Die belgische Küste ist eines der beliebtesten Ferienziele der Luxemburger: Per Auto ist man in knapp vier Stunden dort. Ist jedoch der Weg das Ziel, kann allein schon das „Hin und zurück“ gut drei Wochen in Anspruch nehmen. Vorausgesetzt, man scheut keine Blasen an den Füßen. Mit seiner Aktion „Ze Fouss op d’belsch Plage“ setzte der 30-jährige Oliver Waldbillig aus Lintgen ein Zeichen für klimafreundliches Reisen.
‚Méteo Belgique’ schreibt in seinem Rückblick auf den Sommer 2020: „L’été météorologique 2020 aura été anormalement chaud“ und der August sei sogar der zweitwärmste seit 1833 gewesen. Und genau den Sommer hatte sich Waldbillig für sein Abenteuer ausgesucht: Von Lintgen zu Fuß nach Knokke und zurück. Los ging es am 5. August, zurück zu Hause war Waldbillig wieder am 30. August.
Doch begonnen hatte das Abenteuer nicht sehr gut. Nach nur vier Tagen unterwegs gab er auf – vorerst: Die Sommerhitze – über 30 Grad – setzte ihm wesentlich mehr zu, als er es sich vor Beginn seines Abenteuers vorgestellt hatte. Aber nach nur einem Tag Rast zu Hause entschloss er sich, weiterzumachen: „Ich wollte das nicht auf mir sitzen lassen“, sagt er. Kurzerhand nahm er den Zug nach Brüssel, von wo aus er die Wanderung fortsetzte. Dadurch verkürzte sich die geplante Strecke zwar um 50 Kilometer, am Ende sollten es aber trotzdem noch 750 sein. Für den Hin- und Rückweg hatte er jeweils 12 Tage eingeplant. Bis auf die kleine Unterbrechung am Anfang ging der Plan auf.
Wie kommt man auf solch eine außergewöhnliche Idee?
„Wegen der Corona-Pandemie war ich viel zu Hause, ich wollte aber auch verreisen, wieder rauskommen, mal wieder weg von zu Hause. Ich wollte aber andererseits auch nicht die Umwelt durch eine Flugzeugreise belasten. Man muss nicht dreimal im Jahr weit weg fliegen oder tausend Kilometer mit dem Auto fahren, um schöne Ferien zu erleben. Das geht auch umweltfreundlicher.“ Er habe schon etwas länger mit dem Gedanken gespielt, aber dieser brauchte wohl seine Zeit, bis er reif war. Die Pandemie hat den „Reifeprozess“ offensichtlich beschleunigt. „Es war meine erste Erfahrung einer Langstreckenwanderung, wahrscheinlich ist es mir gegangen wie anderen auch während der Pandemie. Viele Menschen haben ja in dieser Zeit das Wandern für sich entdeckt.“
Turner, Kameramann, Wanderer
Zwei Monate vor Reisebeginn hat Waldbillig mit dem Training angefangen; in der Zeit ist er die gleiche Distanz schon ein erstes Mal gelaufen. Mit guter Vorbereitung kennt sich Oliver Waldbillig aus. Seit seinem 5. Lebensjahr turnte er, zwischen 8 und 23 war er im Nationalkader der Kunstturner; hinter Sascha Palgen war er die Nummer zwei in Luxemburg. Bei den Spielen der kleinen Staaten 2013 in Luxemburg verletzte er sich: Ein Kreuzbandriss bedeutete das Ende seiner Turnerkarriere. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportlern gab es für ihn aber eine andere Welt neben dem Sport. In Köln absolvierte er ein Filmstudium, genauer gesagt eine Ausbildung zum Kameramann. Heute übt er zwei Berufe aus: Einerseits ist er „Steadicam Operator“ („steadicam“ ist ein Schwebestativ), andererseits ist er im Sportbereich aktiv geblieben, und zwar als „Personal Trainer“.
