Montag17. November 2025

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UkrainekriegZerstörte Energieinfrastruktur: Kiew setzt für den Winter auf Gas-Importe aus Griechenland

Ukrainekrieg / Zerstörte Energieinfrastruktur: Kiew setzt für den Winter auf Gas-Importe aus Griechenland
Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis (l.) begrüßt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor ihrem Treffen in der Maximos-Villa Foto: Yorgos Karahalis/AP/dpa

Die Ukraine setzt nach massiven russischen Angriffen auf Energieanlagen auf Gasimporte aus Griechenland. Selenskyj verhandelt in Athen über Lieferungen, während neue Angriffe Tote fordern.

Die Ukraine setzt angesichts ihrer von Russland zerstörten Energieanlagen auf Gas-Importe aus Griechenland. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf am Sonntag zu Gesprächen über Gaslieferungen an sein Land in Athen ein. Zuvor hatte er eine „Umstrukturierung“ in dem von einem Korruptionsskandal erschütterten Energiesektor seines Landes angekündigt. Derweil wurden bei neuen russischen Angriffen in der Ukraine mindestens vier Menschen getötet. Die Ukraine meldete einen Angriff auf eine russische Ölanlage nahe Moskau.

In der griechischen Hauptstadt traf Selenskyj zu Gesprächen mit Regierungschef Kyriakos Mitsotakis zusammen. Das staatliche griechische Gasunternehmen Depa und ihr ukrainisches Pendant Naftogas gaben anlässlich des Treffens die Unterzeichnung einer Absichtserklärung bekannt. Demnach wird Griechenland „für den Winterzeitraum von Dezember 2025 bis März 2026“ Flüssigerdgas aus den USA an die Ukraine liefern.

Die Vereinbarung zwischen Kiew und Athen sei „ein wichtiger Schritt zur Stärkung der regionalen Zusammenarbeit im Energiebereich und der europäischen Energiesicherheit“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der beiden Unternehmen. Ziel sei es, die Ukraine „in einem schwierigen Winter zu unterstützen“.

Selenskyj trifft US-Botschafterin

Bei der Unterzeichnung war neben Mitsotakis und Selenskyj auch die neue US-Botschafterin in Griechenland, Kimberly Guilfoyle, anwesend. Guilfoyle besuchte Selenskyj am Sonntag in der ukrainischen Botschaft in Athen, wie der staatliche Sender ERT News berichtete.

Macron empfängt Selenskyj in Paris

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will am Montag in Paris mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über geplante Sicherheitsgarantien im Fall einer Waffenruhe in der Ukraine beraten. Dabei wolle Macron auch „das Engagement Frankreichs an der Seite der Ukraine bekräftigen“, teilte das französische Präsidialamt mit. Beide Präsidenten wollen gemeinsam den Generalstab der bislang nur auf dem Papier existierenden „multinationalen Ukraine-Truppe“ besuchen. Frankreich und Großbritannien hatten sich für die Entsendung internationaler Soldaten eingesetzt, die im Fall einer Waffenruhe in der Ukraine präsent sein sollen. Frankreich, Großbritannien und Deutschland sind die führenden Kräfte in der rund 30 vorwiegend europäische Staaten umfassenden sogenannten „Koalition der Willigen“ zur Koordinierung der Unterstützung für die Ukraine.

Gas ist die wichtigste Heizenergiequelle der Ukraine. Mit dem Gas aus Griechenland soll die Ukraine besser durch den Winter kommen. Mitsotakis sprach von einer „entscheidenden neuen Dimension“ in den bilateralen Beziehungen und einem „bedeutenden Schritt hin zur endgültigen Energieunabhängigkeit von russischem Gas“. Ihm zufolge fließt das Gas über einen „Energiekorridor“ vom nordöstlichen Hafen Alexandroupolis aus in Richtung Ukraine.

Mitsotakis sicherte der Ukraine laut einer gemeinsamen Erklärung zudem Griechenlands Unterstützung für den Wiederaufbau nach dem Krieg und die Vertiefung der Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung zu.

