Dienstag21. Oktober 2025

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Interview mit US-Botschafter Randy Evans„Wir, das Volk, bestimmen den Präsidenten“

Interview mit US-Botschafter Randy Evans / „Wir, das Volk, bestimmen den Präsidenten“
Das enge Resultat in den Vereinigten Staaten zeigt, dass beide Seiten ernst genommen werden müssen, sagt US-Botschafter Randy Evans Foto: Editpress/Alain Rischard

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„Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben“, wiederholt US-Botschafter Randy Evans immer wieder. Es ist Donnerstagabend, kurz vor 18 Uhr, als der Diplomat das Tageblatt in seiner Residenz zum Interview empfängt. Seit Stunden scheinen die Resultate festgefroren. Der Herausforderer Joe Biden führt bei den Wahlmännern, Präsident Trump liegt in den wichtigen „Swing States“ knapp vorn. Ein Sieger ist zu diesem Zeitpunkt nicht in Sicht. Eines aber weiß auch der Botschafter: Diese Wahlen werden das Land verändern.

Tageblatt: Herr Botschafter, was für ein Wahltag! Wir erleben wohl gerade „democracy at work“, wie die Amerikaner zu pflegen sagen …

Randy Evans: Absolut. Das ist ja das Schöne an einer demokratischen Republik: Den Teil mit den Wahlen, den nehmen wir sehr, sehr ernst. In manchen Ecken dieser Erde wird der Sieger immer noch von nur einer Handvoll Leute bestimmt. Doch ein Blick in unsere Unabhängigkeitserklärung sagt alles: „We, the people“, heißt es dort. Wir, das Volk, bestimmen den Präsidenten.

In manchen Staaten fordert dieses Volk, die Auszählung zu stoppen. In anderen Staaten wiederum soll jede Stimme zählen. Ähnlich sieht es auch der Präsident, der in seiner ersten Ansprache in der Wahlnacht noch den Sieg für sich beansprucht hat. Was steckt hinter dieser Taktik?

Wichtig ist, dass wir alles richtig machen! Fehler können wir uns nicht erlauben. Deshalb muss man auch sicherstellen, dass die Regeln feststehen und sich jeder daran hält, bevor das endgültige Resultat feststeht. Andernfalls sieht es aus, als wäre man ein schlechter Verlierer, wenn man das Ergebnis im Nachhinein noch anzweifelt.

War Präsident Trumps Beanspruchung des Wahlsieges nicht etwas voreilig?

Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen, will auch nicht spekulieren. Doch er kennt die Zahlen, er war draußen, bei den Leuten. Ich bin wirklich der Meinung, dass er glaubt, diese Wahl gewonnen zu haben. Im Endeffekt haben wir ein ausgefeiltes System der Gewaltentrennung, das in solchen Fällen als Kontrollmechanismus greift. Der amerikanische Präsident ist einer der mächtigsten Menschen der Welt: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass uns bei der Wahl dieses Amtes keine Fehler unterlaufen. Deshalb sollte man dem Prozess vertrauen. Wer anschließend noch Zweifel hat, kann seine Sorgen oder Bedenken immer noch äußern. Die Gerichte werden sich dem schon annehmen. Wer aber diese Bedenken ignoriert, dürfte wohl mehr am Resultat interessiert sein als am demokratischen Prozess.

Ihre Heimat, der Bundesstaat Georgia, spielt inzwischen eine entscheidende Rolle …

Georgia gehört schon seit mehreren Wahlzyklen zu den sogenannten „Battleground states“. Ich bin eigentlich nicht überrascht, dass das Rennen so eng ist. Natürlich wäre es mir lieber, meine Heimat hinterlässt einen guten Eindruck. Deshalb hoffe ich, dass uns dort keine Fehler unterlaufen. Die Präsidentschaft wird aber nicht in einem einzigen Staat entschieden. Wird es dennoch zu eng, ist es Aufgabe der Gerichte oder des Kongresses, im Januar über die Stimmen des „Electoral College“ zu befinden.

