29. Dezember 2025 - 19.23 Uhr
Frankreich„Wie Sklaven“: Drogenbanden in Marseille beuten Minderjährige aus
Sie werden für geringe Entlohnung zum Wachestehen oder für Kurierdienste eingesetzt. Ihre Vorteile aus Sicht der Drogenbosse: Die Jugendlichen können kaum verknackt werden, und sie lassen sich häufig durch Gewalt einschüchtern.
Hakim war 15, als er Ende 2020 aus dem Großraum Paris nach Marseille kam – in der Hoffnung, dort im Drogenmilieu Geld zu machen. Doch es kam deutlich anders, als er es sich vorgestellt hatte: Hakim wurde sein Handy weggenommen und er wurde bei einer Frau untergebracht, die ihm nur eine Schüssel Wasser zum Waschen und kaum Essen gab. Sein Job bestand darin, die Dealer zu warnen, wenn die Polizei anrückte.
Als er einmal nicht rechtzeitig warnte, bedrohte ihn der Dealer – kaum älter als er selbst – mit einem Messer. „Was wirst Du tun, damit Du am Leben bleibst? Schwanzlutschen?“, schrie er ihn an, bevor er ihn vergewaltigte. Anschließend behauptete Hakims Peiniger, die Szene gefilmt zu haben, um den Jungen zum Schweigen zu bringen.
Doch als einer von wenigen hat sich Hakim Hilfe gesucht. Als er in seinem Viertel eine Polizeistreife sah, stürzte er auf die Beamten zu und drängte sie, ihm zu helfen – es wurde einer der ganz seltenen Fälle, die juristische Folgen hatten.
Im kommenden Februar steht im Großraum Marseille ein weiteres Gerichtsverfahren an, in dem es um einen ungewöhnlichen Hilferuf geht. In Drogenpäckchen, die sie ausliefern sollten, hatten zwei 15-Jährige Zettel mit SOS-Botschaften geschmuggelt: „Hallo, wir werden von einer Bande festgehalten und geschlagen, bitte ruft die Polizei“, stand auf den Zetteln. Schließlich retteten sich die beiden selbst durch einen Sprung aus dem Fenster einer Wohnung im zweiten Stock, in der die Drogenbosse sie eingesperrt hatten.
Es ist eine Verletzung des Völkerrechts, wenn Kinder, die Opfer krimineller Ausbeutung werden, in erster Linie strafrechtlich verfolgt und bestraft werden, anstatt als Opfer betrachtet und betreut zu werden
2023 tobte in Marseille ein erbitterter Kampf zwischen den Drogenbanden Yoda und DZ Mafia, in dem mehrere Minderjährige getötet oder schwer verletzt wurden. „Man hat sie benutzt und weggeworfen wie Papiertaschentücher“, sagt Isabelle Fort, die bei der Staatsanwaltschaft in Marseille die Abteilung für organisierte Kriminalität leitet. „Sie waren komplett austauschbar, man hat sie wie Sklaven behandelt.“
Menschenhandel
In der französischen Justiz setzt sich erst allmählich ein neuer Ansatz durch, minderjährige Helfer von Drogenbanden nicht nur als Täter, sondern in erster Linie als Opfer anzusehen. Das Kinderhilfswerk Unicef prangerte zuletzt im Juli Frankreichs Umgang mit Kindern an, die von Kriminellen ausgenutzt werden. „Es ist eine Verletzung des Völkerrechts, wenn Kinder, die Opfer krimineller Ausbeutung werden, in erster Linie strafrechtlich verfolgt und bestraft werden, anstatt als Opfer betrachtet und betreut zu werden“, betonte die Organisation.
Justizminister Gérald Darmanin rief in einem internen Schreiben an die Behörden dazu auf, bei juristischen Verfahren den Aspekt des mutmaßlichen Menschenhandels stärker zu berücksichtigen. Die Staatsanwaltschaft in Marseille ermittelt derzeit in rund einem Dutzend Fälle gegen mutmaßliche Drogenbosse, in denen es um den Verdacht auf Menschenhandel geht.
In Marseille erreichte der Drogenkrieg 2023 mit 50 getöteten Menschen einen Höhepunkt, unter ihnen waren mehrere Minderjährige und Unbeteiligte. 2025 wurden in der südfranzösischen Hafenstadt mindestens 17 Menschen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel getötet. Aufsehen erregte zuletzt der Fall des 20 Jahre alten Mehdi Kessaci, der vermutlich ermordet wurde, um seinen älteren Bruder zu strafen und zum Schweigen zu bringen. Dieser hat sich dem Kampf gegen die Drogenkriminalität verschrieben.
De Maart
P. S. Nicht zu vergessen der franzoesische Indochinakrieg, zuletzt von der Armee eigenhaendig finanziert, durch Opiumhandel, alles ueber die damals wichtige Hafenstadt Marseille...
Die Verstrickung des "marseiller Untergrundes" mit der lokalen Politik sowieso, aber vor allem gleichsam, auch parallel auf nationaler Ebene mit hoechsten Wuerdentraegern, hat spaetestens seit der Jahrhundertwende, o. zeitgleich mit der "Belle Époque", in Frankreich eine gewisse Tradition... (French connection, Charles Pasqua, etc., etc.,