Die Anti -Idylle

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LUXEMBURG - Alles andere als idyllisch: Das Leben auf dem Bauernhof hat heute längst nichts mehr mit Romantik am Hut.

Die junge Escherin Julie Schroell hat drei Jahre lang an ihrer Dokumentation „De Bauereblues“ gearbeitet, die vom CNA
in Auftrag gegeben und gemeinsam mit Samsa produziert wurde. am Freitag läuft der Film in unseren Kinos an.

Julie Schroell
„De Bauereblues“

Der Film „De Bauereblues“ von Julie Schroell läuft zusammen mit „Mëllech a Botter“, einem restaurierten Dokumentarfilm aus dem Jahr 1939, am morgigen 11. November in unseren Kinos an.

www.utopolis.lu
www.caramba.lu

Frau sucht Bauer. Julie Schroell („E stoarkt Stéck Minette, 100 Joer Jeunesse Esch“) bekam 2008 vom CNA den Auftrag, einen Dokumentarfilm über die Entwicklung der Luxemburger Landwirtschaft in den letzten 100 Jahren zu drehen. Nun ist der Streifen fertig und wurde am Dienstagabend anlässlich seiner Uraufführung im Utopolis in einem fast vollbesetzten Saal 1 – zahlreiche der Gäste anlässlich dieser Premiere waren Landwirte – recht positiv aufgenommen.

Im Vorfeld der Projektion betonte die junge Filmemacherin, dass es kein leichtes Unterfangen gewesen sei, diesen Film zu realisieren.

Komplexes Thema

Einerseits sei die Thematik sehr komplex gewesen und andererseits habe man auch Schwierigkeiten gehabt, Landwirte zu finden, die bei dem Unternehmen mitmachen wollten. Schlussendlich habe sie im Laufe von zwei Jahren bei rund 50 Bauernfamilien gedreht.

Übrig geblieben sind in der definitiven Fassung davon nur noch acht: Vom kleineren Bio-Bauern über den Schweinezüchter, der jährlich 9.000 Stück Borstenvieh dem Schlachter zuführen muss, damit es in der Kasse stimmt, bis hin zum 20 Mann Personal begreifenden Mega-Hof mit vollautomatisierten Melkrobotern und einem Chef, dessen Geschäftsphilosophie derjenigen eines Lakshmi Mittal in nichts nachsteht. Und alle erzählen von den Problemen, mit denen sie zu kämpfen haben, von den Erfolgen ihrer Kühe anlässlich nationaler und internationaler Ausstellungen, vom Verfall des Milch- und des Weizenpreises. Die Welt als globales Bauerndorf, in dem Lebensmittel zu Dumpingpreisen produziert und Bauern zur Massentierhaltung übergehen müssen, wenn sie überleben wollen.

Dazwischen werden immer wieder Szenen aus uralten bis alten Filmdokumentationen und Fernsehsendungen eingeblendet. Man zittert mit einem hilflosen „Hei Elei“-Jean-Octave, der als Prellbock zwischen einem gewissen Mathias Berns – dem Überbauern, der jahrzehntelang bestimmte, was in Sachen Landwirtschaft im Großherzogtum Sache ist – und einem Minister Jean Hamilius, der nicht weiß, wie er Berns kontern soll, sitzt. Man sieht Butterberge und Bauern, die in Brüssel gegen die immer strengeren und komplexeren Regelungen der EU-Oberen auf die Straße gehen. Und man erfährt, wie idyllisch das Leben auf den Höfen vor rund 80 Jahren doch gewesen sein soll.

Substanz

So weit, so gut. Allerdings fehlt es in dem Film, in dem auch viele schöne Landschaftsbilder gezeigt werden, an tiefer gehenden Beispielen. Man hätte sich gewünscht, mehr von der ein oder anderen Familie zu erfahren. Und sieht man einmal von einer Diskussion zwischen dem genannten Bio-Bauern und dem erwähnten Mittal-Typus ab, bestehen die Dialoge in dem Film eigentlich fast nur aus Anekdoten und Witzeleien. Das macht „De Bauereblues“ zwar unterhaltsam und leicht verdaulich, doch fehlt es im Großen und Ganzen irgendwie an Substanz.

Im Vorprogramm des 70-minütigen Werks von Juli Schroell, die auch die Off-Stimme spricht, läuft die 40-minütige Dokumentation „Mëllech a Botter“ aus dem Jahr 1939 von Pierre Bertogne und Alfred Heinen, die vom CNA restauriert und mit Ton unterlegt wurde. Dieser Film, der zum großen Teil in Farbe gedreht wurde, bietet einen guten Überblick über die Milch- und Butterproduktion im Vorkriegs-Luxemburg, als es im Großherzogtum noch etwa zehn Mal mehr Bauernbetriebe gab als heute.