Ein ukrainischer Soldat steht inmitten der Trümmer von Kostyantynivka, einer Frontstadt in der Donezk Region
Ein ukrainischer Soldat steht inmitten der Trümmer von Kostyantynivka, einer Frontstadt in der Donezk Region Foto: Iryna Rybakova/93. mechanisierte Brigade/AFP

„Immense Herausforderung“

Selenskyj bedankte sich auch bei US-Präsident Donald Trump „für die Tatsache, dass wir nicht nur Erdgas aus Griechenland, sondern auch über Griechenland beziehen können“. Der ukrainische Staatschef betonte, dass der bevorstehende Winter „eine immense Herausforderung (…) für das ukrainische Volk“ sei. Die Vereinbarung mit Griechenland sei daher „ein wichtiger Teil des umfangreichen Energiepakets, das wir für diesen Winter vorbereitet haben“.

Laut Selenskyj hat Kiew Finanzierungsvereinbarungen über Gasimporte im Wert von „fast zwei Milliarden Euro“ abgeschlossen, um die Produktionsausfälle infolge der russischen Angriffe auszugleichen. Diese Summe kommt demnach von der ukrainischen Regierung, europäischen Banken unter der Garantie der Europäischen Kommission, ukrainischen Banken sowie von Norwegen.

Die griechische Hauptstadt bildet den Auftakt einer Europareise, die Selenskyj anschließend nach Frankreich und Spanien führt. Themen in allen drei Hauptstädten werden die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg, weitere Waffenlieferungen des Westens sowie die Energieversorgung sein.

Russland griff zuletzt massiv Energieversorgungs- und Produktionsanlagen in der Ukraine an. Nach Angaben Kiews startete Moskau im vergangenen Monat die schwersten Bombenangriffe gegen ukrainische Gasanlagen seit Beginn der russischen Invasion 2022. Dadurch seien rund 60 Prozent der Produktion lahmgelegt worden.

Sachsen will wieder russische Gaslieferungen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat eine Rückkehr zu Energielieferungen aus Russland gefordert. „Wir müssen die Sanktionen gegen Russland auch aus dem eigenen ökonomischen Interesse betrachten“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). „Unser Interesse muss sein, nach einem Waffenstillstand wieder in Energielieferungen aus Russland einzutreten. Wirtschaftsbeziehungen erhöhen auch unsere Sicherheit.“ Europa brauche Energie zu günstigen Preisen. Russland müsse daher „perspektivisch wieder Handelspartner sein – ohne dass wir in eine neue Abhängigkeit kommen“. Die Parole „nie wieder Russland“ sei falsch.

Umso empörter reagierten die Menschen in der Ukraine auf den jüngsten Korruptionsskandal im Energiesektor des Landes, in dessen Zentrum der Kernkraftwerksbetreiber Enerhoatom und ein Vertrauter Selenskyjs, Timur Minditsch, stehen. Das ukrainische Antikorruptionsbüro (Nabu) hatte Anfang der Woche nach eigenen Angaben ein „kriminelles System“ aufgedeckt, das zur Veruntreuung von umgerechnet etwa 86 Millionen Euro geführt habe.

Korruptionsskandal

Nachdem die Minister für Justiz und Energie im Zuge der Affäre zurückgetreten waren, kündigte Selenskyj am Samstag eine „Umstrukturierung der wichtigsten staatlichen Unternehmen im Energiesektor“ an. Innerhalb einer Woche soll demnach ein neuer Aufsichtsrat bei Enerhoatom eingesetzt werden. Auch werde eine „umfassende Prüfung“ der finanziellen Aktivitäten von ebenfalls betroffenen staatlichen Energieunternehmen vorgenommen, darunter der Betreiber der Wasserkraftwerke des Landes und die Unternehmen für Gasförderung und -transport.

Derweil meldete Russland am Sonntag die Eroberung von zwei weiteren Ortschaften im Süden der Ukraine. Am Vortag hatte die ukrainische Armee nach eigenen Angaben eine russische Ölraffinerie nahe Moskau angegriffen. Behörden im Süden der Ukraine teilten unterdessen mit, dass bei russischen Angriffen am Samstag mindestens vier Menschen getötet worden seien.