Seit einem Jahr läuft das Pilotprojekt einer Lokalpolizei unter anderem in der Hauptstadt. Haben Sie beide sich freiwillig für die Patrouillen gemeldet – oder wie läuft die Zuteilung?
Joan Zimmer: Wir arbeiten beide im Kommissariat in der Oberstadt. Bei uns kann man sich für die Schichten der Lokalpolizei eintragen – das machen alle, manche lieber, andere weniger gerne. Wichtig ist: Es muss immer eine Lokalpolizei unterwegs sein. Wir achten auf ein gesundes Gleichgewicht und es wird definitiv niemand gezwungen. Ich bin in der Regel zweimal pro Woche als Lokalpolizistin im Einsatz und finde es schön, mit den Menschen in Kontakt zu sein.
Wie verändert das Pilotprojekt Ihren Arbeitsalltag als Polizistin und Polizist?
J. Z.: Diese Proximitätsarbeit gab es bei der Polizei schon immer – im Rahmen der Prävention waren wir auch früher auf Patrouille. Diese existiert im Grunde genommen also schon länger. Nun aber wurde diese weiter entwickelt: Wir sind viel zu Fuß unterwegs, haben mehr Zeit und erfüllen ausschließlich diese Mission.
Angelo Longo: Genau, es ist eine neue Mission dazugekommen, an unserer Arbeit hat sich dadurch aber nichts geändert. Jetzt haben wir acht Stunden, in denen wir uns ganz auf die Aufgaben der Lokalpolizei konzentrieren. Der Vorteil: Das ist den ganzen Tag über unsere Hauptaufgabe und wir werden nicht zur Intervention gerufen. Die Leute sehen dann, dass wir präsent sind.

Wenn Sie als Lokalpolizei ein Vergehen beobachten, verständigen Sie die Kolleginnen und Kollegen – dabei sind Sie es von der klassischen Polizeiarbeit her doch gewohnt, direkt zu handeln. Wie ist das für Sie?
J.Z.: Die Lokalpolizei übernimmt die erste Annäherung und ruft dann die Kollegen dazu. Kürzlich kamen zwei Frauen auf die lokale Einheit zugelaufen, die jemanden beim Stehlen erwischt hatten. Die Lokalpolizei forderte Unterstützung an, legte dem Verdächtigen Handschellen an und übergab ihn im Kommissariat. Danach konnten sie draußen weiterarbeiten. Anfangs musste ich in diese Rolle hineinwachsen: Ich musste mich etwas bremsen und nicht auf alles reagieren, denn man will instinktiv alles selbst machen. Aber es hat geklappt und ist jetzt Teil unserer Arbeit.
Was hat sich sonst noch in Ihrem Arbeitsalltag verändert?
J.Z.: Wir lernen unsere Klientel besser kennen und die Kommunikation wird dadurch einfacher. Wenn wir morgens Leute wecken, um den Zugang zu Gebäuden zu ermöglichen, wissen sie, wer wir sind. Mir ist aufgefallen, dass die Kommunikation ganz anders ist.
A.L.: Von vielen kennen wir die Namen, sie respektieren uns und sind oft kooperativer. So können wir auch ihnen schneller helfen, wenn sie zum Beispiel einen Krankenwagen brauchen. Auch mit den Streetworkern von „A vos cotés“ haben wir jetzt einen besseren Kontakt – sie informieren uns direkt, statt die 113 zu rufen. Außerdem hat sich die Kommunikation zwischen der Polizei und Bürgermeisterin Lydie Polfer verbessert.
Da wir über Veränderungen reden: Sie sitzen hier vor mir mit den neuen Bodycams an der Uniform – wie stehen Sie dazu?
A.L.: Ich finde den Einsatz gut, denn das schützt uns. Es ist eine gute Präventionsmaßnahme: Die Leute überlegen zweimal, wenn sie wissen, dass sie gefilmt werden. Die Bodycam sichert uns sowie Betroffene ab und hilft, Situationen besser einzuordnen. Generell gibt es viele Veränderungen bei der Polizei, ich bin sehr zufrieden.
J.Z.: Ich enthalte mich bei der Frage.
Wie läuft ein typischer Tag bei der Lokalpolizei ab?