Ein komplizierter Prozess …

Wissen Sie, außerhalb der USA glauben viele Menschen, dass wir nur unsere Stimme abgeben und … voilà … schon haben wir unseren Präsidenten! So einfach ist es aber nicht. Genau daran sieht man wieder die Weitsicht der Gründerväter: Dieser Job ist so wichtig, dass gleich mehrere Schutzschichten und Kontrollmechanismen im Wahlprozess eingebaut wurden. Ich weiß, dass viele Menschen ungeduldig werden, weil es so lange dauert. Doch bei den Wahlen im Jahr 2000 – Bush vs. Gore – wurden die Stimmen noch im Dezember ausgezählt.

US-Wahlen sind traditionell eng, habe ich das Gefühl. Dieses Mal aber wird es wirklich knapp, egal wie das Resultat ausfällt. Fördern diese Wahlen wieder die Kluft zutage, die innerhalb der Bevölkerung herrscht?

In Florida haben vor 20 Jahren weniger als 1.000 Stimmen den Ausgang der Präsidentschaftswahlen entschieden. Wir hatten bereits Wahlen, bei denen kein Teilnehmer die nötige Zahl an Wahlmännern erringen konnte. Jeder Wahlzyklus ist anders. Der Unterschied dieses Jahr? Viele dachten, die Sache wäre bereits gelaufen. Viele Beobachter gingen von einem Erdrutschsieg des ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden aus. Ich will aber fair bleiben: Auf der Gegenseite gab es ähnliche Erwartungen für Präsident Trump. Dass es dann aber so eng wurde, hat viele Menschen überrumpelt. Abzuwarten bleibt nur, wie die letzten zwei Tage das Narrativ nun verändern werden …

Ich bin ganz Ohr …?

Bei einem solch engen Fifty-Fifty-Resultat darf man die Gegenseite nicht ignorieren. Wer die Präsidentschaft um nur einen Prozentpunkt verpasst, muss ernst genommen werden. Und das gilt für beide Seiten, wie auch immer der Sieger heißt.

Gehen Sie ernsthaft davon aus, dass Präsident Trump auf die Gegenseite eingehen wird, sollte er diese Wahl gewinnen?

Leider kann ich nicht in die Zukunft blicken. Ich denke schon, dass sich etwas ändern wird. Trumps Wahlsieg vor vier Jahren war für viele Beobachter nur ein Zufallstreffer. Auch dieses Jahr haben nur die wenigsten den Präsidenten auch wirklich ernst genommen. Und sehen Sie sich das Rennen nun an. Ein Sieg wäre sicherlich ein Statement. Gleiches gilt auch im Fall einer Niederlage. Wie das Resultat das Narrativ ändern wird? Kann ich nicht sagen. Allerdings tut sich derzeit etwas, das den nächsten vier Jahren einen Stempel aufdrücken wird.

Sie kennen Präsident Trump persönlich, nennen ihn einen Freund. Kennen Sie auch den Vizepräsidenten?

Natürlich! Ich habe 15 Jahre lang im Kongress gearbeitet. Joe Biden saß während dieser Zeit im Senat. Ich habe schon einige Präsidentschaftswahlen miterlebt. Doch selten war das Interesse so groß wie dieses Jahr. Ich wiederhole mich: Wir dürfen uns keinen Fehler erlauben. Weder die Freiwilligen in den Wahlzentralen dürfen sich irren noch die Bundesstaaten, die Wahlmänner, der Kongress oder die Gerichte. Schließlich handelt es sich um eines der wichtigsten Ämter der Welt.

Und wie sieht Ihre Zukunft aus?

Ich habe absolut keine Ahnung. Ich werde weiter morgens aufstehen und meine Liste mit Projekten abarbeiten. Ich werde einfach meinen Job als US-Botschafter tun. Wenn der Tag kommt, an dem ich Abschied nehmen muss, hoffe ich, dass die Luxemburger zurückblicken und sagen: „Weißt du was? Der Kerl war in Ordnung!“

jung luc
7. November 2020 - 11.11

Bleibt zu hoffen, dass die USA den schlechtesten Präsidenten seit dem 2. Weltkrieg abwählen.
Auf die USA schaute ich mein ganzes Leben mit Respekt, aber Respekt haben die USA seit 4 Jahren in der ganzen Welt verloren.

HTK
7. November 2020 - 9.07

Das Volk? Ich dachte es seien die Wahlmänner!?