Ukraine-KriegZwischen Hoffnung und Angst vor einem Atomkrieg – Ein Luxemburger in Kiew berichtet

Ukraine-Krieg / Zwischen Hoffnung und Angst vor einem Atomkrieg – Ein Luxemburger in Kiew berichtet
Schutz vor Bombenangriff: Daniel M. Porcedda und seine Frau Veronika im Schutzkeller ihres Appartmenthauses in der Peripherie von Kiew Foto: DMP

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Daniel M. Porcedda ist der einzige Luxemburger in Kiew. Seit vergangenem Mittwoch, dem Tag vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, sind wir mit ihm in Kontakt und lassen uns von ihm die Geschehnisse schildern. Eines ist klar: Der 63-jährige Luxemburger lässt sich trotz Fliegeralarm nicht so leicht aus der Ruhe bringen.

Spätestens seit vergangenem Donnerstag herrscht Ausnahmezustand in der Ukraine und in der Hauptstadt Kiew. Schuld daran ist der brutale und vor allem völkerrechtswidrige Einmarsch, der Überfall, der russischen Armee. Putins Krieg aber bringt Daniel M. Porcedda offensichtlich nicht so leicht aus der Fassung. Der 63-jährige Luxemburger, der seit 24 Jahren in Kiew lebt, nimmt’s wie’s kommt, zumindest gibt er den Eindruck: „Was soll, was kann ich tun?“

Am Samstagabend, gegen 23 Uhr, mussten er und seine Familie wegen Fliegeralarm in den Schutzraum ihrer Appartementwohnung. Es handele sich dabei, so schreibt er, um einen an sich ganz gewöhnlichen Keller. „Er ist aber besser, als wir uns das erwartet haben, zumindest ist er sauber und sogar mit einer Entlüftungsanlage versehen.“

Lebensmittel werden knapp

Kurz nach 15 Uhr am Sonntagnachmittag habe er wieder in seine Wohnung gehen dürfen. Nach wie vor, so berichtet er, höre er Explosionen und sehe Rauchsäulen am Horizont. Einzuordnen sei das alles nicht. Das habe ihn und seine Frau allerdings dann auch nicht davon abgebracht, etwas zu schlafen: „in einem normalen Bett“. Etwas anderes ist kaum möglich. Seit Samstag gilt nämlich eine Ausgangssperre ab 17 Uhr bis zum Montag 8 Uhr. Ob sie verlängert wird, weiß Daniel nicht, aber er befolgt die Anweisung.

Am frühen Samstagnachmittag habe er noch im kleinen Laden um die Ecke eingekauft. Ja, natürlich seien mehr Menschen dagewesen als normal, alles sei aber sehr zivilisiert verlaufen. „Es herrschte keine Panik.“ Es sei allerdings klar absehbar, dass die Versorgung mit Lebensmitteln knapper wird, schreibt Daniel. „Einiges fehlt bereits.“

Daniel bleibt trotz alldem hoffnungsvoll: „Wer wären wir, wenn wir uns beklagen würden? Anderen geht es doch viel schlimmer als uns.“ Er denke an die Soldaten, die ukrainischen wie die russischen. Daniel behält, wie gesagt, offensichtlich die Ruhe, was nicht heißt, dass er nicht beunruhigt ist. „Es kommt, was kommt, wir passen uns an.“ Man könnte auch sagen, dass er und seine Familie versuchen, zu überleben.

Gegen 18 Uhr am Samstagnachmittag erreichen wir ihn ein weiteres Mal telefonisch. Mit seiner italienischen Mokka-Maschine bereitet er sich gerade einen Kaffee zu. „Zur Entspannung, Lavazza.“ Calvados habe er noch einen kleinen Rest. Die einzige Flasche Wein im Haus möchte er aufheben – „für bessere Zeiten.“

Angst vor Atomkrieg

Was sagen die Nachrichten in Radio und Fernsehen? Daniel und seine Frau Veronika verfolgen alles. Dass der russische Präsident Putin unverhohlen mit der Atommacht prahlt, eigentlich gleichbedeutend mit einem 3. Weltkrieg, finden sie schlimm, sehr beunruhigend. Dass die Internet-Aktivisten von Anonymous Russland scheinbar den Cyber-Krieg erklärt hätten, begrüßt er: „Da kann sich etwas draus entwickeln, was Gutes.“

Er erzählt auch, dass russische Soldaten – „überwiegend junge Leute“ – laut Medienberichten scheinbar nicht wissen, wo sie sich genau befinden und um was es genau geht. „Dass es um einen wahrhaftigen Krieg geht und dass sie als Feinde angesehen werden, scheinen sie nicht vollumfänglich zu verstehen.“

Daniel erzählt außerdem von einer Mitteilung der ukrainischen Regierung. Diese würde „die menschliche Seite einer Regierung zeigen, die gerade einem Angriffskrieg ausgesetzt ist.“ Es geht dabei um eine Webseite des Innenministeriums der Ukraine, 200rf.com, auf der Fotos und Dokumente der toten und gefangenen Besatzer veröffentlicht werden, damit ihre Angehörigen sie finden können. Es wird auch klar darauf hingewiesen, dass die Gefangenen gut, menschlich, behandelt würden, für ihre medizinische Versorgung sei gesorgt. Das klingt natürlich nach Propaganda. „Aber machen die Russen etwas Ähnliches?“, fragt Daniel, „benehmen sie sich ähnlich human?“

In Kiew ist es kurz vor 21.00 Uhr. „Möglicher Luftangriff. Wir müssen wieder in den Keller“, schreibt Daniel. Was die Nacht und der nächste Tag bringen, weiß keiner. Die Hoffnung aber scheint noch nicht gestorben.