Ein Escher muss nach MerschWie Umsiedlungen Flüchtlingen das Leben erschweren

Ein Escher muss nach Mersch / Wie Umsiedlungen Flüchtlingen das Leben erschweren
Am 19. Dezember wurde die Unterkunft für Geflüchtete im ehemaligen Ediff-Gebäude in Monnerich geschlossen Foto: Luc Laboulle

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Filimon hat zweieinhalb Jahre im Monnericher Flüchtlingsheim an der Grenze zu Esch gelebt. Nach der Schließung der Unterkunft vor zehn Tagen wurde er nach Mersch verlegt. Mit dieser Umsiedlung droht nun sein soziales Umfeld, das er sich in Esch aufgebaut hat, zusammenzubrechen.

Am Donnerstag, 19. Dezember, wurde die Unterkunft für Geflüchtete im ehemaligen Ediff-Gebäude in Monnerich nach fast drei Jahren Betrieb endgültig geschlossen. Über 100 Menschen waren zeitweise dort untergebracht. Zu Beginn hatten die neuen Bewohner ein Unsicherheitsgefühl im nahe gelegenen Escher Stadtviertel Lallingen ausgelöst. Nach einer Bürgerversammlung im April 2017 legten sich die Ängste.

Wie die meisten Flüchtlingsheime war die frühere Schule als provisorische Unterkunft gedacht. Nach der Eröffnung der neuen Einrichtung am Quai Neudorf in Esch sollte sie geschlossen werden. Als diese im August 2019 in Betrieb genommen wurde, wohnten in Monnerich noch rund 60 Geflüchtete. Von diesen 60 Bewohnern seien 31 in andere Unterkünfte umgesiedelt worden, erklärt das „Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“ (OLAI), das die meisten Flüchtlingsheime in Luxemburg verwaltet. Einige von ihnen seien in das neue Heim im Escher Neudorf gezogen.

Der 22-jährige Filimon gehörte nicht zu denen. Zweieinhalb Jahre hat er in Monnerich gewohnt. Am Anfang hatte er Schwierigkeiten, sich an Luxemburg zu gewöhnen. In seinem Heimatland Eritrea war er nur kurz zur Schule gegangen. Umso schwieriger fiel es ihm, nach seiner Ankunft in Luxemburg die neue Sprache Französisch zu lernen. Im Heim hatte Filimon nur Kontakte mit anderen Geflüchteten. Er fühlte sich isoliert.

Dann lernte er Stefan Guden kennen. Der 27-jährige Sozialwissenschaftler hat vor rund zwei Jahren den Fußballverein FC Esch United gegründet. Mit dem Projekt wollte er einen eigenen Beitrag zur Integration  leisten. 15 bis 20 Spieler kommen inzwischen regelmäßig zum Training. Filimon hatte Spaß am Fußball und lernte neue Leute kennen. In Stefan Guden fand er eine Vertrauensperson, die ihm auch bei Fragen jenseits des Fußballplatzes half. Filimon gewann neue Freunde, unter ihnen auch alteingesessene Escher. Durch den Fußball hat sich sein Selbstwertgefühl gesteigert. Sein Französisch wird langsam besser. „Er fühlt sich inzwischen in Esch zu Hause“, erzählt Stefan Guden. Er habe sich im Süden einen kleinen Freundeskreis aufgebaut und Orte gefunden, an die er sich zurückziehen kann.

„Zwei Jahre harte Arbeit sind umsonst“

Vor etwa zwei Wochen hat Filimon vom Sozialarbeiter der OLAI erfahren, dass er in die rund 50 Kilometer von Esch entfernte Gemeinde Mersch umgesiedelt wird. Offenbar kommt er dort in die Erstaufnahmeeinrichtung, die in der früheren Zählerabteilung der Cegedel eingerichtet wurde. Wieso gerade Mersch und wie lange er dort bleiben soll, weiß weder Stefan Guden noch Filimon selbst. Beide können diese Umsiedlung nicht nachvollziehen. Laut OLAI seien die Bewohner aus dem Monnericher Ediff-Heim im Juni 2019 mündlich darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Unterkunft schließen wird und sie sich nach Möglichkeit eine alternative Unterkunft suchen sollen. „Ich weiß nicht, ob sie ihn tatsächlich nicht im Vorfeld informiert haben, dass er nach Mersch kommen soll, oder ob er sie einfach nicht verstanden hat“, sagt Stefan Guden. Beides wäre bedauerlich.