J.Z.: Wir starten um 6 Uhr und wecken die Leute. Um 7 Uhr und 15 Uhr treffen wir den „Hondsmeeschter“, da wir auch mit Hunden unterwegs sind – so haben wir die Hundestaffel besser kennengelernt. Morgens sind wir in der Oberstadt, mittags eher in Parks. Wir gehen viel zu Fuß, nutzen aber auch unsere neuen E-Bikes – etwa beim ING Night Marathon. Wir machen alles. Manchmal fragen uns Leute auch nach dem Weg oder Touristen nach einem Foto. Das passiert jetzt öfter und ich finde den Kontakt zum Bürger schön.
A.L.: Es ist ein Mix und nicht immer das Gleiche. Manchmal benehmen sich Obdachlose daneben – dann schreiten wir ein. Wir zeigen Präsenz zur Prävention von Diebstählen, fahren mit der Tram und halten während fünf oder zehn Minuten an kritischen Orten wie dem Hamilius. In der Fußgängerzone bitten wir Radfahrer abzusteigen. Außerdem vermitteln wir bei Konflikten, etwa wegen lauter Musik oder Terrassenstreitigkeiten.
Zum Pilotprojekt und zu den Personen
Seit dem 1. Juli 2024 läuft in Luxemburg-Stadt und in Esch das Pilotprojekt einer Lokalpolizei – inzwischen auch in Differdingen und an der Mosel. Die gelernte Archäologin Joan Zimmer (36) ist seit 2022 bei der Polizei und beim Kommissariat Oberstadt regelmäßig als Lokalpolizistin im Einsatz. Der 31-jährige Angelo Longo kam aus dem Privatsektor und ist seit 2023 fest eingestellt. Mit 18 weiteren Kräften sind sie montags bis freitags von 6 bis 22 Uhr, samstags von 7 bis 21 Uhr abwechselnd und im Schichtdienst unterwegs – im Bahnhofsviertel, Bonneweg, in der Oberstadt und neuerdings auch in der Umgebung des „Funiculaire“. Das Interview mit den beiden fand in Anwesenheit eines Direktionsmitgliedes für die Region Hauptstadt sowie des Kommunikationsdirektors der Polizei statt.
Wie reagieren die Leute heute auf die Lokalpolizei – auch im Rückblick auf die teils aggressive Stimmung bei den Protesten während der Pandemie?
A.L.: Sie sind offen und wir bekommen positives Feedback. Richtig negative Reaktionen gab es eigentlich noch keine. Klar tanzen manche aus der Reihe, vor allem, wenn sie konsumiert haben oder auf Entzug sind. Aber generell haben die Leute Respekt vor der Polizei – Feindseligkeiten oder Hass erleben wir nicht. Die Pandemie war eine Ausnahmesituation und ist nicht mit heute vergleichbar.
J.Z.: Es war extrem. Ich habe damals als Polizistin angefangen und so etwas seither nicht mehr erlebt. Wenn die Leute uns heute in der Straße sehen, nutzen manche die Gelegenheit, um sich für unsere Dienste zu bedanken. Kinder winken uns zu. Auch Menschen, die auf der Straße leben, grüßen uns. Wir sprechen dann kurz mit ihnen und fragen, wie es geht.
Generell haben die Leute Respekt vor der Polizei (…). Die Pandemie war eine Ausnahmesituation.
Der Alltag bei der Lokalpolizei scheint etwas vorhersehbarer. Was machen Sie lieber: Lokalpolizei oder klassische Polizeiarbeit?
J.Z. Für mich gibt es da keinen Unterschied, denn jeder Tag ist anders – das darf man nie vergessen. Egal ob wir als Polizisten oder Lokalpolizei unterwegs sind, müssen wir uns immer neu auf die Situation einstellen. Beim Wecken ist es ja möglich, dass jemand schlecht gelaunt und ganz anders als sonst ist. Die Arbeit darf kein Automatismus werden. Was mir lieber ist, lässt sich schwer sagen. Die Lokalpolizei ist Teil unserer Aufgaben. Manchmal werden wir gefragt, ob wir die „richtige Polizei“ sind – die Leute meinen das aber nicht böse.
A.L.: Man kann nicht sagen: Ich bin Lokalpolizei und weiß jetzt genau, was mein Programm ist – so ist es nicht. Manche denken, wir seien eine besondere Einheit und fragen: „Sind Sie die normale Polizei?“. Ob Lokalpolizei oder nicht – für mich macht das keinen Unterschied. Wir tragen die Uniform, sind Polizisten und bleiben das auch. Ich habe da keine klare Präferenz.
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De Maart

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