Nur einen Katzensprung vom Diekircher Bahnhof entfernt liegt das „Bitz- a Kaffi-Haus“: ein kleiner, sonnendurchfluteter Laden am Ufer der Sauer – prall gefüllt mit bunten Stoffen, Knöpfen in allen Größen und Farben sowie weiteren Materialien, die beim Nähen unverzichtbar sind. Doch wie der Name bereits andeutet, handelt es sich nicht nur um einen Stoff- und Nähwarenladen, sondern auch um ein Café mit ausschließlich vegetarischen Mahlzeiten. Besitzerin Winny (56) kennt dieses Konzept aus Flandern, wo sie ursprünglich herkommt. Dort gibt es Fahrradläden mit Caféecken – ein Konzept, das sie 2017 nach Diekirch brachte.

Winnys erster Laden befand sich in der Diekircher „Groussgaass“. Schnell wurde dann jedoch klar, dass dieser viel zu klein war, und so zog das „Bitz- a Kaffi-Haus“ in die lange leerstehende Location neben dem Bahnhof – dorthin, wo sich der Laden heute befindet.
Vom Kirchberg in den Nähladen
Rund 20 Jahre lang arbeitete Winny im Bankwesen auf dem Kirchberg. Als sie sich jedoch den 50 näherte, sehnte sie sich nach einem Tapetenwechsel: „Jetzt ist es an der Zeit, mein eigenes Ding durchzuziehen – etwas, das ich gerne mache, mein Hobby“, sagt sie. Und das ist das Nähen. Dass sie darin Talent hat, zeigt sich auf den ersten Blick: Die bunt gemusterte Bluse, die sie beim Besuch des Tageblatt trägt, ist eine Eigenkreation. Auch die elegante, beigefarbene Hose ihrer Tochter Line (26), die in einer Ecke gerade eine Kundin berät, stammt aus eigener Hand.
Für gewöhnlich trägt jedes Mitglied des dreiköpfigen Teams im „Bitz- a Kaffi-Haus“ ein selbstgemachtes Kleidungsstück – einerseits, weil sie ihre eigenen Kreationen gerne tragen, andererseits als Aushängeschild. So können Besucher direkt sehen, was mit ein wenig Übung möglich ist.

Alle drei im Team – Winny, Line und Nadine (53) – beherrschen sowohl Nähen und Stricken als auch die Gästebewirtung. Doch jede hat ihre eigenen Vorlieben: Winny näht am liebsten, Linn widmet sich gerne dem Stricken und Häkeln, während Nadine vor allem Freude in der Gastronomie findet. Retuschen und Flickarbeiten macht das „Bitz- a Kaffi-Haus“ allerdings nicht.
Im Trend
Einige ihrer Fertigkeiten geben die drei auch in Workshops weiter. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Nähen: Sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene können hier neue Kniffe und Techniken lernen. Die Workshops finden im Laden selbst statt, in einem speziell eingerichteten Bereich gleich neben der Caféecke – umgeben von Nähmaschinen und buntem Zubehör.
Genäht werden dort unter anderem Röcke, Tops, Hosen, Dekoartikel und im Winter sogar Mäntel – „auch ein Hut war mal dabei“, sagt Winny stolz. Obwohl das Nähhandwerk eine Zeit lang etwas in der Versenkung verschwunden war, sei es mittlerweile „wieder total im Kommen“, meint Winny.
Sie hat festgestellt, dass sich sowohl viele Menschen ab 50 nach einer neuen Beschäftigung umsehen als auch jüngere Generationen zunehmend zur Nähkunst finden. Die Marke Fiber Moods, die „trendy“ Muster mit Instruktionen zum Selbstnähen verkaufe, sei dafür ein guter Einstieg. Es gleiche eigentlich „Nähen für Dummies“, scherzt Winny.
Made by … myself

Etwa ein Drittel ihrer Workshop-Teilnehmer seien junge Menschen – und etwa die Hälfte davon mache Nähen später zu ihrem Hobby.
Ein großer Vorteil: Man wisse zumindest, wo die Kleider herkommen und dass sie nicht für einen Hungerlohn – möglicherweise sogar von Kindern – in China, Bangladesch oder anderen Ländern mit vergleichbaren Arbeitsbedingungen angefertigt wurden.
Seit rund drei Monaten bietet das „Bitz- a Kaffi-Haus“ auch Tufting-Workshops (dt.: Tuften) an. Hierbei handelt es sich um eine Technik zur Herstellung von Teppichen mit einer Art Pistole – besonders beliebt bei ihren jüngeren Kunden.
Kein Lokalphänomen
Die Mehrheit seien Frauen – „aber ein paar Männer gibt es schon“, sagt Winny mit einem Schmunzeln im Gesicht. Diese hätten dann meist „etwas ganz Spezielles“ im Sinn, etwa ein Kleidungsstück im Stil von Karl Lagerfeld – oder sie nähen für Damen.
Der Ruf des Ladens scheint bereits weit über Diekirch hinauszureichen. Nicht wenige ihrer Kunden würden aus Luxemburgs Süden stammen, einige sogar von jenseits der Grenze.
Inzwischen sitzen auch Gäste auf der kleinen Terrasse mit Blick auf die Sauer. Sie sind hingegen nicht wegen der Stoffe hier, sondern genießen einfach einen geselligen Moment bei sommerlichen Temperaturen.
Was Sie auch noch interessieren könnte:
– Moderne Sklaverei / „Ich habe schreckliche Dinge gesehen“ – Von Afrika in die europäische Bekleidungsindustrie
– Nach Strich und Faden / Luxemburger erzählen, warum sie Kleidung selber nähen
De Maart



















Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können