In Mersch hat Filimon keine sozialen Kontakte und keine Bezugspersonen. Um zum Training des FC Esch United in die Sporthalle in der Dellhéicht-Schule oder auf den Fola-Sportplatz in Lallingen zu gelangen, müsste er einen langen Anfahrtsweg in Kauf nehmen. Weil das Training oft bis 22.00 Uhr dauert, wäre er erst um Mitternacht mit dem Zug wieder in Mersch. „Zwei Jahre harte Arbeit sind umsonst“, bedauert Stefan Guden. Er hätte es bevorzugt, wenn Filimon in die Unterkunft am „Quai Neiduerf“ hätte ziehen können. Es hätte seinem Schützling das Leben wesentlich erleichtert.

Doch das neue Escher Heim ist nur vier Monate nach seiner Eröffnung offenbar schon komplett ausgelastet. 136 der insgesamt 150 Betten seien belegt, bestätigt das OLAI. Aus Gründen der Sicherheit und der Organisation werden fast nie sämtliche Betten besetzt. In ein Vierbettzimmer mit einer dreiköpfigen Familie kann beispielsweise nicht noch ein Fremder einziehen.

Das OLAI ist gesetzlich nur für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig, deren Asylprozedur noch nicht abgeschlossen ist. Anerkannte Flüchtlinge haben die gleichen Bürgerrechte wie alle anderen Einwohner und sind dazu angehalten, sich eine Arbeit und eine eigene Wohnung zu suchen.

Filimon ist seit Mai 2018 als Flüchtling in Luxemburg anerkannt. Weil er unter 25 Jahre alt ist, hat er noch kein Anrecht auf das garantierte Mindesteinkommen Revis. Eine eigene Wohnung zu finden, ist ohne festes Einkommen unmöglich. Selbst mit dem Revis wäre es undenkbar, weil fast alle Vermieter einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Voraussetzung verlangen.

Wenn Flüchtlinge in einer schwierigen Situation seien oder gesundheitliche Probleme haben, würde das OLAI sie in der Regel nicht aus ihren Unterkünften verweisen, teilt die Behörde mit. Nach der Schließung des Monnericher Heims seien solche Menschen in andere Unterkünfte überwiesen worden. Auch für die Unterbringung von Flüchtlingen ohne gesundheitliche Probleme habe das OLAI mit dem Monnericher Sozialamt und der Caritas nach Lösungen gesucht.

Neue internationale Schule in Monnerich

Das wichtigste Kriterium bei der Umsiedlung eines Flüchtlings sei der Grad seiner Verletzlichkeit, den die Sozialarbeiter in einem persönlichen Gespräch mit dem Betroffenen ermitteln, erläutert das OLAI. Als verletzlich bezeichnet die Behörde Menschen mit physischen oder psychischen Problemen, denen eine Behandlung zuteilwerden muss. In diesem Fall würde bei ihrer Umsiedlung berücksichtigt, dass sie möglichst nahe am Ort der Behandlung sind. Nach Möglichkeit würden auch Integrationsaktivitäten wie Sprachkurse bei der Umsiedlung berücksichtigt, so das OLAI.

Sprachkurse hat Filimon schon belegt. Vergangenes Jahr hat er sogar im Escher Lycée Hubert Clément eine „Classe d’intégration jeunes adultes“ (Clija) besucht. Doch der Lernstoff war zu schwierig für ihn. Filimon wäre besser in einem Grundkurs für Französisch aufgehoben. Obwohl es in Luxemburg ein breites Angebot an Sprachkursen gibt, kann es immer wieder vorkommen, dass Geflüchtete in die falschen Kurse orientiert werden.

Für Filimon war die Clija eine frustrierende Erfahrung. Deshalb wollte er Arbeit suchen, um sich eine eigene Wohnung leisten zu können. Schnell musste er aber feststellen, dass das in Luxemburg ohne die nötigen Sprachkenntnisse fast unmöglich ist. Viele Flüchtlinge machen ähnliche Erfahrungen. Die Fälle haben sich in den vergangenen beiden Jahren gehäuft.

