle der Hauptfigur spielt und lediglich eine kurze Version von „Those Dogs Of Mine“ selbst singt, ihre beeindruckende Stimme. Zu guter Letzt hat Marsalis dann die Stücke mit seiner Band eingespielt, den Soundtrack produziert und die Schauspieler so instruiert, dass diese wie wahre Musiker in den 20er Jahren wirken. Dabei ist vor allem der nach Abschluss der Dreharbeiten an Krebs verstorbene 43-jährige Chadwick Boseman in der Rolle des Hornisten absolut verblüffend.

Einige Kritiker werfen Marsalis vor, auf anachronistische Weise spätere Elemente des Jazz wie den Swing in seine Musik eingebaut oder auf das Kazoo verzichtet zu haben, ein Membranofon, das Rainey häufig verwendete, doch diese Vorwürfe sind, mit Verlaub, Bullshit. Die Atmosphäre der Musik sowie das erste Aufbegehren der Schwarzen gegenüber dem Rassismus im Musikgeschäft sind vorzüglich eingefangen, der Rest fällt unter „künstlerische Freiheit“. Schließlich geht es hier nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um die Verfilmung eines Theaterstücks aus den 80er Jahren.

Gil Max

Rating: 9/10

Anspieltipps: Deep Moaning Blues, Ma Rainey’s Black Bottom, Levee’s Song