Sonntag26. Oktober 2025

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Europäische InitiativeWie schwierig ist der Weg zur Waffenruhe in der Ukraine?

Europäische Initiative / Wie schwierig ist der Weg zur Waffenruhe in der Ukraine?
Während US-Präsident Donald Trump behauptet, Putin wolle Frieden, lässt dieser weiterhin die Ukraine bombardieren, wie hier in der Region Charkiw Foto: Sergey Bobok/AFP

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Nach dem Eklat im Weißen Haus gibt es eine neue europäische Ukraine-Initiative: Zu den Vorschlägen gehören eine „Koalition der Willigen“ und eine Waffenruhe. Welche Schritte und Maßnahmen für eine gute Lösung wichtig sind.

Als Reaktion auf den Eklat im Weißen Haus wollen die europäischen Verbündeten der Ukraine einen Friedensplan mit Kiew ausarbeiten, der den USA vorgelegt werden soll. Einfach wird es nicht: US-Präsident Donald Trump hat die Verhandlungsposition der Ukraine nach Einschätzung von Konfliktforschern verschlechtert.

Welche Vorschläge gibt es?

Frankreich und Großbritannien schlagen nach Angaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine einmonatige Teil-Waffenruhe zwischen Russland und der Ukraine vor. Sie soll für Angriffe aus der Luft, zur See und auf die Energieinfrastruktur gelten, wie Macron der französischen Tageszeitung Le Figaro sagte. Für Bodenkämpfe würde die Waffenruhe in dieser ersten Phase aber noch nicht gelten, weil die Einhaltung schwer überprüfbar wäre – die gegenwärtige Frontlinie entspreche der Entfernung zwischen Paris und Budapest. In einer zweiten Phase sind europäische Bodentruppen in der Ukraine vorgesehen, die die Waffenruhe längerfristig absichern sollen. Europa soll die Hauptlast zur langfristigen Sicherung des Friedens auf dem eigenen Kontinent tragen.

Durch die Handlungen der USA in den vergangenen Wochen und Monaten hat sich die Verhandlungsposition der Ukraine verschlechtert

Jonas Driedger, Konfliktforscher

Was soll die „Koalition der Willigen“ tun?

Länder, die sich einbringen wollen, sollen sich laut dem britischen Premierminister Keir Starmer an einer „Koalition der Willigen“ beteiligen, um der Ukraine zu helfen. Unter anderem sollen die Verteidigungskapazitäten der Ukraine weiter gestärkt werden, um Russland so abzuschrecken, dass auch in Zukunft Angriffe auf die Ukraine ausbleiben. Die leitende EU-Analystin der International Crisis Group, Marta Mucznik, sagte dem Tageblatt, die „Koalition der Willigen“ müsse sich zunächst auf eine gemeinsame Verhandlungsstrategie mit der Ukraine verständigen, auf klare Botschaften, mögliche Zugeständnisse und Druckmittel sowie auf rote Linien. Es gebe allerdings ein „Dilemma“: Kiew wünsche sich, dass verbündete Staaten die Ukraine im Fall eines neuen Angriffs gemeinsam verteidigen. Hier seien aber die Europäer gespalten.

Wie soll die Ukraine einbezogen werden?

Nachdem das überfallene Land etwa im Februar in Saudi-Arabien beim ersten direkten Gespräch zwischen den USA und Russland seit drei Jahren außen vor geblieben ist, unterstreichen die europäischen Verbündeten, dass Kiew bei den weiteren Friedensgesprächen mit am Tisch sitzen soll. Konfliktforscher Jonas Driedger wies indes darauf hin: „Durch die Handlungen der USA in den vergangenen Wochen und Monaten hat sich die Verhandlungsposition der Ukraine verschlechtert.“ Der Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) fügte hinzu: „Trump hat deutlich gemacht, er hätte gerne einen schnellen Friedensschluss oder einen Waffenstillstand. Es ist auch klar, für ihn zählen Völkerrecht und Demokratie nicht viel. An die russische Seite wurde damit signalisiert, dass Moskau nicht viel von ihren Maximalforderungen aufgeben muss.“

„Kein großartiger Verhandler“

Wie soll die Ukraine einbezogen werden?

Driedger erläuterte: „Wenn ein Waffenstillstand die Ukraine im Grunde hilflos zurücklassen würde, wäre es hochwahrscheinlich, dass Russland wieder einen neuen Angriff starten würde, um weitere Territorien zu bekommen.“ Eine der Gegenmaßnahmen seien robuste Sicherheitsgarantien – nicht von Russland, das schon viele Versprechen gebrochen habe, sondern vom Westen. „Das könnte etwa ein NATO-Beitritt der Ukraine sein, was die USA aber ausgeschlossen haben.“ Die amtierende Direktorin der auf Konfliktlösung spezialisierten Berghof Stiftung, Chris Coulter, sieht indes Trumps Ansätze zur Konfliktlösung kritisch: „Im Fall Nordkorea hat der den Präsidenten Kim Jong-un legitimiert, bevor er überhaupt mit Verhandlungen begonnen hatte. Südkorea hat er außen vor gelassen. Auch im Nahostkonflikt hat er nicht alle Konfliktparteien berücksichtigt. Bei den Verhandlungen zum Doha-Abkommen war schon vor den Gesprächen klar, dass Trump so schnell wie möglich die US-Truppen aus Afghanistan abziehen will – die höchste Priorität der Taliban. Er ist also kein großartiger Verhandler.“

Welche Auswirkung hat das Vorgehen der USA weltweit?

Coulter sprach von einer „gewaltigen Verschiebung der Weltordnung, wie wir sie kennen“: Das Prinzip der territorialen Integrität, dass es einem Staat nicht erlaubt sei, das Territorium eines anderen Staates zu übernehmen, sei von Russland herausgefordert worden und werde jetzt auch von den USA hinterfragt. Konfliktforscher Driedger fügte hinzu: „Wenn die größte Macht der Welt – die USA – ein Land, das illegal angegriffen wurde, dazu zwingen würde, ihr Territorium aufzugeben, wäre das ein unglaublich gefährlicher Präzedenzfall.“