Filimon ist zurzeit nicht in einem Sprachkurs eingeschrieben. Ob das der Grund ist, weshalb das OLAI ihn nach Mersch geschickt hat, ist schwer zu sagen. Sein Engagement beim FC Esch United und seinen Freundeskreis im Süden scheinen die Sozialarbeiter bei seiner Umsiedlung jedenfalls nicht berücksichtigt zu haben.

Auf dem Standort des Ediff-Gebäudes in Monnerich sollte ursprünglich eine Polizeischule errichtet werden. Wie Familienministerin Corinne Cahen (DP) kürzlich auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten David Wagner („déi Lénk“) antwortete, sei inzwischen geplant, das Gebäude in eine Grundschule der „Ecole internationale de Differdange et d’Esch-sur-AIzette“ (EIDE) umzuwandeln. Zwölf Klassensäle für 280 Schüler seien vorgesehen. Die Eröffnung werde voraussichtlich im September 2023 erfolgen.

PW
7. Januar 2020 - 15.06

ech mengen Rosie huet nescht vum 3 Joerdausend matkritt soss giff et esou e Blödsin net verzappen.

L.Marx
4. Januar 2020 - 18.51

@ Unisono Hab' ich mich auch gefragt. Und konnte nur verständnislos den Kopf schütteln ...

FreiwilligeVor
4. Januar 2020 - 18.47

@Rosie: Ma da verzicht Dir vun elo un op jidder Congésdag fir e kierchlecht Fest a gitt all Joer op Chrëschtdag, Ouschteren an Himmelfahrt schaffen. Mer liewe schliesslech am 3. Joerdausend an Dir gitt dach bestëmmt gäer mam gudde Beispill vir, gelldiert?

Rosie
3. Januar 2020 - 19.03

@Paula "Muslimen, déi bewosst no Europa – engem Kontinent also deen vum Chrëschtentum geprägt ass..." Das war einmal. Haut ginn 2 Drëttel vun de Kanner hei am Land net méi gedeeft, Reliounsunterrecht gëtt et och keen. An Osteuropa sinn d'Chrëschten prozentual eestelleg (ausser Polen) an Däitschland sinn iwwert d'Hallschent aus de Kierchen ausgetrueden. Firwat eis Gemengen a Schoulen nach ëmmer de Kleeschen produzéieren ass mir e Rätsel.Do misst emol kräfteg duerchgegraff ginn, genee wéi beim Martinsdag an der Arméi. Mir si schliisslech am 3. Joerdausend.

Unisono
3. Januar 2020 - 13.53

"Umsiedlung". Wer hatte denn die Idee, diesen Begriff zu benutzen für das simple Umlogieren von einer Gratisunterkunft in eine andere...?

Paula
1. Januar 2020 - 16.26

@Romano Hoffentlech machen déi Mierscher et net anescht wei déi Escher! De Kleeschen (Nikolaus von Myra - Wikipedia hëlleft weider) ass en historeschen Personnage, dem säin Doudesdag den 6. Dezember gefeiert gëtt.  Muslimen, déi bewosst no Europa - engem Kontinent also deen vum Chrëschtentum geprägt ass - komm sinn fir gehollef ze kréien, sollen iwwert Gebräicher hei Bescheed wëssen, dat gehéiert zur Allgemengbildung. Ob si des Gebräicher dann doheem zelebréieren, dat ass hir Entscheedung.

Romano
1. Januar 2020 - 12.18

Hoffentlech sinn se do méi schlau a kommen de muslimesche Kanner net mam 'hellege' Kleeschen wéi zu Esch.

BillieTH
1. Januar 2020 - 10.27

chaque année il ya des milliers d’autres personnes qui s’installent volontairement (comme eux) au Grand-Duche, pour contribuer a la richesse du pays, et sur leur propres frais. jamais vu un article qui se plaigne du sort (ou le déménagement) de ses gens la ...

CESHA
31. Dezember 2019 - 16.41

Warum schickt man denn Flüchtlinge aus Afrika in einen Französisch-Kurs, statt gleich mit Luxemburgisch anzufangen? Die eine Sprache ähnelt doch der eigenen Muttersprache genau so wenig wie die andere. Oder liegt es daran, dass man sich aller gegenteiliger Behauptungen zum Trotz in Luxemburg doch noch immer besser auf Französisch verständlich machen kann als in der Landessprache?