Önotourismus. Ein Begriff, der in Diskussionen um unser Projekt „Domaine Tageblatt“ regelmäßig fällt: Reisen in Weinregionen, um Wein dort zu erleben, wo er entsteht, mit allen Sinnen, zwischen Reben, Kellern und den Menschen, die ihn machen.

Domaine-Tageblatt-Newsletter
Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
Bleiben Sie über unsere Erfolge und Misserfolge informiert. Hier geht’s zu unserem Newsletter: Link.
In Frankreich, Italien oder Österreich boomt diese Form des Tourismus. In Luxemburg gibt es Ansätze, aber auch viel ungenutztes Potenzial. Besonders das Thema Übernachten im Weinberg bleibt umstritten. Winzer wie Claude Kox, Henri Ruppert und Guy Krier finden: Es sei Zeit, neu zu denken.

Wenn Claude Kox auf der Terrasse der „Domaine Goldbierg“ steht, reicht sein Blick über Remich bis weit ins Moseltal. Gäste genießen Aussicht, Tarte flambée und Wein. Hier zu übernachten, wäre ein Traum. Kox ist der Idee gegenüber aufgeschlossen, kennt aber die Hürden. Die Geschichte der „Domaine Goldbierg“, über die er nicht gerne spricht, zeigt, wie schwierig es ist, ein kreatives Projekt im Weinberg überhaupt umzusetzen. Dabei hat er konkrete, naturschutzverträgliche Vorstellungen: „Man muss nicht jeden Hügel mit einem Hotel zupflastern. Aber im Weinberg schlafen, müsste doch möglich sein.“
Gesetze sagen Nein
Die Vorstellung ist reizvoll. Wo Weinbau kulturelle Identität prägt, gehört das Übernachten immer mehr zum touristischen Angebot. Auch die Technik ist da: autarke Wasser- und Stromsysteme, rückbaubare Minihäuser, minimale Flächenversiegelung. So funktioniert größtenteils auch der Gastrobetrieb der Domaine Goldbierg.
Doch in Luxemburg zieht der gesetzliche Rahmen eine klare Grenze: Wohnen in der Grünzone ist praktisch tabu. Dabei geht es nicht nur um Romantik, sondern ums wirtschaftliche Überleben. Kleinwinzer wie Kox stehen unter Druck. Vom Weinverkauf allein könne er nicht mehr leben, sagt er. Der Gastronomiebetrieb helfe ihm, das ganze Jahr über Personal zu beschäftigen, in der Küche wie im Weinberg. Wäre es erlaubt, einfache Unterkünfte einzurichten, könnten diese saisonalen Arbeitskräften dienen und in der übrigen Zeit Touristen beherbergen.
Auch Guy Krier, Präsident der Privatwinzervereinigung und Betreiber der Domaine Krier-Welbes, denkt weiter: Er kann sich Ferienwohnungen in seinen alten Kellern vorstellen. Der Standort in Ellange liegt nicht in einem Naturschutzgebiet, die Umsetzung wäre schnell machbar. Generell müssten Weinbau, Gastronomie und Tourismus stärker zusammen gedacht werden, meint er. Luxemburg hinke hinterher. Zu viele Bremser, zu wenig Mut. Der Weinbautisch vergangene Woche habe ihn optimistisch gestimmt: Die Regierung wolle Winzer künftig besser dabei unterstützen, sich an den Markt anzupassen und verhindern, dass weitere Rebflächen brachliegen.

Das Hauptargument der Gegner bleibt der Landschaftsschutz. Der Weinberg dürfe nicht zum Feriendorf werden. Henri Ruppert aus Schengen winkt ab. Man solle nicht jeden Grashalm umdrehen. Ruppert denkt groß: Seilbahn, Golfplatz, Hotels im Dreiländereck. Ökologische Methoden lehnt er nicht ab, aber er fordert Spielräume und Mut. Im Übernachtungsbereich sieht er großen Handlungsbedarf. Vor allem wegen des Fahrradtourismus: Schon heute seien viele Radfahrer an der Mosel unterwegs. „Und es werden mehr, wenn das Velodrome in Mondorf fertig ist.“ Er verweist auf das Kamptal in Österreich. Dort entstanden in den letzten zwanzig Jahren drei Hotels mitten in den Reben, trotz Naturschutz. „Es war nicht einfach, aber es funktioniert.“

In Luxemburg hingegen stockt vieles in der Bürokratie: Zuständigkeiten sind unklar, Genehmigungen langwierig, das Umweltministerium blockiere Projekte, sobald sie nach „kommerzieller Nutzung“ klingen.
Kox erzählt, dass seine Weinstube nicht „Weinstube“ heißen dürfe. Zu einladend, zu gemütlich. In einer Zeit, in der alle von Nachhaltigkeit sprechen, wirken solche Argumente kleinlich. Denn viele Winzer fragen sich, wie sie von dem leben sollen, was alle so gerne bewahren möchten.
Politischer Wille fehlt
Am Ende geht es um eine Grundsatzfrage: Wie gehen wir mit unserer Landschaft um und mit denen, die sie pflegen? „Es geht nicht darum, dass jeder ein Chalet baut. Aber wir müssen flexibler arbeiten können“, so Kox.
Flexibilität. Das Wort taucht immer wieder auf. Gemeint ist: nicht alles erlauben, aber vieles ermöglichen. Smarte, kleine Lösungen statt massiver Eingriffe. Kein 100-Zimmer-Hotel, keine Parkplätze im Steilhang, keine Disko. Aber ein Bistrot mit Wanderpfad. Ein Tiny House unter Sternen. „Das Angebot schafft die Nachfrage“, sagen Kox, Krier und Ruppert. Wer die Mosel touristisch beleben will, braucht keine Hochglanzbroschüre, sondern ein Glas Wein, ein Bett und einen Himmel darüber.
Was fehlt, ist politischer Wille. Klar, es braucht Regeln. Aber vor allem braucht es ein Bekenntnis: Dass der Weinberg mehr sein darf als ein Produktionsort. Dass Tourismus nicht automatisch Massentourismus bedeutet. Und dass Winzer nicht nur Erzeuger, sondern Gastgeber sein können – und wollen.
Ein neues touristisches Nutzungskonzept für die Mosel wäre ein Anfang. Mit klaren Kriterien für landschaftsverträgliche Architektur. Und mit Mut.
Tipps und Feedback
Wollen Sie uns bei unserem Projekt unterstützen, uns Tipps und Feedback geben, dann kontaktieren Sie uns über unsere Facebook-Seite oder per E-Mail an [email protected].
De Maart





Was soll das ?? Wohnen wo der Wein wächst. Es gibt schons
manch Gebäude die in den Weinbergen gebaut wurden,
eine Vergewaltigung der Natur in der Weinlandschaft,
absolut lächerliches Getue "Weintourisnus"
"klaren Kriterien für landschaftsverträgliche Architektur. Und mit Mut."
Si, si, einmal kurz runter nach Volterra und sich eine Nase voll Agriturismo holen.
Und Preise schön flach halten, wie mancherorts dort, bitte.