Der coolste aller Greise

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Wie viel Mal kann ein Mann Unsterblichkeit erlangen? Clint Eastwood, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, wird es uns zeigen. Keiner hat sich als Schauspieler und Regisseur so lange im Geschäft gehalten, so viele Hollywood-Meilensteine aufgestellt und solch fulminante Kehrtwenden vollzogen.

Birgit Roschy,
Frankfurt/Main

 

Er wandelte sich vom Super-Cowboy über den Anti-Cowboy zum „Space Cowboy“, vom Macho zum Frauenversteher. Und nachdem er mit Mitte 60 für sein Lebenswerk geehrt wurde, legte er erst richtig los.

1930 in einer Arbeiterfamilie in San Francisco geboren, hat der vitale Veteran zwei Generationen Kinogängern Aha-Erlebnisse beschert. Dabei brauchte der Schulabbrecher eine lange Anlaufzeit als Holzfäller und Schwimmlehrer, bis er beim Film ankam. Und er wäre vielleicht ewig als Kleindarsteller in TV-Serien dahingedümpelt, wären in Europa nicht die sogenannten Italo-Western in Mode gekommen.

Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ 1964, „Für eine Handvoll Dollar mehr“ und „Zwei glorreiche Halunken“ machten ihn erst in Europa und dann in den USA – sein Rückkehrer-Film hieß „Hängt ihn höher“ – zum Star.

Vom Spaghetti- zum Space-Cowboy

Dann folgte ab 1971 mit den „Dirty Harry“-Krimis der zweite Karriere-Streich, mit dem der hagere Haudegen mit den stechenden Augen als brutaler Cop zur Kultfigur wurde. Jahre später behauptete Eastwood, dass Harrys Botschaft nicht „Erst schießen, dann fragen“ lautete, sondern „Es muss jemand gegen die Bürokratie kämpfen!“.

Immerhin: „Es hat einen unglaublichen Spaß gemacht, mit dieser Waffe rumzufuchteln.“ Seine heutigen Probleme mit der Rolle sind ästhetischer Art: „Gewöhnlich möchte ich im Boden versinken, wenn ich mich mit dieser ungeheuren Mähne von damals, den dicken Koteletten und Schlaghosen sehe.“ 1971 drehte er mit dem Thriller „Sadistico“ seinen ersten von bis jetzt 33 Filmen, für die er für Regie und Produktion vier Oscars gewann.

Er inszenierte etwa mit sich selbst in der Hauptrolle 1986 den knallharten Kriegsfilm „Heartbreak Ridge“ über US-Marines auf Grenada. 1992 gewann sein Anti-Western „Erbarmungslos“, in dem er als abgewrackter Revolverheld den Westernmythos demontierte, vier Oscars. Sein romantisches Melodram „Die Brücken am Fluss“ mit Meryl Streep brachte auch hartgesottene Kritiker zum Weinen. Inzwischen gibt es kaum ein Genre, das dieser große Erzähler nicht souverän beherrscht.

Frei von beliebigen Klischees

Seit dem Rentenalter produziert er Highlights am laufenden Band – zum Beispiel den Thriller „Mystic River“, die Altherren-Komödie „Space Cowboys“, die beiden grandiosen Kriegsdramen „Flags of Our Fathers“ und „Iwo Jima“, das Boxerdrama „Million Dollar Baby“, „Der fremde Sohn“ und zuletzt die Nelson-Mandela-Eloge „Invictus“.

Einzige Konstante dieser Werke ist ihre altmodische handwerkliche Gediegenheit. Nie scherte sich Clint Eastwood um Trends. Kritiker schockierte er mal mit Macho-Posen, mal entzückte er sie mit frauenbewegten Dramen. Nebenbei drehte der Jazzfan, der auch Filmmusik komponiert, mit „Bird“ eine gefeierte Hommage an Charlie Parker.

Die Liebe zur siebten Kunst

Männliche Reporter fragen diesen Supertyp, der sieben Kinder und zwei Enkelkinder hat und in zweiter Ehe mit der 35 Jahre jüngeren Journalistin Dina Ruiz verheiratet ist, bei jedem neuen Film unweigerlich, wann er in den Ruhestand geht.

Worauf er stets antwortet: „Ich drehe doch so gern.“ Inzwischen besitzt er als verkörperte Coolness, dessen Fans sich in Krisen fragen: „Was würde Clint tun?“, quasi Yoda-Status. Dabei sind die Anti-Age-Rezepte des Opa-Cowboys simpel: jeden Tag Workout, Bier trinken, aber nicht zu viel, hart arbeiten. „Ich könnte jetzt still dasitzen und mir die Vergangenheit herbeiträumen.“ Aber vielleicht kommt das Beste ja noch.