Die Etappen auf seinem langen Marsch variierten in der Länge zwischen 16 und 43 Kilometern. Die jeweilige Distanz hatte mit den Rastmöglichkeiten, aber auch wie schon erwähnt mit der Sommerhitze zu tun. Meistens übernachtete er auf Campingplätzen. Da er auf Nummer sicher gehen wollte, hatte er seinen Platz stets im Voraus reserviert – was aber nicht nötig gewesen wäre, weil sein Zelt meistens das einzige auf den Campings war. Zweimal campte er „frei“. „In Belgien gibt es sehr wenig Plätze, wo freies Campen erlaubt ist. Auf meinem Weg befanden sich zwei solche Plätze, dort gibt es allerdings nichts außer einer Wiese, wo man sein Zelt aufschlagen kann. Um die Etappen besser abzudecken, habe ich auch zweimal in einem Zimmer mit Frühstück übernachtet.“
Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen
„Ich wollte nicht nur umweltbewusst ohne CO2-Footprint reisen, sondern auch auf gesunde Ernährung achten, deshalb habe ich auch viel Gemüse gegessen.“ Das Essen, viele regionale Produkte, kaufte er unterwegs und bereitete es auf einem Campingkocher zu. Solche extremen Fußmärsche kosten natürlich viel Energie, doch abgenommen habe er dabei nicht sonderlich viel. Er habe zwar Muskelmasse abgebaut, aber im Großen und Ganzen nicht viel an Gesamtgewicht verloren, da er reichlich Kohlenhydrate zu sich nahm. „Wenn ich z.B. 500 Gramm Nudeln kaufte, habe ich sie alle auf einmal gegessen, um sie nicht mitschleppen zu müssen, da der Rucksack eh schon mit dem Gepäck 15 Kilo wog.“
Trinken war natürlich besonders wichtig. „An heißen Tagen trank ich bis zu neun Litern Wasser am Tag. Aufgefüllt habe ich die Trinkflaschen auf Friedhöfen.“ Um so viel wie möglich von der Frische des frühen Tages zu profitieren, ist Waldbillig schon morgens gegen fünf, sechs Uhr losmarschiert.
Fußprobleme
Dass das ganze Abenteuer kein leichter Spaziergang war, dafür sorgte nicht nur die Hitze. Fast von Anfang an hatte er mit Fußproblemen zu kämpfen. „Anfangs hatte ich viele Blasen an den Füßen, und ab dem dritten Tag bin ich viel gehumpelt. Ich hatte mir früher einmal beim Turnen den Fuß gebrochen, aus dieser Verletzung hat sich eine Arthrose entwickelt, die ich beim Gehen besonders spürte.“ Zum Wandern trug er hohe, feste Schuhe, „um zu vermeiden, dass ich umknicke“. Mitgenommen hatte er noch ein Paar Turnschuhe, die er zur Abwechslung auf den Campingplätzen trug, und Flip-Flops, um die Duschen aufzusuchen.
Gewandert ist er meistens auf normalen Straßen. „Hätte ich Wanderwege gewählt, wäre der Weg etwa um ein Drittel länger geworden. Ich habe mich deswegen für Landstraßen entschieden, auch wenn das nicht unbedingt die schönsten Wege sind“, sagt Waldbillig. Orientiert habe er sich mit Google Maps, sei aber davon manchmal in die Irre geführt worden. Auf ein richtiges GPS hat er wegen des Gewichts verzichtet.
Auf langen Reisen kommt es oft vor, dass man Kontakte knüpft, doch das war coronabedingt auf seinem Marsch zur Küste nicht der Fall. Allerdings hätten einige Leute ihm angeboten, ihn doch ein Stück in ihrem Auto mitzunehmen – was er aber ablehnte. Nach elf Tagen auf den Füßen erreichte er schließlich Knokke, wo er sich drei Tage Ruhe gönnte, ehe er sich wieder auf den Heimweg machte.
Waldbillig wäre wohl kein Kameramann, wenn er seine eigene Reise nicht gefilmt hätte. In sechs Videoclips („Vlogs“, die man auf Youtube sehen kann) hat er sein Unterfangen im Bild festgehalten. (Einfach nach „Zu Fouss op d’belsch Plage“ suchen.)
Da er mit seinen Abenteuerferien auch ein Zeichen für die Umwelt und das Klima setzen wollte, hatte er zu Spenden für die „Fondatioun Hëllef fir d’Natur“ aufgerufen. Vorige Woche konnte er der Umweltvereinigung einen Scheck über 2.000 Euro überreichen. Anfangs plante er, mit einem Viertel der Gelder die Kosten der Reise zu decken, da aber Anfang September ein Feuer das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos verwüstete, beschloss er, diesen Teil (600 Euro) für die dortigen Hilfsbedürftigen zu spenden.
Er sei schon motiviert für eine weitere Reise zu Fuß, konkrete Pläne habe er aber noch keine. Mit seiner Aktion wollte er andere Menschen dazu bewegen, darüber nachzudenken, wie sie Ferien machen. „Falls mir das geglückt ist, dann habe ich etwas erreicht“, lautet Waldbilligs Fazit.

De Maart

An ech war gescht Owend zu Fouss an de Keller eng Flesch Wein sichen, a wat sot der dann elo??