Seit Anfang April ist klar: Der Tageblatt-Rivaner soll trocken, frisch und fruchtbetont werden. Der Weg zu dieser Entscheidung war lang – wie wir sie nun umsetzen, war uns bis vor Kurzem allerdings unklar. Also haben wir erneut den Önologen der Privatwënzer, Jean Cao, kontaktiert. Wie so oft in den letzten Wochen sind wir spät dran. Die Aussage von Winzer Guy Krier, dass die Qualität des Weins im Weinberg wächst, begleitet uns von Anfang an. Und sie wird immer greifbarer.

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„Wir stehen kurz vor einer wichtigen Etappe“, sagt Jean Cao. Die sogenannte Véraison, der Reifebeginn der Trauben, steht bevor. „Man erkennt sie mit bloßem Auge: Die Textur verändert sich, der Zuckergehalt steigt, die Säuren nehmen ab.“
Die Prozesse in der Frucht sind komplex, doch Cao bemüht sich, uns die Vinifikation – den Weg von der Traube zum Wein – einfach zu erklären. Schnell wird deutlich: Der Winzer braucht viel Anpassungsfähigkeit. Und wir werden in diesem Gespräch nur einen Teil des Prozesses behandeln können.
Zurück zu den Säuren. Im Fokus stehen zwei: Apfelsäure, die ab etwa 20 bis 30 Grad in Zucker umgewandelt wird, und Weinsäure – die laut Cao die „Wirbelsäule des Weines“ ist. Apfelsäure schmeckt aggressiver, Weinsäure wird als frisch und angenehm wahrgenommen. Sie baut sich später ab und hat großen Einfluss auf das Geschmacksprofil.
Unsere zentrale Frage bleibt: Wie bekommen wir den Rivaner so hin, wie wir ihn uns vorstellen? „Es braucht Erfahrung, aber es ist machbar“, sagt Cao. Bei unserer Verkostung kamen zwei Weine besonders gut an. „Thiolische Aromen und mittlerer Zuckergehalt“, lautet seine Analyse.
Thiole
Thiole sind Schwefelverbindungen, die bei Fäulnisprozessen entstehen und in tropischen Früchten und Weinbeeren sowie in Milch, Käse, Hopfen oder Zwiebeln vorkommen. Meist zeichnen sie sich durch einen stechenden und fauligen Geruch aus. Das Drüsensekret der Stinktiere enthält zum Beispiel auch gewisse Sorten von Thiolen. Rivaner gehört neben dem Sauvignon Blanc zu den Rebsorten, die besonders reich an Thiolen sind. In dieser niedrigen Konzentration sind sie für angenehm empfundene und frische Aromen, wie Grapefruit oder Zitrus verantwortlich.
Dafür ist der richtige Lesezeitpunkt entscheidend. Für unser Wunschprofil ist das frühe Reifestadium ideal. Cao erklärt: „Die Reifekurve ist nicht linear. Viele Faktoren beeinflussen sie.“ Er beschreibt eine Aromakurve: „Wir haben grünen, gelben und sehr reifen Pfirsich. Euer idealer Zeitpunkt liegt zwischen grünem und gelbem Pfirsich. Also etwas links der Mitte von der Aromakurve.“
Geschmackstest
Aber wie erkennen wir den? „Ihr müsst Trauben probieren, Stichproben nehmen – aus verschiedenen Zonen der Parzelle. Die Reife kann stark variieren.“ Unsere fehlende Erfahrung ist dabei nicht hilfreich, doch Cao bietet Unterstützung an: „Das ist Teil meines Jobs.“ Details, die wir heute nicht besprechen, folgen später. Zum Glück dauert unser Projekt Domaine Tageblatt noch ein paar Monate. Alles auf einmal zu erklären, wäre zu viel. „Wenn du es nicht verstehst, kann ich es auch einfacher erklären.“ Er hat das Fragezeichen in meinem Gesicht wohl bemerkt.
Cao betont die Bedeutung der aktuellen Arbeit im Weinberg. Jetzt könne man noch den Ertrag reduzieren, um die Qualität zu steigern. Ob zu viele Trauben an unseren Rebstöcken hängen, müssen wir mit Winzerin Corinne Kox klären. „Im Keller lässt sich noch vieles beeinflussen, aber wenn die ,matière première‘ nicht stimmt, wird’s schwierig“, sagt Cao. Probleme im Wein liegen meist an der Qualität der Trauben, nicht an der Kellerarbeit.

Apropos Keller: Damit haben wir uns bisher kaum beschäftigt. Doch bald stehen wir schneller mit unseren Trauben vor der Presse, als uns lieb ist. Auch dort gibt es viele Entscheidungen zu treffen. „Sprecht mit Corinne, was machbar ist. Für euer Ziel würde ich euch empfehlen, ganze Trauben zu pressen, also mit der Haut.“ Das gilt aber nur, wenn die Qualität des Leseguts es zulässt. „Es ist ein Naturprodukt. Vielleicht zeigt sich bei der Verkostung, dass eine andere Methode besser ist.“
Kalte Gärung
Wenn alles nach Plan läuft, sollte der Most geklärt werden. „Etwas Trub ist möglich, aber dadurch könnten thiolische Aromen verloren gehen.“ Um diese Aromen zu fördern, empfiehlt Cao eine kalte Gärung bei 14 bis 16 Grad. Auch die Wahl der Hefe spielt eine Rolle.
Für den Ausbau haben wir uns bereits für Edelstahl entschieden, laut Cao die richtige Wahl. „Man kann oxidativ arbeiten, mit viel Sauerstoff, oder reduktiv, mit wenig. Letzteres fördert die Thiole.“
Wie stark die Aromen am Ende sind, hängt von vielen Faktoren ab. 60 ng/L gelten als normal für einen Rivaner. „60 bis 80 könnt ihr erreichen. Darüber wird’s schwierig, beziehungsweise anspruchsvoller. Da muss man im Keller verstärkt dran arbeiten“, so Cao.
Ob unser Rivaner wirklich trocken, frisch und fruchtbetont wird, erfahren wir erst, wenn er in der Flasche ist. Bis dahin steht uns noch einiges bevor. Und es sieht ganz so aus, als wäre das nicht unser letztes Treffen mit Jean Cao.
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